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Wie verdienen sich Tiere den Titel eines Diktators?

Personen, die in der Vergangenheit mutig und bewundernswert gehandelt haben.

Skelett eines Dysalotosaurus lettowvorbecki im Museum für Naturkunde Berlin: Der Dinosaurier wurde...
Skelett eines Dysalotosaurus lettowvorbecki im Museum für Naturkunde Berlin: Der Dinosaurier wurde nach Paul von Lettow-Vorbeck benannt, der als Kommandeur der deutschen Kolonialarmee an Gräueltaten in Afrika beteiligt war.

Wie verdienen sich Tiere den Titel eines Diktators?

Straßen werden umbenannt, Statuen werden abgerissen, und bestimmte Namen in Büchern werden umgeschrieben. Auch im Bereich der Zoologie ist eine Diskussion entstanden: Sollen Tiere wie der Hitler-Käfer oder der Mussolini-Schmetterling neue Namen bekommen?

Dieses fünf Millimeter lange Tier, das sich in Höhlen versteckt, sorgt für Aufsehen. Das liegt aber nicht an seiner Größe, sondern an seinem wissenschaftlichen Namen: Anophthalmus hitleri. Der Käfer, der keine Augen hat, wurde nach Adolf Hitler benannt und ist bei bestimmten Sammlern wegen seines Namens sehr begehrt. Ähnlich verhält es sich mit einem Dinosaurier im Naturkundemuseum in Berlin: Dysalotosaurus lettowvorbecki, benannt nach Paul von Lettow-Vorbeck, der als Chef der deutschen Kolonialarmee in Afrika Gräueltaten beging.

Es gibt zahlreiche Beispiele wie diese, die meisten davon sind Tiere, die schon vor langer Zeit wissenschaftlich beschrieben wurden. Sie werden jedoch vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse wie der Umbenennung von Straßen, der Beseitigung von Denkmälern und der kritischen Auseinandersetzung mit Sprache im Allgemeinen bewertet. Auch in der Wissenschaft werden umstrittene Tiernamen diskutiert. Aber erwarten Sie nicht, dass sich in nächster Zeit etwas ändert. Hier erfahren Sie, was Sie über Tiernamen wissen müssen:

Wie erhalten die Tiere wissenschaftliche Namen?

Jedes Jahr werden auf der ganzen Welt Tausende neuer Tierarten entdeckt. Die internationalen Regeln der zoologischen Nomenklatur geben vor, wie Taxonomen vorgehen sollten. Laut Professor Michael Ohl vom Museum für Naturkunde in Berlin gibt die Nomenklatur jedoch nicht den Inhalt vor. Die Forscher sind frei in der Wahl der Namen, solange sie technisch korrekt sind. "Diese Namen werden offiziell, sobald sie veröffentlicht sind, und können nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Es gibt eine lange Tradition, neu entdeckte Tierarten nach Menschen zu benennen - um einen großzügigen Spender zu erfreuen, um Familie oder Freunde zu ehren oder um mit berühmten Namensgebern Aufmerksamkeit zu erregen. So ist beispielsweise eine Tausendfüßlerart nach dem Popstar Taylor Swift benannt, Käfer nach dem Schauspieler Leonardo DiCaprio und eine Mottenart nach dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump.

Welche Namen sind problematisch?

Das Beispiel des Hitler-Käfers und einer Motte, die nach dem italienischen Diktator Benito Mussolini benannt ist, zeigt, wie problematisch es ist, Dinge nach Personen zu benennen. Was ist, wenn ein Politiker extremistische Ansichten vertritt oder ein Filmstar wegen sexueller Übergriffe vor Gericht steht? Einige Wissenschaftler argumentieren, dass Artnamen auch diskriminierend oder rassistisch sein können.

Die Paläobiologin Emma Dunne von der Universität Erlangen-Nürnberg hat zusammen mit anderen Experten die Namen aller bekannten (etwa 1500) Dinosaurier untersucht. Die Ergebnisse der Studie will sie vor ihrer Veröffentlichung nicht preisgeben. Wie das Team in der Fachzeitschrift "Nature" berichtet, wurden viele der zwischen 1908 und 1920 in Tansania entdeckten Fossilien nach deutschen Forschern benannt und nicht nach einheimischen Expeditionsmitgliedern oder Namensgebern, die sich an kolonialen Ortsnamen orientierten. Die meisten Namen mit einer geschlechtsspezifischen Endung waren zudem männlich.

Wie bedeutsam ist das Thema?

