Zirkusdirektor Trump lässt andere zu seiner Unterhaltung auftreten.
Im geschäftigen Strafgericht von Manhattan herrscht bei Richter Merchan eine strenge Atmosphäre, in der keine Spielchen geduldet werden, und Donald Trump hält sich daran. Außerhalb des Gerichtssaals gelten jedoch andere Regeln. Diese Bedingungen haben im Schweigegeldprozess gegen Trump seit dem 15. April für eine zirkusartige Abfolge von Ereignissen gesorgt. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung haben ihre Zeugen befragt und ihre Beweise vorgelegt, und das Verfahren nähert sich seinem Ende.
In der Anklageschrift gegen Trump wird behauptet, dass er während des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 über seinen Mittelsmann Michael Cohen 130.000 US-Dollar an die Schauspielerin Stormy Daniels gezahlt hat. Daniels war laut ihrer Aussage an eine Vereinbarung gebunden, nicht über ihre sexuelle Begegnung zu sprechen, da sie mögliche negative Auswirkungen auf seine Siegchancen befürchtete. Die Staatsanwaltschaft will beweisen, dass Trump die Rückzahlungen an Cohen absichtlich verschleiert hat, um eine illegale Wahlkampffinanzierung zu verbergen, und dass er dafür möglicherweise sogar eine Haftstrafe verbüßen muss.
Dies ist der erste Strafprozess gegen einen ehemaligen US-Regierungschef in Manhattan und damit ein historischer Präzedenzfall. Trump und seine Gefolgsleute haben es jedoch im Wesentlichen in ein Spektakel verwandelt. Trump führt sich selbst wie ein Zirkusdirektor auf und lenkt das Verfahren in erheblichem Maße, während er seine Anhänger, Politiker und Anwälte als seine Stimme fungieren lässt. Ein kurzer Rückblick auf die jüngsten Ereignisse:
Kamerabegegnungen, Demonstranten und Kunstaktionen
Auf der Straße vor dem düsteren Gebäude in Lower Manhattan wimmelt es an jedem Prozesstag von Medienvertretern, die eifrig über die Ereignisse im Inneren des Gebäudes berichten. Kameras sind auf dem Gelände verboten, so dass die Produktionsteams gezwungen sind, ihre Reporter auf der anderen Straßenseite zu positionieren, wobei die Festung als Kulisse dient. Das Hauptproblem besteht darin, dass der Eingang, den man von hier aus sieht, der mit einem Gerüst versehene Eingang ist und nicht der Haupteingang. Die Passanten stehen stundenlang Schlange, und manche zahlen sogar 50 USD pro Stunde, um sich über Nacht einen Platz in der Schlange zu sichern.
Die Geschworenen, Zeugen und Trump selbst nutzen verschiedene Türen im 15. Stock. Nur wenige Schritte von diesem Trubel entfernt beklagt Trump vor und nach jedem Prozesstag die angebliche Hexenjagd gegen ihn, die Demokraten und seinen Gegner. Anschließend besucht er Wahlkampfveranstaltungen in der Nähe. Dennoch ist New York City für Trump und seine MAGA-Anhänger feindliches Gebiet. Die Stadt wählt mehrheitlich demokratisch.
An den Verhandlungstagen versammeln sich einige Trump-Anhänger auf dem Platz gegenüber dem Gerichtssaal. Auf einem Schild steht: "Der Tiefe Staat - Amerikanische Stasi gegen Donald Trump". Etwas weiter entfernt werden die Gegner von der Polizei eingesperrt. "Niemand steht über dem Gesetz", so die Botschaft. Letzten Donnerstag hält ein Lieferwagen unerwartet vor dem Gerichtsgebäude. Ein Künstler lässt rosafarbene Penisluftballons mit den Gesichtern von Richter Juan Merchan, Staatsanwalt Alvin Bragg und Jack Smith in Richtung des Gerichtssaals steigen. Die Ordnungshüter beobachten dieses Treiben.
Selbstverbrennung
Maxwell Azzarello betritt am 18. April Manhattan. Vor seinem Auftritt lässt er sich mit einem Schild fotografieren, auf dem steht: "Trump verbündet sich mit Biden und sie planen einen faschistischen Putsch." Er verteilt Flugblätter mit der Überschrift "Geheimnisse unserer korrupten Welt", in denen er einen baldigen wirtschaftlichen Zusammenbruch vorhersagt. Kurz darauf nimmt er einen Behälter heraus, übergießt sich mit dem Inhalt und zündet sich selbst an. Zwei Tage später erliegt er im Krankenhaus seinen Verletzungen.
