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Massive Abschiede bis Gänsehaut treiben Borussia Dortmund Richtung Wembley.

Marco Reus erlebt einen letzten Abschied

Nicht nur seine Mannschaftskameraden feierten Marco Reus.
Nicht nur seine Mannschaftskameraden feierten Marco Reus.

Massive Abschiede bis Gänsehaut treiben Borussia Dortmund Richtung Wembley.

Marco Reus verabschiedet sich ein letztes Mal im Dortmunder Westfalenstadion. An diesem Samstag freut man sich auf einen denkwürdigen Abschluss in Wembley.

"Das Entscheidende liegt auf dem Platz", sagt Adi Preißler, eine Dortmunder Fußballlegende. Doch in diesem Fall ist es anders: Es kommt darauf an, was Marco Reus auf den Platz bringt. Das Spiel zwischen Borussia Dortmund und dem SV Darmstadt war nur noch eine Formsache. Dortmund würde auf dem fünften Platz bleiben und Darmstadt würde als Tabellenletzter absteigen. Der Ausgang dieses Spiels war nicht wirklich wichtig.

Aber es war wichtig, denn alle wollten Reus ein letztes Mal in diesem Stadion sehen und ihm vielleicht mit einem Tor einen würdigen Abschied bereiten. Und sie wurden nicht enttäuscht, denn beim 4:0-Sieg erzielte er ein Tor und eine Vorlage. Reus gab sogar zu, dass es "ein bisschen kitschig" war.

Natürlich ließ Trainer Edin Terzić Reus als Kapitän in der Startformation auflaufen, wie er es schon früher getan hat. Schließlich hat sich Reus' Rolle vom Spielgestalter zum Ergänzungsspieler gewandelt. Vor dem großen Publikum bekam er eine Gänsehaut und sagte: "Es war heute sehr emotional. Ich wollte das alles ein letztes Mal genießen, und es war perfekt."

Die Verabschiedung von Reus begann schon vor dem Spiel. Er durfte eine halbe Minute früher als der Rest der Mannschaft zum Aufwärmen rausgehen. Sofort wurde er von den über 80.000 Zuschauern im Stadion mit Jubel überschüttet. "Das war nicht von mir geplant", erklärte Reus später in der Mixed Zone und grinste. Die "Marco Reus"-Sprechchöre hallten 35 Minuten vor dem Anpfiff lautstark wider. Als das Lied "Someone like you" von Adele erklang, wurde Reus von den Vereinsverantwortlichen und Stadionsprecher Nobert Dickel mit Blumen, einem Porträt und Abschiedsworten bedacht. Auch von der Südtribüne erhielt er die ersten Abschiedsgrüße, wobei er sich beim Feiern ins Herz klopfte.

Die Fans ehrten ihn mit einem riesigen "Danke, Marco! Auch die Nummer 11 war in schwarz-gelber Schrift zu sehen. Rund um das Stadion waren Trikots mit Reus' Nummer häufiger zu sehen als sonst. Auf einem stand sogar: "Schwarz-gelbe Legende".

Genau in der Mitte.

Das Spiel war schnell zusammengefasst: Dortmund suchte den Weg zu Reus, der wiederum eine Lattenchance vergab. Dann bereitete er durch einen Tunnel das erste Tor von Ian Maatsen vor. In der 38. Minute erhoben sich die Fans, als der Ball nach einem Freistoß aus 17 Metern Entfernung im Tor landete. Sie waren zuversichtlich, dass er ein Tor schießen würde, und das tat er auch. Seine Mannschaftskameraden feierten ihren Kapitän, der nach dem Tor Luftküsse mit den Zuschauern austauschte. "Es war wie ein Gemälde", sagte Reus.

Der Höhepunkt kam in der 81. Minute. Reus verließ das Spiel unter stehenden Ovationen seiner Mannschaft, des Gegners, der Gästefans und sogar des Ultras-Chores. Während des Spiels stattete Reus den Chormitgliedern noch einen Besuch ab, um sich bei ihnen zu bedanken. Für die BVB-Anhänger gab es sogar Freibier. Nach einer Ehrenrunde und einer Konfettikanonen-Aktion von Niclas Füllkrug endete eine Stunde später ein weiterer Fanausflug auf der Südtribüne.

Reus stand dann vor der "Gelben Wand" (alias Südtribüne), umringt von einer großen Zuschauermenge. Seine Zeit als Spieler von Borussia Dortmund und in seinen letzten Tagen im Westfalenstadion neigte sich dem Ende zu. Auch wenn er diesen Moment nicht brauchte oder wollte, so war er doch unausweichlich - ein großes Finale. Es ist schwer zu sagen, was Reus bei diesem emotionalen Ereignis gedacht hat. Vielleicht dachte er an die vielen unvergesslichen Momente in diesem Stadion.

