"In einer Straßenschlägerei siegt Fury"
Im bevorstehenden Schwergewichts-Showdown zwischen Tyson Fury und Oleksandr Usyk erwartet Kommentator Bernd Bönte einen spannenden Abend. Im Interview mit RTL/ntv und sport.de spricht Bönte darüber, warum dieser Kampf für den Boxsport von großer Bedeutung ist, warum er Usyk im Vorteil sieht und welche Schwächen er haben könnte.
Dieser Samstag markiert einen unglaublich wichtigen Moment in der Boxgeschichte. 25 Jahre sind vergangen, seit der letzte unangefochtene Schwergewichts-Champion seinen Stempel aufgedrückt hat, und jetzt, wo Fury und Usyk gegeneinander antreten, wird ein weiterer Titel vergeben. Das Ereignis ist ein riesiger Sprung nach vorn, was durch die enorme Medienaufmerksamkeit und den Hype um den Kampf deutlich wird.
Als langjähriger Manager der Klitschko-Brüder hat Bönte einen einzigartigen Blick auf die sich verändernde Landschaft der Schwergewichtsklasse. Die jüngste Ära gehörte den Klitschkos, und überraschenderweise hielt diese nicht lange an. Von 2008 bis 2013 hielten beide Klitschkos mehrere Weltmeistertitel. Doch vor ihrer Regentschaft gab es eine Zersplitterung innerhalb der Division durch verschiedene Verbände. Jetzt stehen bei dem mit Spannung erwarteten Showdown alle verfügbaren Titel auf dem Spiel.
In Anbetracht der potenziellen finanziellen Auswirkungen des Ereignisses glaubt Bönte, dass es der bedeutendste Kampf des Jahrhunderts sein wird und zu einem der größten Kämpfe aller Zeiten werden könnte. Die Größe des Ergebnisses hängt jedoch von der Qualität des Kampfes ab: ob es ein spannender Kampf auf höchstem Niveau oder ein strategisch langweiliger Kampf ist.
Auf wen setzt Bönte also? Er tippt auf Usyk als Champion. Er hält Usyk für den besseren Kämpfer, erkennt aber das hohe Niveau von Fury an. Trotz des anhaltenden Dramas wird ein enger Kampf erwartet, so Bönte. Das endgültige Urteil hängt davon ab, wie jeder Kämpfer das Duell angeht. Wenn sich der Kampf im Wesentlichen um das geschickte Boxen von Usyk und die rohe Gewalt von Fury dreht, wird Usyk wohl als Sieger hervorgehen.
Bönte lobt Usyks beeindruckende Schnelligkeit, Beinarbeit und technische Fähigkeiten. Fury hat jedoch erhebliche Vorteile in Bezug auf Größe und Gewicht. Um den Kampf zu einem Straßenkampf zu machen - wie Bönte es ausdrückt - muss Fury seine beträchtliche Masse und Aggressivität nutzen, um Usyks Schnelligkeit und Beweglichkeit zu bekämpfen. Es ist ein interessanter, eng geführter Kampf. Die Zeit wird zeigen, ob Fury einen Schlagabtausch herbeiführen kann oder ob Usyks schwer fassbare Strategie ihm den Sieg sichert.``
Was für einen Kampf werden wir wohl zwischen Fury und Usyk sehen? Lassen Sie uns die Möglichkeiten ausloten:
- Klassisches technisches Boxen: Usyk könnte seine Schnelligkeit, Beweglichkeit und Beinarbeit nutzen, um einen konstanten Rhythmus aufrechtzuerhalten, was eine Herausforderung für Fury wäre, der es normalerweise genießt, seine Gegner zu schlagen und den Schwung mitzunehmen. Usyk hat immer wieder bewiesen, dass er in der Lage ist, den Ring 12 Runden lang zu dominieren, indem er eine klinische Vorgehensweise anwendet. Er ist auch für seine Vorliebe für Stock- und Move-Taktiken berüchtigt und frönt einer rigorosen Routine von chronischem Training, um in Topform zu bleiben. Die Frage ist, ob es Fury gelingt, diesen Rhythmus zu durchbrechen.
