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Die AfD ist mit einer wichtigeren Klassifizierung konfrontiert.

Der Rauchmelder piepst sehr stark.

Nach der Urteilsverkündung warfen die AfD-Vertreter Roman Reusch (links) und Peter Boehringer dem...
Nach der Urteilsverkündung warfen die AfD-Vertreter Roman Reusch (links) und Peter Boehringer dem Gericht "Verweigerung der Beweisaufnahme" vor.

Die AfD ist mit einer wichtigeren Klassifizierung konfrontiert.

Die AfD, so das Oberverwaltungsgericht Münster, verstoße gegen die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes und weise "Anhaltspunkte für antidemokratische Bestrebungen" auf. Das Bundesamt für Verfassungsschutz kann die Partei nun als rechtsextremen "Verdachtsfall" einstufen und möglicherweise weiter verfolgen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat einen weiteren juristischen Sieg über die AfD errungen: Das Gericht erlaubt die Einstufung der AfD als rechtsextremistischen "Verdachtsfall". Die Partei plant, in die nächste Instanz zu gehen. Zudem droht ihr die Einstufung als "bestätigte rechtsextremistische Bewegung".

Der Präsident des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, erklärte gut zwei Stunden nach der Urteilsverkündung in Köln vor der Presse, das Gericht habe die Einschätzung des Verfassungsschutzes "vollumfänglich bestätigt". Haldenwang machte keine Angaben dazu, ob seine Organisation die AfD generell als extremistisch einstufen will. Dies werde man "sehr frei" bewerten.

Die AfD hat in Münster an drei verschiedenen Fronten ihre Einsprüche verloren. Sowohl die AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" als auch der "Flügel" um den Rechtsextremisten Björn Höcke wurden vom Verfassungsschutz zu Recht als Verdachtsfälle eingestuft, wie das Gericht feststellte. Mit dem laufenden Verfahren gegen Höcke vor dem Landgericht Halle haben diese Verfahren nichts zu tun. Dort wird morgen mit einem Urteil gerechnet.

Zudem bestätigte das OVG Münster die Eingruppierung des "Flügels" als "verifizierte extremistische Bewegung" - die höchste Stufe, mit der der Verfassungsschutz verfassungsfeindliche Organisationen einstuft. Die niedrigste Einstufung vor dem Verdachtsfall ist der sogenannte Prüffall.

Zeitlich hinkt das Urteil den Vorstößen der AfD-Gliederungen und des "Flügels" hinterher: Die "Junge Alternative" wird nun auch vom Verfassungsschutz als "bestätigte extremistische Bewegung" eingestuft. Obwohl der "Flügel" die einflussreichste Gruppierung innerhalb der AfD ist, wurde er offiziell aufgelöst.

Diskriminierung aufgrund der Herkunft

"Die verfassungsrechtliche Sirene heult", so der Vorsitzende Richter Gerald Buck in seiner Entscheidung. "Ist das ein Feuer oder nur Rauch?" Es sei die Aufgabe des Verfassungsschutzes, dies zu erkennen. Das Gericht urteilte, es gebe begründete Anhaltspunkte dafür, "dass es den politischen Zielen zumindest eines erheblichen Teils der AfD entspricht, nur einheimischen Deutschen volle Rechte zu gewähren und deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund die Gleichstellung zu verweigern." Dies stellt laut Grundgesetz eine "unzulässige Diskriminierung aufgrund der Herkunft dar, die der Garantie der Menschenwürde widerspricht."

Dahinter verbirgt sich die im Kern rassistische Unterscheidung zwischen "echten Deutschen" und "Passdeutschen", wie es Neonazis und Rechtsextremisten nennen. Die AfD versuchte 2021, diesen Vorwurf mit einer "Erklärung zur deutschen Nation und deutschen Identität" zu entkräften. Darin heißt es, die Partei bekenne sich "eindeutig zur deutschen Nation als der Summe aller Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit". Auch Höckes Name war damals in dem Dokument enthalten.

"Anzeichen für antidemokratische Bestrebungen"

Diese Erklärung hatte jedoch keine Wirkung. In seiner Mitteilung hob das Oberverwaltungsgericht Münster hervor, dass es "eine große Anzahl von Äußerungen erhalten hat, die sich gegen Migranten richten". Diese Äußerungen "verunglimpfen sie einheitlich unabhängig vom Grad ihrer Integration in die deutsche Gesellschaft und stellen ihre volle Zugehörigkeit zum deutschen Volk trotz ihrer deutschen Staatsangehörigkeit in Frage".

