"Wie kommt es, dass Wirtschaft nicht in der Schule gelehrt wird, Herr Lenz?"
Vor zehn Jahren twitterte ein Jugendlicher aus Köln: "Ich werde bald 18 und verstehe nichts von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann Gedichte in vier Sprachen analysieren." Die Reaktionen waren immens, die Lehrerorganisation reagierte, und die Bildungsministerin versprach, die Situation zu verbessern. Seitdem hat sich laut einer Umfrage der Friedrich-Naumann-Stiftung wenig geändert.
Die Mehrheit der deutschen Abiturienten ist mit ihrer ökonomischen Bildung unzufrieden. "Das vermittelte Wissen ist nicht besonders gut", sagt Justus Lenz, Leiter des Liberalen Instituts der Stiftung, im Podcast "Die Stunde Null". "Und das hat sich nicht geändert."
Das Liberale Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung erforscht seit Jahren den Stand der ökonomischen Bildung von Kindern und Jugendlichen. Lenz erklärt: "Wir wollen Chancengleichheit schaffen. Kindern und Jugendlichen praktische Dinge wie Versicherungen und Geldanlagen beizubringen, sollte nicht allein von den Eltern abhängen, die es vielleicht nicht vermitteln."
Aber warum ist öffentliche Bildung so wichtig?
Lenz: "Ökonomische Bildung ist Teil der staatsbürgerlichen Bildung. Idealerweise sollte man in der Schule etwas über demokratische Institutionen lernen, und das gelingt uns auch ganz gut. Allerdings wird das Fundament dieser Institutionen - die Wirtschaft - oft vernachlässigt."
Was sind nun die Ergebnisse der Forschung des Instituts?
Die wichtigste Erkenntnis ist, dass das vermittelte Wissen nicht gut ist und sich nicht verbessert hat. Die Forscher der Universität Siegen haben 40 Schulbücher und Lehrerhandbücher untersucht. Sie beobachteten, wie Unternehmer dargestellt werden, wie die soziale Gerechtigkeit behandelt wird und welche Rolle der Staat spielt. Überraschenderweise kommen Unternehmer nur selten vor, während der Staat meist als universeller Problemlöser erscheint.
Warum wird die ökonomische Bildung oft vernachlässigt?
Dies könnte mehrere Gründe haben. Erstens wird Wirtschaft oft als Teil von Geschichte oder Politik von Lehrern ohne spezielle Ausbildung in diesem Fach unterrichtet. Es besteht ein Bedarf an einem eigenständigen Fach Wirtschaft, das von ausgebildeten Wirtschaftslehrern unterrichtet wird.
Manche argumentieren, dass ideologische Einflüsse ins Spiel kommen könnten oder dass Unternehmen versuchen könnten, Lehrmaterial bereitzustellen. Sind diese Bedenken nicht berechtigt?
Lenz: "Wenn wir das Fach Wirtschaft nicht in der Schule unterrichten, werden Kinder und Jugendliche es anderswo lernen. Skeptiker sollten darauf vertrauen, dass Wissenschaftler, die das Fach gestalten, dies objektiv tun. Unsere Studien zeigen, dass bei Kindern und Jugendlichen ein großes Interesse an diesen Themen besteht."
Kritiker könnten behaupten, dass die Friedrich-Naumann-Stiftung - eine FDP-nahe Organisation - aufgrund ihrer Verbindungen zur Finanzbranche ein Eigeninteresse an der Vermittlung von Anlagethemen hat. Was sagen Sie dazu?
Wir sind eine unabhängige Organisation, aber wir teilen die gleichen Werte wie die FPD. Auch wenn wir den Liberalismus fördern, ist es unwahrscheinlich, dass jeder im Finanzsektor ein besonderes Interesse daran hat, über Investitionen zu unterrichten, insbesondere bei kostengünstigen Produkten wie ETFs.
Nils Kreimeier sprach mit Justus Lenz. Das Interview wurde zur besseren Lesbarkeit leicht gekürzt.
Hören Sie die neueste Folge von "Die Stunde Null":
- Die Rolle der Frauen in der ökonomischen Bildung
- Wie Geldanlage in der Schule gelehrt wird
- Wer die ökonomische Bildung voranbringen könnte
Alle Episoden können Sie direkt bei RTL, Apple, Spotify oder Google abrufen. https://www.rtl.de/d/hauptausgabe/sendung/die-stunde-nulle,90322, vl=17353560
Ökonomische Bildung ist entscheidend, um zu verstehen, wie die Gesellschaft funktioniert, und um fundierte Entscheidungen zu treffen. Dennoch wird sie in den meisten Schulen vernachlässigt. Diese Serie untersucht verschiedene Aspekte der ökonomischen Bildung, von ihrer Rolle in der politischen Bildung bis hin zur Bedeutung von unvoreingenommenen Lernmaterialien und den Personen, die diesen Wandel vorantreiben.
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Quelle: www.ntv.de