Etwa 20 % der Tiernamen sind Eponyme, d. h. sie dienen der Ehrung von Personen. Laut der Internationalen Kommission für Zoologische Nomenklatur, dem Gremium, das die Regeln für die Namensgebung festlegt, ist dies die größte Gruppe von Namen, die potenziell Anstoß erregen könnten. Toponyme, also Ortsnamen, machen etwa 10 % der Namen aus und könnten ebenfalls als beleidigend empfunden werden. "Mehrere hunderttausend akzeptierte wissenschaftliche Namen könnten daher in Frage gestellt werden", so die Kommission.

Bei den Dinosauriernamen stellten die Forscher fest, dass weniger als 3 % als problematisch angesehen wurden. Zahlenmäßig ist dieses Problem relativ unbedeutend, erklärt Mitautor Evangelos Vlachos vom Paläontologischen Museum in Trelew, Argentinien, in dem "Nature"-Bericht. Es ist jedoch von großer Bedeutung: Wir müssen die bisherigen Praktiken kritisch bewerten und gegebenenfalls Korrekturen vornehmen.

Was hält die Internationale Kommission für Zoologische Nomenklatur davon?

Die Kommission hat nicht vor, Tiere aufgrund ethischer Bedenken umzubenennen. "Wir verstehen natürlich, dass einige Namen Unbehagen oder Beleidigung hervorrufen können", sagt der Taxonom Daniel Whitmore vom Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart, der Mitglied der Kommission ist. "Meine Priorität ist jedoch eine universelle und stabile Nomenklatur, um Verwechslungen zu vermeiden". Er fügt hinzu: "Es ist nicht unsere Aufgabe, zu beurteilen, ob Namen beleidigend oder ethisch inakzeptabel sind, denn das ist eine sehr subjektive und persönliche Angelegenheit." Die Kommission räumt ein, dass es unmöglich ist, es allen recht zu machen, so dass die Entscheidung, welche Namen geändert werden sollen, schwierig wäre.

Der Berliner Zoologe Ohl kann verstehen, dass es derzeit nicht möglich ist, Tierarten im Rahmen der Nomenklaturregeln umzubenennen. "Die Kommission will das nicht ohne weiteres, weil sie Angst hat, eine Büchse der Pandora zu öffnen", erklärt er. Aber die Kommission muss sich diesem Problem stellen und Kriterien entwickeln, wie man am besten mit ethisch fragwürdigen Namen umgeht. "Es gibt Druck von der Gesellschaft und der wissenschaftlichen Gemeinschaft", sagt er.

Wird die Debatte von westlichen Ländern beeinflusst?

Der Taxonom Rohan Pethiyagoda aus Sri Lanka ist der Ansicht, dass die Umbenennung von Tierarten die Forscher von ihrer Hauptaufgabe, der Beschreibung der biologischen Vielfalt der Erde, ablenken würde. Stattdessen müssten sie sich mit irrelevanten Themen befassen, schreibt er in der Zeitschrift "Megataxa". Pethiyagoda sieht keinen Sinn darin, die wissenschaftlichen Namen zu ändern, da die meisten Arten bereits gebräuchliche Namen haben, während die wissenschaftlichen Namen hauptsächlich von Spezialisten verwendet werden.

Auch Whitmore ist der Meinung, dass dieses Thema für die breite Öffentlichkeit nicht von Belang ist. Um einen wissenschaftlichen Namen zu ändern, kann ein Antrag bei der Kommission eingereicht werden, die diesen dann in einem längeren Entscheidungsprozess unter Beteiligung der wissenschaftlichen Gemeinschaft prüft. Die Kommission genehmigt nämlich Namensänderungen bei technischen Ungenauigkeiten, wie dies bei Whitmore der Fall ist. Dennoch hat noch niemand eine Namensänderung aus moralischen Gründen beantragt, nicht einmal für den Hitler-Käfer.

Gibt es eine mögliche Alternative?

"Eine Umbenennung des Hitlerkäfers würde die Situation nicht wesentlich beeinflussen", meint Ohl. Der Käfer würde nicht aus der Welt geschafft, sondern hätte weiterhin mehrere wissenschaftliche Namen, so dass er für diejenigen, die nach seinem Namen suchen, verfügbar wäre.

Ein Ansatz, um über umstrittene Tiernamen nachzudenken, könnte darin bestehen, ihre Geschichte in Museen zu diskutieren und so zum Nachdenken anzuregen. Das Berliner Naturkundemuseum hat diese Methode bereits bei Dysalotosaurus lettowvorbecki angewandt. In der Ausstellung des Museums findet sich der Hinweis: "Leider lassen die strengen Regeln der Taxonomie keine nachträglichen Änderungen der einmal vergebenen Artnamen zu".

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Quelle: www.ntv.de

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