Polizeiaufmarsch
Während Trump als Angeklagter auftritt, arrangieren seine Berater Besuche von Politikern. Nach ihren Flügen aus Washington donnern sie in den New Yorker Gerichtssaal und nehmen hinter ihm Platz. Dort bleiben sie jedoch nicht, sondern gehen nach draußen, um sich an die Presse zu wenden. Die Republikaner nutzen die mediale Aufmerksamkeit, um die Verfahrensbeteiligten und die Demokraten anzuprangern und Trump als Opfer darzustellen. Trump scheint mit der Berichterstattung zufrieden zu sein: "Sie sprechen sehr nett über mich", bemerkte er am Montag.
Im Gegensatz zu Trump hat ihm das Gericht untersagt, während des Prozesses laut zu sprechen; er murmelt nur gelegentlich mit seinem Anwaltsteam. Schließlich entschied man sich dagegen, Trump persönlich aussagen zu lassen.
Letzte Woche hielt Mike Johnson, der Sprecher des Repräsentantenhauses, eine denkwürdige Rede auf einem Platz. Er bezeichnete den laufenden "Scheinprozess" als eine "Verhöhnung der Gerechtigkeit". Johnson hielt dies für ein Beispiel von Machtmissbrauch und nahm die Staatsanwaltschaft und den Richter ins Visier, da sie angeblich mit den Demokraten konspirierten, um Trumps Wahlkampf zu behindern. Hinter dieser Anschuldigung verberge sich auch eine Wahlbeeinflussung, argumentierte er.
Johnsons Anschuldigungen wurden von vielen Verbündeten Trumps unterstützt. Sie kritisierten den Richter dafür, dass er vor vier Jahren als Spender bei den Demokraten registriert war und dass seine Tochter Verbindungen zu demokratischen Politikern unterhält. Dieser Skandal um Wahlbeeinflussung durch die Justiz blieb während des Prozesses auch bei zahlreichen anderen Politikern nicht unbemerkt.
Neben Johnson zeigte sich auch Lauren Boebert frustriert über die Vorwürfe, dass Trump nicht über sein Verbrechen aufgeklärt wurde. Der Kongressabgeordnete Matt Gaetz stellte sich auf die Seite von Trump und postete ein Foto von sich, auf dem er hinter ihm im Flur steht, und schrieb: "Standing by and standing back, Mr. President". Seine Bildunterschrift war eine Anspielung auf die berüchtigten "Proud Boys", eine Pro-Trump-Miliz, die bei der Erstürmung des Kongresses am 6. Januar 2021 für Chaos sorgte.
Kein Platz für Spielchen
Überraschenderweise riefen Trumps Verteidiger Robert Costello am vorletzten Tag der Befragung in den Zeugenstand. Der Richter zögerte zunächst, ließ die Aussage aber schließlich zu. Allerdings sprach er eine strenge Warnung aus: "Ich werde keinen Prozess im Prozess dulden". Trumps Rechtsbeistand hatte den Kronzeugen Cohen hartnäckig angegriffen und ihm vorgeworfen, zu lügen. Costello, ein enger Mitarbeiter von Trumps ehemaligem Anwalt Rudy Giuliani, sollte Cohens Ruf weiter schädigen, doch sein eigenes Verhalten verriet ihn.
Costello machte sich über die Urteile des Richters so sehr lustig, dass es im Gerichtssaal zu einem Aufschrei kam. Nachdem er die Geschworenen und Journalisten ausgeschlossen hatte, wies der Richter Costello vehement zurecht. Er warnte Trumps Anwälte, dass sie ihren Zeugen verlieren und alle seine Aussagen gelöscht werden würden, wenn er sich nicht an den Anstand halte. Schließlich fügten sich beide, was zu einem der intensivsten Momente des Prozesses führte.
Der mit Spannung erwartete Prozess nähert sich seinem Ende. Für den Rest dieser Woche sind keine Verhandlungstage mehr angesetzt, aber die Schlussplädoyers sind für Dienstag nächster Woche vorgesehen. Zu diesem Zeitpunkt wird der Richter die Geschworenen eingehend über die Erwägungen unterrichten, die sie zur Beurteilung von Trumps Schuld oder Unschuld heranziehen werden. Sollte Trump für schuldig befunden werden, wird der Richter seine Strafe festlegen. Wenn sich die Geschworenen nicht einigen können, erklärt der Richter den Prozess für gescheitert, ohne ein endgültiges Urteil zu fällen. Die Staatsanwaltschaft wird darüber beraten, ob sie die Anklage aufrechterhalten, ein neues Verfahren anstreben oder sich aus dem Verfahren zurückziehen will.
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Quelle: www.ntv.de