Sein entscheidender Doppelpack gegen den FC Bayern im Jahr 2018, sein Derbytor an der Seite seines "Batman"-Kollegen Pierre-Emerick Aubameyang beim 3:0-Sieg gegen Schalke oder sein sensationelles Solo gegen Besiktas, bei dem er zwei Spieler stehen ließ. Oder der Ausgleichstreffer gegen den FC Malaga beim Wunder im Westfalenstadion, als der BVB in der Nachspielzeit auf dem Weg ins Champions-League-Finale das Spiel auf den Kopf stellte. Zweifellos sind das epische Momente in der BVB-Geschichte.

Marco Reus wird Borussia Dortmund als Vereinsikone verlassen. Das kann man ohne Übertreibung sagen. Er ist in Dortmund geboren und aufgewachsen, hat die Jugendmannschaften des Vereins durchlaufen und dort zwölf Jahre lang als Profi gespielt. Ein echter Held seiner Heimatstadt. Auch wenn er nicht der sympathischste Mensch ist, bleibt er ein Publikumsliebling und ein Idol der Mannschaft, das Gesicht des modernen BVB. Seine Karriere ist berühmt geworden für ihre Höhen und Tiefen. "Es gab mehr Höhen", betonte er in seinem Abschiedsvideo vor zwei Wochen.

Klare Botschaft von der Südtribüne.

Zu den Rückschlägen gehörte Reus' Zeit in der Dortmunder Jugend, wo er als zu leicht eingeschätzt und entlassen wurde. Dieser Fehler kostete den Verein schließlich 17,5 Millionen Euro, als man ihn 2012 von Borussia Mönchengladbach, wo er seinen Durchbruch schaffte, zurückkaufen musste.

Als Reus 2012 nach Dortmund kam, galt er als einer der begehrtesten Spieler der Liga und als die heißeste Aktie. Schon während seiner Zeit in Gladbach unter Trainer Lucien Favre hatte er die halbe Liga verzaubert. Mit seiner Mischung aus Schnelligkeit, Technik, Übersicht und Abschlussstärke wurde er als die neue Ära des Teams gefeiert. Doch die Dinge liefen nicht wie geplant.

Reus hatte das Pech, zu einem Zeitpunkt zum BVB zu kommen, als die Bayern auf dem Höhepunkt ihrer Karriere waren. Erst unter Jupp Heynckes und Pep Guardiola, dann unter Hansi Flick. Erst in der Ära Nagelsmann/Tuchel begann die Dominanz der Bayern zu bröckeln. Die beste Chance, die Bayern im Vorjahr zu entthronen, verpasste Dortmund allerdings am letzten Spieltag. Nach dem 2:2-Unentschieden gegen Mainz wurde Reus weinend auf dem Rasen des Heimstadions gesehen - der ultimative Moment des Herzschmerzes.

Reus' Statistik ist beeindruckend

Zu dieser Geschichte gehört auch, dass der 34-Jährige in seinen zwölf Jahren beim BVB keine einzige bedeutende Trophäe gewonnen hat. Insgesamt drei Super-Cup-Trophäen und zwei DFB-Pokalsiege waren nicht so denkwürdig wie erwartet. Aber auch die Bundesliga und die europäischen Titel fehlen ihm. Das brachte ihm den Ruf eines Underachievers ein, der ihm anhaftete. Trotz seiner Fähigkeiten und persönlichen Erfolge blieben Zweifel an seinen Leistungen.

Abschiedsfeier.

Während seiner Zeit als Dortmunder Kapitän von 2018 bis 2023 hatte Reus' Team einige Herausforderungen zu meistern, sowohl national gegen die Bayern als auch international gegen Größen wie Juventus, Real, Chelsea und City. Das Fehlen von Titeln und sechs Vizemeisterschaften wurde oft mit Reus in Verbindung gebracht, was nicht immer fair war. Die berühmte Mentalitätsdebatte eskalierte und forderte auch von Reus selbst ihren Tribut.

"Es ist so ärgerlich", schimpfte er 2019 nach dem 2:2-Unentschieden gegen Frankfurt. "Du und dein Mentalitätsmist." Zwei Jahre später, nachdem sich die Mannschaft erholt hatte, antwortete er mit dem legendären Zitat: "Jeder ist nur ein Mensch."