- Ein verkappter Straßenkampf: Ein Straßenkampf zwischen Usyk und Fury wäre intensiver, voller dramatischer Wendungen und unerwarteter Ergebnisse und würde die jeweiligen Stärken der beiden zur Geltung bringen. Usyks kleinere Statur und seine Schnelligkeit könnten Fury dazu zwingen, aggressiv zurückzuschlagen. Diese Strategie könnte jedoch seine Schwächen aufdecken, wenn er sich zu sehr auf seine rohe Kraft verlässt.
In beiden Fällen wird Usyk seine berühmte Beweglichkeit und taktische Klugheit unter Beweis stellen und Fury herausfordern, seinen aggressiven Stil zu kontern. Umgekehrt müsste Fury mit seiner kolossalen Größe, seiner unerschütterlichen Entschlossenheit und seinem beeindruckenden Rekord aus Usyks Rhythmus ausbrechen und seine Autorität durchsetzen. Eine Kombination aus kraftvollen Körpertreffern, verheerenden Haken und Druck durch einen unerbittlichen Ansturm könnte diesen Kampf zu einem Street Fight machen.
Der Trainer des Boxers ist Sugar Hill Steward, der eine Zeit lang Wladimirs Assistent in den Trainingslagern war. Er folgt der sogenannten Kronk-Schule aus Detroit, die von Sugar Hills Onkel Emanuel Steward unterrichtet wird. Bei großen Boxern wie Thomas Hearns, Lennox Lewis und Wladimir Klitschko bedeutet diese Methode, hinter dem Jab zu boxen, Kämpfe zu dominieren, ohne Risiken einzugehen, sicher zu boxen und größere Gegner zu clinchen, um ihnen den Schwung zu nehmen.
Aber warum ist das eine Herausforderung für Fury gegen Usyk?
Wenn Usyk fit, gesund und in der Lage ist, seine unglaubliche Beinarbeit einzusetzen, die er in all seinen Kämpfen, auch gegen Anthony Joshua, gezeigt hat, wird es für Fury enorm schwierig sein, ihn zu stoppen. Usyk hat sich in den Runden zehn, elf und zwölf gegen Joshua sogar verbessert und diese Kämpfe dominiert. Seine Ausdauer und seine Qualität zeigen, dass er ein echter Klassemann ist. Er konnte einige brutale Schläge von Joshua abwehren und seine Takedown-Fähigkeiten unter Beweis stellen. Fury verfügt nicht über einen so starken Schlag wie Joshua.
Allerdings hat Fury seine Fähigkeiten im Takedown und im Standup unter Beweis gestellt. Boxgiganten wie Wladimir Klitschko und Deontay Wilder haben es nicht geschafft, ihn auszuknocken. Könnte der körperlich schwächere Usyk es schaffen?
Das hängt vom Frustrationsfaktor ab. Wenn Usyk, wie ich bereits erwähnt habe, stärker und wütender wird und Furys Angriffen standhält, ist alles möglich. K.o.-Siege können eintreten, wenn man sie am wenigsten erwartet. Usyks größter Vorteil ist seine unglaubliche Schnelligkeit - mit seinen Händen und seinem Körper. Seine Beweglichkeit erlaubt es ihm, aus zahlreichen Winkeln zu schlagen, sogar mit beiden Händen. Seine linke Hand ist außergewöhnlich kraftvoll, eine der besten in der Schwergewichtsklasse. Das hat man gegen Joshua gesehen, der ein paar Mal gestolpert ist. Wenn der erste Kampf etwas länger gedauert hätte, wäre Joshua vielleicht ausgeknockt worden. Das zeigt, dass Usyk über die nötigen Fähigkeiten verfügt. Angenommen, es kommt zu einer Punktentscheidung.
Befürchten Sie eine kontroverse Entscheidung wie beim Kampf Evander Holyfield gegen Lennox Lewis in New York 1999?
