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Wasserstoff spaltet die Meinung der Wirtschaftsexperten

Eine Person gegen vier andere

Martin Werding (l-r), Achim Truger, Ulrike Malmendier, Veronika Grimm und Monika Schnitzer...
Martin Werding (l-r), Achim Truger, Ulrike Malmendier, Veronika Grimm und Monika Schnitzer präsentieren das Frühjahrsgutachten des Sachverständigenrates.

Wasserstoff spaltet die Meinung der Wirtschaftsexperten

Der Rat der Wirtschaftsberater legt heute seinen Wirtschaftsausblick vor. Es ist die erste öffentliche Stellungnahme seit einem Zerwürfnis. Es scheint unwahrscheinlich, dass sich der Zwist legt.

Als der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung heute Nachmittag in Berlin seine Konjunkturprognose vorstellt, ist der Himmel heiter und sonnig. Doch die wirtschaftliche Lage sieht nicht so rosig aus: Die deutsche Wirtschaft bleibt schleppend und die Gesamtnachfrage ist begrenzt, so die Wirtschaftsexperten. "Die privaten Haushalte konsumieren nach wie vor zögerlich, die Industrie und der Bausektor verzeichnen kaum neue Aufträge", sagte Ratsmitglied Martin Werding.

Der fünfköpfige Rat korrigiert seine Prognosen: Er rechnet für das laufende Jahr mit einer geringen Wachstumsrate von nur 0,2 Prozent - statt der erwarteten 0,7 Prozent. "Das sind enttäuschende Zahlen", so Werding. Dennoch wird erwartet, dass die deutsche Wirtschaft gegen Ende des Jahres einen leichten Aufschwung erlebt. Die Prognose sieht das deutsche Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr bei 0,9 %. Diese Prognose steht in leichtem Gegensatz zur Einschätzung der Regierung, die ihre Wachstumsprognose für Deutschland leicht auf 0,3 % im Jahr 2024 angehoben hat und für 2025 ein BIP-Wachstum von 1 % erwartet.

Auch die Inflation in Deutschland wird sich voraussichtlich abschwächen. Die Inflationsraten werden voraussichtlich von derzeit 2,4 % auf 2,1 % im Jahr 2025 weiter sinken. "Wir gehen davon aus, dass die EZB ihre Leitzinsen in diesem Sommer senken wird. Die damit einhergehende Verbesserung der Finanzierungsbedingungen für Unternehmen wird die privaten Investitionen ankurbeln", so Ratsmitglied Ulrike Malmendier.

Neben der Lage der deutschen Wirtschaft stand vor allem die umstrittene Dynamik innerhalb des Sachverständigenrates im Mittelpunkt des Interesses. Denn die fünf Mitglieder waren schon seit Monaten zerstritten. Anfang Februar kritisierten vier Mitglieder des Rates ihre Kollegin Veronika Grimm für ihre Absicht, in den Aufsichtsrat von Siemens Energy einzutreten.

Grimm wechselt zu Siemens Energy

Achim Truger, Ulrike Malmendier, Monika Schnitzer und Martin Werding warfen Grimm Interessenkonflikte vor, da sie nicht gleichzeitig den Rat beraten und im Aufsichtsrat eines Energieunternehmens tätig sein könne. In einem Interview mit "Capital" verteidigte Veronika Grimm ihre Entscheidung jedoch vehement und trat anschließend in den Aufsichtsrat von Siemens Energy ein. Mit Spannung wurde daher die Vorstellung des Frühjahrsgutachtens erwartet, das das erste öffentliche Aufeinandertreffen der fünf Ökonomen seit ihrem öffentlichen Streit sein würde.

Bei der Erstellung des Frühjahrsgutachtens gab es einige Stolpersteine, da der Energieexperte Grimm nicht mit der Mehrheit übereinstimmte. Das Gutachten des Rates enthält Überlegungen, wie der Güterverkehr in Deutschland umweltfreundlicher gestaltet werden kann. Derzeit wird der größte Teil der Transporte auf der Straße abgewickelt, die für 98 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen im Güterverkehr verantwortlich ist. Eine Verlagerung auf Schiene und Wasser ist bisher nicht gelungen.

