Altersarmut unter den Deutschen aus Russland
Aus Sorge um die Zukunft unserer Volksgruppe fordern wir die Politik Deutschlands auf, wirksame Maßnahmen gegen die Altersarmut der Deutschen aus Russland zu ergreifen.
Als armutsgefährdet gelten gemäß EU-Definition Menschen, die mit weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Einkommens der Bevölkerung in Privathaushalten auskommen müssen. Nach den Ergebnissen des Mikrozensus galten im Jahr 2013 beispielsweise Einpersonenhaushalte mit einem monatlichen Netto-Einkommen von weniger als 892 Euro als armutsgefährdet. Das ist bei weitem mehr, als die meisten Rentner der Deutschen aus Russland bekommen.
Unter den Deutschen aus Russland nimmt der Anteil der über 65-Jährigen, die im Alter armutsgefährdet sind, sehr schnell zu. Während 2013 jeder siebte Ruheständler in Deutschland von Altersarmut bedroht war, war dieser Anteil unter unseren Landsleuten erheblich höher. Betroffen sind alle Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion, unabhängig davon ob sie mit dem Status Heimkehrer, Spätheimkehrer, Aussiedler oder Spätaussiedler geführt werden.
Ursachen sind die restriktiven Änderungen des Fremdrentengesetzes in den 90er Jahren. Seit 1996 gibt es Bestimmungen nach dem Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz mit einer Deckelung der im Ausland erworbenen anrechenbaren Entgeltpunkte, die eine Berechnungsgrundlage für die Rentenhöhe bilden.
Mit dem Argument, dass die Deutschen aus Russland nicht bessergestellt werden dürfen als die Ostdeutschen, wurde für sie ein niedriger Bewertungsfaktor für Entgeltpunkte von 0,6 eingeführt. Wir begrüßen das Vorhaben, die Ost-Rente an das Westniveau anzugleichen. Gleichzeitig kritisieren wir aber, dass die Deutschen aus Russland in dieser Betrachtung nicht vorkommen. Der Bewertungsfaktor von 0,6 ist unver- ändert geblieben. Damit verschärft sich das Risiko der Altersarmut unter unseren Landsleuten zunehmend.
Besonders dramatisch ist die Situation für Frauen und Männer, die nach 1993 in Deutschland mit dem Status Spätaussiedler eingereist sind. Ein hoher Anteil dieser eingereisten Personen wurde nach § 7 BVFG und deren Ehegatten nach § 8 BVFG eingestuft, wodurch sie keinen Anspruch auf Anerkennung ihrer Beschäftigungszeiten in den Herkunftsländern haben.
Auch in den nächsten Jahren werden die Deutschen aus Russland deutlich häufiger von Altersarmut bedroht sein. Unsere Volksgruppe ist überdurchschnittlich häufig von unterbrochenen Erwerbsbiographien, hohen Teilzeitarbeitsquoten und niedrigen Löhnen betroffen, was die Wahrscheinlichkeit für niedrige Renten und Altersarmut erhöht. Der Integrationswille und die hohe Bereitschaft, eine beliebige niederqualifizierte Arbeit zu übernehmen, nur um nicht von den Sozialkassen abhängig zu sein, bringen somit negative Folgen mit sich.
Die überproportional hohe Zunahme der Altersarmut unter den Deutschen aus Russland soll als große Herausforderung für Politik und Gesellschaft auf allen Ebenen betrachtet werden. Der „Generationenvertrag“ soll auch für die Deutschen aus Russland gelten. Die Deutschen aus Russland bilden eine junge Volksgruppe und zahlen mehr in die Rentenkasse ein, als ihre Rentner in Anspruch nehmen können.
Wir fordern wirksame Schritte zur Beseitigung der bestehenden und der drohenden Altersarmut bei Deutschen aus Russland auch im Sinne des sozialen Friedens in den Reihen der Spätaussiedler. Unsere Landsleute haben die Solidarität der Gesellschaft verdient.
(Einstimmiger Beschluss der Bundesdelegiertenversammlung der LmDR e.V. am 30.10.2016 in Fulda)