Dies bezog sich auf Äußerungen wie die von Höcke im Jahr 2018, als er erklärte, dass "wir leider Teile der Bevölkerung verlieren werden, die entweder zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen." Rechtsanwalt Hendrik Cremer stellt dies als "die dünn verschleierte Ankündigung tödlicher Gewalt im Dienste einer völkischen Weltanschauung dar."

Dennoch schloss sich das Gericht den Bewertungen des Verfassungsschutzes nicht vollständig an: Bei der AfD sahen die Richter zwar "Anhaltspunkte für antidemokratische Tendenzen", aber nicht in der vom Bundesamt angenommenen "Häufigkeit und Dichte".

Haldenwang will "extrem ergebnisoffen bewerten".

Wird eine Gruppe als Verdachtsfall eingestuft, kann das Bundesamt für Verfassungsschutz zu ihrer Beobachtung nachrichtendienstliche Mittel einsetzen, etwa Observationen oder verdeckte Ermittler. Die Voraussetzungen für den Einsatz solcher Methoden sind etwas weniger streng, wenn eine Gruppe als bestätigt extremistisch eingestuft wird.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz prüft, ob es die dritte Stufe gegen die Partei als Ganzes durchführt, so wie es das bei der Jugendgruppe und der "Fraktion" getan hat. Der Präsident des Verfassungsschutzes, Haldenwang, sagte in einem Interview, man werde nach einer "ergebnisoffenen Prüfung" entscheiden, nannte aber keinen Zeitplan. Haldenwang klärte uns darüber auf, dass das Bundesamt regelmäßig Verdachtsfälle prüft, und betonte, dass die AfD die Menschenwürde vieler Mitglieder der Gesellschaft in Frage stelle.

Bisher haben nur die AfD-Landesverbände in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen ein offizielles Rechtsextremismus-Siegel von den jeweiligen Landesverfassungsschutzbehörden erhalten. Dennoch hat die AfD angedeutet, gegen eine mögliche Einstufung als "extremistische" Partei rechtlich vorzugehen. Als Reaktion auf das jüngste Urteil des Verwaltungsgerichts Münster, das die Partei als "Verdachtsfall" einstufte, kündigte die AfD an, vor das Bundesverwaltungsgericht zu ziehen.

Während die rechtlichen Auswirkungen noch unklar sind, könnte sich die aktuelle Situation negativ auf die AfD bei den kommenden Wahlen auswirken. Da die Partei sich oft als Opfer von Verfolgung darstellt, könnte es nicht gut ankommen, als verfassungsfeindlich abgestempelt zu werden. Um dies zu vermeiden, hatte sie 2018 eine "Arbeitsgruppe Verfassungsschutz" gegründet, um Strategien zu entwickeln, wie man einem solchen Etikett ausweichen kann. Der Leiter der Gruppe, Roland Hartwig, wurde jedoch aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit seinem Parteikollegen, dem Rechtsextremisten Andreas Kalbitz, entlassen.

Der Rechtsextremismusexperte Axel Salheiser äußerte die Befürchtung, dass das Münsteraner Urteil dem Image der AfD schaden könnte. Seiner Meinung nach könnte der Abwärtstrend der AfD durch diese Entscheidung noch verstärkt werden. Salheiser wies darauf hin, dass trotz des Misstrauens gegenüber den etablierten Parteien, Regierungen und dem Verfassungsschutz die Gerichte in der Regel ein hohes Vertrauen in der deutschen Öffentlichkeit genießen - auch bei denjenigen, die derzeit vielleicht keine Probleme mit der AfD haben.

Axel Salheiser betonte zudem, dass extremistische Parteien aufgrund ihres antidemokratischen Charakters nicht als geeigneter Gesprächs- oder Kooperationspartner angesehen werden können. Er betonte, wie wichtig es sei, sich gegen diese Art von Bedrohung zu wehren: "Neutralität kann es im Umgang mit nationalistisch-rassistischen Verfassungsfeinden nicht geben. Das gilt für die staatliche Verwaltung, die öffentlichen Einrichtungen, die Kultur, die Bildung und die Wirtschaft." Sollte das Urteil von den Gerichten bestätigt werden, drohen AfD-Mitgliedern unter anderem Disziplinarmaßnahmen, die Streichung der staatlichen Parteiförderung und ein mögliches Verbot der AfD.

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Quelle: www.ntv.de

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