Reus wurde von den Fans für seine Leistungen auf dem Spielfeld respektiert und außerhalb des Platzes geschätzt. Ihre Liebe und Bewunderung war jedoch nicht absolut. Reus hielt dem Verein den Spiegel vor, indem er dessen Stagnation auf höchster Ebene aufzeigte. Sein Einfluss auf den Verein ist beträchtlich: Reus hat insgesamt 428 Pflichtspiele für den BVB bestritten, dabei 170 Tore erzielt und 131 Assists gegeben. Beeindruckende Zahlen. Damit liegt er auf Platz vier der ewigen Bestenliste des Vereins und auf Platz zwei der Torschützenliste. Nur Adi Preißler liegt noch vor ihm.

Reus hat sieben Trainer durchlaufen: Klopp, Tuchel, Bosz, Stöger, Favre, Terzić und Rose (und zweimal Terzić). Sie alle standen zu ihm, und er blieb dem Verein treu, obwohl er Angebote von zahlreichen Spitzenklubs erhielt. Diese Loyalität ist ein weiterer Aspekt von Reus, der von den Fans sehr geschätzt wird. Die folgenden Fan-Zitate verdeutlichen dies: "Identifikation und Loyalität sind das, wofür dein Name steht", "100 Prozent Dortmunder" und "Wenige Worte, viele Taten - 100 Prozent eines ganzen Jahrzehnts."

Während seiner Zeit in der Nationalmannschaft erlebte Reus mehr Herausforderungen als Triumphe. Im Jahr 2018 zum Beispiel war seine Leistung alles andere als perfekt. Als er 2012 in die von Joachim Löw trainierte Nationalmannschaft eintrat, die damals schon voller Talente war, wurde er zunächst mit Spannung erwartet. Bei der Europameisterschaft 2012 erreichte die Mannschaft das Halbfinale, und Reus spielte sogar in der K.o.-Runde. Den Gewinn der Weltmeisterschaft 2014, der ihn zu einem großen Star hätte machen können, verpasste er jedoch wegen eines Syndesmosebandrisses, den er sich im Spiel gegen Armenien zuzog. Auch die Europameisterschaft 2016 (Schambeinentzündung) und den Sieg beim Confederations Cup 2017 (Kreuzbandriss) musste er verletzungsbedingt aussetzen. Sein letztes Spiel bestritt er 2021 gegen Liechtenstein. Reus' Zeit im DFB-Team verlief nicht so fruchtbar wie erhofft.

Vor dem Anpfiff gab es Blumen für Marco Reus.

Verletzungen haben in seiner Karriere eine große Rolle gespielt. 213 Spiele musste Reus seit 2012/13 verletzungs- und krankheitsbedingt aussetzen, wobei die Frage nach dem "Was wäre wenn" einen großen Teil seiner Karriere ausmacht.

Hinzu kommt, dass Wembley für ihn eine besondere Verbindung hat. In seiner ersten BVB-Saison erreichte er das Champions-League-Finale in Wembley und verlor dort nur knapp gegen Arjen Robbens Bayern. Die Niederlage hat tiefe Spuren hinterlassen. Hier findet nun sein letztes Spiel für den BVB statt, und er kehrt an diesen ikonischen Ort zurück. Es scheint ein perfektes Ende seiner BVB-Karriere zu sein.

Ein möglicher Wendepunkt

Mit dem Hinweis auf seine Liebe zum Fußball und den Unwillen, mit dem Spielen aufzuhören, denkt Reus noch über seinen nächsten Schritt nach. Er könnte NRW zum ersten Mal in seiner Karriere verlassen und sich nach Möglichkeiten in den Vereinigten Staaten umsehen. St. Louis will ihn mit Hilfe seines ehemaligen Teamkollegen Roman Bürki verpflichten, und die MLS ist offen für ihn. Es besteht auch die Möglichkeit einer Rückkehr zum BVB. "Wir gehen davon aus, dass er nach seiner Profikarriere zum BVB zurückkehren wird, denn in Dortmund warten viele interessante Möglichkeiten auf ihn", versprach Geschäftsführer Watzke.

Vorher steht aber noch ein wichtiger Meilenstein an. Wembley, dieses Mal nicht gegen Bayern, sondern gegen Real Madrid. Höher kann der Einsatz nicht sein. "Das müssen wir auch schaffen, sonst wäre es eine Enttäuschung", sagte Reus nach dem Halbfinalspiel gegen PSG. Der Gewinn der Champions League mit dem BVB wäre die Kirsche auf dem Sahnehäubchen seiner Karriere. Es könnte der ultimative Abschluss einer unvollendeten Geschichte sein.

BVB-Fans senden zahlreiche Botschaften an Marco Reus.

"Ich liebe diesen Sport. Ich kann mir nicht vorstellen, jetzt aufzuhören", erklärte Reus seinen Unwillen, sich zurückzuziehen. Es ist ungewiss, wohin die Reise von Reus führen wird, aber eines ist sicher: Er hat noch viel vor sich.

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Quelle: www.ntv.de

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