Ich war im Madison Square Garden und kommentierte den Kampf für Premiere, den Vorläufer von Sky. Ich glaube, ich hatte Lennox Lewis drei oder vier Runden Vorsprung, so wie alle anderen in den Medien um mich herum auch. Aber natürlich sind die Meinungen der Punktrichter beim Boxen subjektiv, d. h. sie können den Kampf anders oder absichtlich anders bewerten. Bei Fury gegen Usyk haben sicherlich beide Seiten Einfluss auf die Auswahl der Punktrichter. Ich denke, dass neben den Punktrichtern und Schiedsrichtern auch die Korruption eine Rolle spielen könnte.
Die Kronk-Schule aus Detroit betonte, dass ein großer Mann einen kleineren mit einem Aufwärtshaken schlägt. Ist das der wichtigste Schlag für Fury?
Sicherlich, aber die Frage ist, wie schnell muss man sein, um diesen Schlag bei diesem kleinen, wendigen, hyperaktiven Gegner effektiv zu landen? Das gilt für jeden Schlag. Man muss bedenken, dass der Aufwärtshaken eine riskante Bewegung für denjenigen ist, der ihn wirft. Der Schlag ist von Anfang an relativ lang, so dass der Gegner kontern kann. Usyk, als Experte in dieser Form, beherrscht dies perfekt. Allerdings kann er sich nicht vor Fury stellen und ihn einen Aufwärtshaken ausführen lassen. Aber dessen ist er sich natürlich bewusst. Er wird immer versuchen, beweglich zu sein, auszuweichen und sich nie direkt vor Fury zu stellen.
In Großbritannien sagen viele, dass Fury den Körper angreifen muss, weil das die Schwachstelle von Usyk ist. Stimmt das - sind Körpertreffer das Kryptonit von Usyk?
Ja, das haben Sie beim Kampf gegen Daniel Dubois im August 2023 gesehen. Ich war bei der Veranstaltung in Wrocław dabei, saß ganz vorne im Ring. Man kann darüber streiten, ob Dubois den Weltmeister in der fünften Runde mit einem Tiefschlag niedergeschlagen hat oder ob der Schlag legal war. Er war grenzwertig. Tatsache ist, dass der Ringrichter den Schlag als Tiefschlag wertete und eine Verwarnung aussprach. Wäre es kein Tiefschlag gewesen, wäre Usyk wieder aufgestanden und hätte weitergekämpft. Es lässt sich nicht leugnen, dass Usyk sich nicht in einem katastrophalen Zustand befand und hätte weiterkämpfen können. Es ist offensichtlich, dass sich Usyk in anderen Kämpfen regelmäßig bei den Schiedsrichtern über vermeintliche Tiefschläge beschwert hat, die in Wirklichkeit Körpertreffer waren. Das ist seine Schwachstelle.
Im Boxsport sagt man gemeinhin, dass ein solider Schwergewichtsboxer einen geschickten Leichtgewichtsboxer immer besiegen wird. Was lässt Sie glauben, dass Usyk diese Norm durchbricht?
Der Begriff "gut" bleibt subjektiv, aber ich bin der festen Überzeugung, dass Usyk in vielerlei Hinsicht überlegen ist. Tyson Fury, ein großer und schwerer Mann, sollte den Kampf theoretisch bewältigen, indem er seine Reichweite aus der Distanz nutzt, wie frühere berühmte Schwergewichtler wie Lennox Lewis, Riddick Bowe, Vitali, Wladimir oder Larry Holmes. Den Jab einsetzen. Das Problem ist jedoch, dass es schwierig ist, den Jab einzusetzen und den Reichweitenvorteil zu nutzen, wenn niemand den Jab behindert und man ständig in Bewegung ist. Das Problem für Fury besteht darin, das Tempo des flinken, schnelleren Gegners zu stören, denn Usyks großer Vorteil liegt in seiner Schnelligkeit, seinen verschiedenen Winkeln und seinen wendigen Bewegungen. Er baut jeden Kampf um diese Dinge herum auf. Und das ist der Grund, warum er bisher jeden Kampf gewonnen hat. Die spannende Frage ist, ob Fury, der jetzt in Topform ist, das Tempo von Usyk unterbrechen und seine eigenen Fähigkeiten zeigen kann. Am Ende des Tages werden wir das besser einschätzen können.
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Quelle: www.ntv.de