Der Beirat gibt Empfehlungen, wie die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs vorangetrieben werden kann. Der Bericht stellt fest, dass batteriebetriebene Lkw "die ausgereifteste verfügbare Option sind und damit auf absehbare Zeit die dominierende emissionsarme Antriebstechnologie bleiben werden" und betont die Notwendigkeit des Aufbaus einer Ladeinfrastruktur.

Dennoch hatte Ratsmitglied Grimm Vorbehalte gegen diese Vorschläge. In ihrem Minderheitsvotum forderte Grimm die Förderung einer Vielzahl von Technologieoptionen und argumentierte, dass Wasserstoff auch für den Straßengüterverkehr in Betracht gezogen werden sollte. Die Abweichlerin scheint für zusätzlichen Aufruhr im Ausschuss gesorgt zu haben.

"Nur eine inhaltliche Auseinandersetzung"

Der Knackpunkt ist nicht das Minderheitenvotum Grimms, sondern die Tatsache, dass die Wasserstofftechnologie, die von Siemens-Energy, einem Unternehmen, dessen Vorsitz Grimm innehat, vorangetrieben wird, ein Schwerpunkt der Bemühungen des Abweichlers ist. Grimm saß im Vorstand des Zentrums Wasserstoff.Bayern - einer Gruppe, zu deren Partnern Unternehmen wie Audi, BMW, Bosch, MAN und Siemens gehören.

Am Mittwoch wies Grimm mögliche Interessenkonflikte zurück. Ihr Kollege Truger pflichtete Grimm bei und meinte, es gehe nur um inhaltliche Differenzen. Dennoch diskutierten die Beteiligten diese Meinungsverschiedenheit während der Präsentation. Deutschland sei führend bei der Brennstoffzelle, so Grimm. "Diese Position sollte man nicht aufs Spiel setzen und sich so viele Optionen wie möglich offen halten.

Obwohl Monika Schnitzer, die Vorsitzende des Sachverständigenrates, Grimm widersprach und erklärte, dass nicht alles, was rechtlich möglich sei, unbedingt vom Staat finanziert werden sollte, konnte sie die anwesenden Journalisten nicht zum Schweigen bringen. Auf die Frage, ob der Rat in der Lage sei, ein so heikles Thema zu behandeln, blieb Schnitzer stumm. Dass sich der Ausschuss im vergangenen Sommer mit dem Thema Straßengüterverkehr befassen würde, war nicht zu erwarten. Laut Grimm habe es von Anfang an unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema gegeben.

Der inhaltliche und personelle Streit innerhalb des Rates der Spitzenökonomen scheint noch immer zu schwelen. Schnitzer schlug vor, einen Verhaltenskodex für die künftige Arbeit im Sachverständigenrat einzuführen, ließ aber offen, wann es zu einer Lösung kommen könnte.

Dieser Text erschien zuerst auf capital.de

Diskussion geht trotz Konflikt weiter

Schnitzer war zuvor der schärfste Kritiker Grimms, als dieser sich um einen Posten im Aufsichtsrat von Siemens Energy bemühte. In einem Interview mit dem Portal "TableMedia" erklärte sie bekanntlich: "Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim. Sie muss sich für ein Mandat entscheiden."

Dennoch konnte Schnitzer nicht verhindern, dass mit den anwesenden Reportern weiter über das Thema diskutiert wurde. Grimm hielt sich in seiner Antwort nicht zurück und betonte, dass man bei diesem sensiblen Thema immer mit unterschiedlichen Sichtweisen gerechnet habe.

Obwohl die Reibereien innerhalb des Rates der Spitzenökonomen keine Anzeichen einer baldigen Entspannung erkennen lassen, hat Schnitzer die Notwendigkeit eines Verhaltenskodex für die künftige Arbeit des Rates proklamiert. Über einen möglichen Zeitrahmen für eine Einigung äußerte sie sich jedoch nicht eindeutig.

Den Originaltext finden Sie auf capital.de

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Quelle: www.ntv.de

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