Bei Beerdigungen können auch wirbellose Tiere willkommen sein.
Der Rückgang der Insektenpopulationen gibt Forschern und Tierschutzorganisationen Anlass zur Sorge. Um diesem Trend entgegenzuwirken, starten sie Sensibilisierungskampagnen, die auf den Erhalt dieser kleinen Lebewesen abzielen. Eine mögliche Lösung könnte sein, Friedhöfe insektenfreundlicher zu gestalten.
Auf dem Stuttgarter Hauptfriedhof findet man auf vielen Gräbern die gleichen Blumen - Stiefmütterchen, Glockenblumen und manchmal auch Goldlack. Doch diese Blumen könnten bald der Vergangenheit angehören, meint Lilith Stelzner, Naturschutzreferentin des BUND Baden-Württemberg. Die Ruhestätte, in der Tausende von Menschen begraben sind, könnte bald wieder voller Leben sein.
Drei insektenfreundliche Gräber am Eingang dienen als Beispiel. Sie sind mit verschiedenen heimischen Pflanzen bepflanzt, die eine Vielzahl von Insekten anlocken, die sich von ihrem Nektar ernähren. "Um einen Raum zu schaffen, in dem Insekten gedeihen können, brauchen wir einheimische Pflanzen wie Natternkopf, Glockenblumen, Scharbockskraut, Blutstorchschnabel, Kriechendes Springkraut oder die Gemeine Ochsenzunge", sagt Stelzner. Die industrialisierte Landwirtschaft und das Fehlen von Hecken, Sträuchern und Monokulturen machen es in vielen Gebieten schwer.
Die Krefelder Studie von 2017, die den drastischen Rückgang der Fluginsekten-Biomasse in Naturschutzgebieten aufzeigte, spornte zum Handeln an. "Das war ein echter Weckruf", sagt Peter Weißhuhn, Insektenexperte von der Naturschutzorganisation WWF. Die lokalen Behörden spielen eine entscheidende Rolle beim Schutz der Insekten. Indem sie den Mähplan anpassen und Pflanzen stehen lassen, können sie dazu beitragen, Blumenwiesen und die darauf angewiesenen Insekten zu schützen.
Mit der Aktion Insektensommer" stellt der NABU im Jahr 2022 die Insekten in den Mittelpunkt und will die Anzahl der in der Natur vorkommenden Insektenarten erfassen. Derzeit gibt es 33.500 Arten in Deutschland und 1,2 Millionen weltweit.
Insektenschutz: mehr als nur ein ökologisches Gebot
Warum sollten wir uns so sehr für den Schutz von Insekten einsetzen? Stelzner nennt mehrere Gründe. "Der wichtigste ist, dass sie an der Basis der Nahrungskette stehen; wenn Insekten verschwinden, wäre das tödlich für alles, was nach ihnen kommt, wie Vögel, Fledermäuse und Amphibien". Auch städtische Gebiete können dazu beitragen, eine bessere Zukunft für Insekten zu sichern. Durch die Umwandlung von Parks, Spielplätzen und Straßenrändern in Insektenparadiese können wir bestäubende Lebewesen wie Bienen, Schmetterlinge, Wespen und Schwebfliegen unterstützen.
Der Dokumentarfilm "Insektenschutz in der Gemeinde" des Städte- und Gemeindebundes und des Bundesamtes für Naturschutz bietet nützliche Beispiele, wie man Städte insektenfreundlicher gestalten kann. Zu den Ideen gehören das Belassen von unversiegelten Flächen, das Anlegen von Blühstreifen, der Verzicht auf Pestizide und künstliche Lichtquellen sowie insektenfreundliche Mähtechniken.
Die Schönheit der einheimischen Blumen
Ob die Stuttgarter den vereinfachten Grabschmuck zu schätzen wissen werden, ist unklar. Im Gegensatz zu herkömmlichen Zierpflanzen blühen nicht alle heimischen Pflanzen gleichzeitig. Stelzner geht jedoch davon aus, dass die Menschen die Vorteile erkennen und mehr einheimische Pflanzen in ihre Gärten einbauen werden. "Winterharte, einheimische Pflanzen benötigen weniger Wasser und Pflege als exotische Pflanzen".
Thomas Schmitt, der Direktor des Deutschen Entomologischen Instituts Senckenberg, schlägt vor, die Unordnung in unseren Gärten zu akzeptieren. "Der englische Rasen ist der Tod der Insekten".
Die Bedeutung der Insekten für den Menschen kann nicht unterschätzt werden. "Hätten wir keine Insekten, die unsere Pflanzen bestäuben, wäre unsere Auswahl an Nahrungsmitteln ziemlich eingeschränkt: keine Äpfel, Birnen oder Blaubeeren - nur Kartoffeln, Getreide und Mais", erklärt Schmitt. Insekten spielen auch eine wichtige Rolle bei der Zersetzung von tierischen Abfällen und Kadavern und verhindern so unangenehme Folgen wie Maden und Fliegen.
Der Mistkäfer wurde vom NABU zum "Insekt des Jahres" gewählt, weil er sich von tierischen Abfällen ernährt und damit wesentlich zur Bodenverbesserung beiträgt. Leider ist der Dungkäfer mit dem Verlust seines Lebensraums und dem Einsatz von Entwurmungsmitteln bei Weidetieren konfrontiert.
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Quelle: www.ntv.de