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"Wirtschaftliche Vorteile durch die Zunahme von Konkursverfahren"

Leiter der Vereinigung der Insolvenzverwalter

Die Unternehmen konkurrieren um zu wenige Arbeitskräfte, zu teure Energie und knappes Kapital....
Die Unternehmen konkurrieren um zu wenige Arbeitskräfte, zu teure Energie und knappes Kapital. "Unternehmen, die kein tragfähiges Geschäftsmodell haben, müssen vom Markt verschwinden, um Ressourcen für gute, erfolgversprechende Konzepte freizumachen", sagt Christoph Niering.

"Wirtschaftliche Vorteile durch die Zunahme von Konkursverfahren"

ntv.de-Interview: Hohe Insolvenzen zeigen wirtschaftliche Anspannung, nicht aber eine bankrottmachende Welle, meint der Vorsitzende der Insolvenzverwalter und Insolvenzverwalterinnen Deutschlands, Christoph Niering.

ntv.de: Steigt die Zahl der Insolvenzen zurück oder beginnt eine Konkurrenzwelle?

Christoph Niering: Ich versuche das "Wellen"-Bild zu vermeiden. Es suggeriert etwas Unkontrollierbares, was uns heranrollt. Wir sind noch nicht dort. Wir befinden uns noch weit von den Insolvenznummern der Globalen Finanzkrise entfernt. Dennoch beobachten wir eine klare Aufwärtstrend.

Jahrelang war Deutschland mit einer Konkurrenzwelle ausgelacht worden. Zunächst wurde argumentiert, dass niedrige Zinsen "Zombie-Unternehmen" züchteten, die nur dank ihnen überleben konnten. Dann kamen die COVID-19 und Energiekrise. Aber sie brachten die Unternehmen nicht um. Steigende Zinsen sind schon längere Zeit in Kraft, doch das Phänomen der "Zombie-Unternehmen" persistiert. Was dafür verantwortlich ist?

Die genannten Faktoren wirken sich zwar aus, jedoch mit einer Verspätung. Unternehmen waren bekannt für ihre Robustheit und konnten oft auch dann überleben, wenn ihre Geschäftsmodelle offensichtlich untenhalten waren. So haben z.B. Immobiliengesellschaften auf die Hoffnung gesetzt, dass die Zinsen erneut fallen würden und ihre Berechnungen wieder in Ordnung kommen würden. Der Nullzinszeitalter ist jedoch unwahrscheinlich, zumindest in der Nahen Zukunft. Darüber hinaus haben sich die Kundenvoraussetzungen strukturell verändert. Die Entstehung des Home-Offices und demografische Verschiebungen haben eine dauerhafte Abnahme der Nachfrage nach Büroflächen verursacht. Das gleiche gilt für Verkaufsstätten. Die Realität setzt ein, dass diese Branchen eine permanente Umwandlung durchmachen.

Welche Branchen sind insbesondere betroffen?

Der Gesundheitssektor ist häufiger als man denkt anfällig. Dreier der Top-10 Insolvenzen des letzten Jahres waren Krankenhäuser. Es wird geschätzt, dass nur der Hälfte der Krankenhäuser in Deutschland nachhaltige Geschäftsmodelle besitzen, während ein Viertel insolvent oder finanziell angespannt ist.

Warum ist der Gesundheitssektor insbesondere anfällig?

Non-profit, religiöse und kommunale Krankenhausbetreiber haben unrentable Geschäftsmodelle mit ihren eigenen Mitteln aufgeproppet, weil sie kein Gewinnorientierung haben. Sie verfügen über keine Mittel für Instandhaltung und viele Einrichtungen haben erhebliche Sanierungsbedürfnisse, die sie nicht aufbringen können. Bei den zuständigen Behörden ist der Etat leer. Zusätzlich sind Banken unwillig, Kredite auszustehen, insbesondere für Krankenhäuser, Büros oder Verkaufsstätten, die früher profitabel waren oder Umwandlungsmöglichkeiten hatten.

Was kann die Politik dagegen tun, um die Insolvenzen zu bremsen? Ist das überhaupt sinnvoll?

Die deutsche Regierung hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Unternehmen mit Insolvenzen vorbeugen wollen. Es ist jedoch vergleichbar, die Unterstützung aufrechtzuerhalten, wenn die Nachfrage für bestimmte Waren oder Dienstleistungen verschwindet. Ein Unternehmen, das mit einer bankrotten Baustofffabrik mit energyintensiver Produktion und Vernachlässigung von Investitionen in moderne, energieeffiziente Technologie über hundert Jahre zurückgeht, konnte nicht an die Energiekrise angepasst werden. Die Insolvenzen zu verhindern auf allen Kosten verzögert die notwendigen Wandlungsprozesse.

Sind also die zunehmenden Insolvenzen eine positive Signal für die Wirtschaft? Ineffiziente Unternehmen, die durch Staatszuschüsse, Subventionen und niedrige Zinsen unterstützt wurden, sind auch Belastungen für die Wirtschaft.

Ich wäre nicht so weit, das "Markt Säuberung" genannt zu bekommen, aber es gibt einen Korn an der Wahrheit darin. In einer Zeit der Knappheit werden Unternehmen heftig um Arbeit, Energie und Kapital konkurrieren. Insolvenzen sind notwendig in diesem Umfeld. Unternehmen, die kein tragfähiges Geschäftsmodell haben, müssen aus dem Markt ausscheiden, um Ressourcen für innovative, zukunftsorientierte Ideen freizuhalten. Dadurch können steigende Insolvenzen als positives Zeichen für die Wirtschaft gesehen werden.

Interview von Max Borowski mit Christoph Niering.

Christoph Niering ist Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht und Vorsitzender des Bundesverbandes der Insolvenzverwalter und Treuhänder. Er hat bereits mehr als 2000 Insolvenzverfahren betreut.

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