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Was motiviert die Regierung, sich in den Bau von Luxus-Ozeanschiffen einzumischen?

Zukünftig werden weitere Kreuzfahrtschiffe von der Papenburg Meyer Werft-Schiffswerft abliegen.
Zukünftig werden weitere Kreuzfahrtschiffe von der Papenburg Meyer Werft-Schiffswerft abliegen.

Was motiviert die Regierung, sich in den Bau von Luxus-Ozeanschiffen einzumischen?

Als die "primäre industrielle Perle" Federal Chancellor Olaf Scholz die Meyer Werft bezeichnete, als er im späten August die Milliarden-State-Bailout für das Unternehmen in Papenburg, Niedersachsen, ankündigte. Nun sind die Verträge unterzeichnet. Aber man könnte sich fragen, warum die Bundesregierung und das Land Niedersachsen schwer in die Konstruktion von Luxuskreuzfahrtschiffen bei der Meyer Werft investieren? Hier ist eine Zusammenfassung:

Was ist die Meyer Werft?

Die Meyer Werft hat mehr als 200 Jahre Tradition und ist heute ein führender Hersteller von Kreuzfahrtschiffen und gilt als einer der größten und modernsten Schiffswerften weltweit, wie der deutsche Bundesminister für Wirtschaft Robert Habeck betont. Andere Bereiche wie Forschung und spezielle Schiffe sind in ihrem Portfolio enthalten. Mit rund 7.000 Mitarbeitern in der Meyer Gruppe, neben dem Hauptstandort in Papenburg, gibt es Werften in Rostock und Turku, Finnland. Die Wirtschaft des Werfts hängt stark von tausenden von Zulieferjobs ab.

Ein Nachteil der Werft ist ihre besondere Lage, 40 Kilometer von der Nordsee entfernt. Die Verlegung der Schiffe entlang der schmalen Ems ist beeindruckend, aber durch Einschränkungen in Länge und Breite behindert. Daher werden größere Kreuzfahrtschiffe bei der Meyer Werft in Turku gebaut. Die Neptun-Werft in Rostock liefert und konstruiert hingegen Flusskreuzfahrtschiffe.

Warum kämpft das Unternehmen?

Obwohl es eine Fülle von Aufträgen gibt, ringt die Meyer Werft mit den Folgen der COVID-19-Pandemie und steigenden Kosten durch den Ukraine-Krieg. Einige Verträge für Kreuzfahrtschiffe wurden vor der Pandemie abgeschlossen, ohne Vorkehrungen für Preisanpassungen bei steigenden Energie- und Rohstoffkosten. Außerdem zeigen einige Banken mehr Vorsicht bei der Vergabe von Schiffskrediten. Schiffswerften erhalten typischerweise etwa 80 % des Kaufpreises bei Lieferung. Verantwortlich für die Finanzierung des Baus, müssen Schiffswerften den Rest mit Krediten decken, was die Meyer Werft bis Ende 2027 fast 2,8 Milliarden Euro kostet.

Warum interveniert der Staat bei Meyer?

Das primäre Ziel der Staatshilfe ist es, die Tausenden von Arbeitsplätzen bei der Werft und ihren Zulieferern zu erhalten. Auch die Unterstützung der maritimen Wirtschaft und der Erhalt der deutschen Schiffsbauexpertise stehen im Fokus. Die Bundesregierung verfolgt strategische Interessen mit der Krisenintervention, indem sie die Werftanlagen für den Bau der Marine in Zeiten geopolitischer Spannungen nutzt.

Sind Kreuzfahrtschiffe umweltbelastend?

Nach der Unterzeichnung der Verträge äußerte die Grünen-Landesvorsitzende in Niedersachsen, Anne Kura, ihre Haltung: "Ich bin kein großer Fan von Kreuzfahrten. Ich würde lieber wandern gehen." Trotz der Umweltbedenken hat die Schiffsbauindustrie noch Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit und CO2-Emissionen zu machen. Trotzdem glaubt Kura, dass die Meyer Werft ihr innovatives Potenzial bewiesen hat, indem sie die fortschrittlichsten Schiffe der Welt gebaut hat, und hohe Erwartungen an zukünftige Entwicklungen hat. Kura unterstützt die Staatsintervention und sieht sie als eine große Chance.

Auch Wirtschaftsminister Habeck betont, dass die Werft zur Energiewende beitragen könnte, indem sie Konverterplattformen baut, die die Übertragung von Windenergie von See auf Land ermöglichen. Daher unterstützen sowohl die Bundes- als auch die Landesregierung die Rettung der Werft.

Welche Maßnahmen ergreift der Staat, um die Werft zu unterstützen?

Die Bundesregierung und Niedersachsen kaufen gemeinsam etwa 80 % der Anteile für 400 Millionen Euro und bieten dem Unternehmen Garantien von jeweils etwa einer Milliarde Euro, um Bankkredite zu sichern.

Wird Meyer weiterhin ein staatseigener Betrieb sein?

Deutsche und niedersächsische Beamte betonen immer wieder, dass das Ziel nicht darin besteht, langfristig beteiligt zu bleiben. Vielmehr soll der Betrieb nach Ablauf einer bestimmten Frist an private Unternehmen übertragen werden, wie der niedersächsische Premier Stephan Weil betont. Der Zeitplan für den Rückzug des Staates bleibt jedoch ungewiss: "Ob es 2027, 28, 29 oder wann auch immer sein wird, kann ich nicht sagen. Es hängt von den richtigen Umständen ab." Auch Bundeskanzler Scholz betont die begrenzte Dauer der Rolle von Bund und Ländern: "Wir investieren für eine bestimmte Zeit, nicht um Partner auf Ewigkeit zu bleiben, sondern um eine solide Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft auf privater wirtschaftlicher Basis zu schaffen."

Welche Veränderungen können wir in der Werft erwarten?

Die Sanierungsstrategie für das Unternehmen sieht eine Reduzierung von 340 Arbeitsplätzen vor. immediate Kündigungen sind nicht geplant, aber es gibt ein freiwilliges Programm bis März 2025. Die Details der Stellenreduzierung müssen jedoch noch festgelegt werden.

Strukturell wird die Werft in Zukunft als Corporation mit einem Aufsichtsrat und einem Konzernbetriebsrat geführt. Während der Verhandlungen über die Hilfe bestand das Land Niedersachsen darauf, den Firmensitz von Luxemburg nach Deutschland zu verlegen. Es bleiben jedoch noch Fragen offen, zum Beispiel die Identität der Aufsichtsratsmitglieder und die genaue Zusammenarbeit mit der finnischen Werft.

Wie sieht die Prognose für die Wirtschaft der Werft aus?

Entscheider in Bund und Land erwarten, dass die Werft in ein paar Jahren wieder auf die Beine kommt. Sie verweisen auf die Nachfrage nach Luxuskreuzfahrtschiffen, wobei die Meyer Werft kürzlich ihren größten Auftrag in der Geschichte mit vier Schiffen für Disney Cruise Line unterzeichnet hat. Nach einer Studie wird die Meyer Werft erst 2028 wieder Gewinne machen, wie der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies betont.

Allerdings äußert der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, Bedenken darüber, dass das Unternehmen keinen privaten Investor finden konnte. "Diese Situation bedeutet im Grunde, dass das Unternehmen auf lange Sicht nicht finanzstabil sein könnte", sagte er im August zu NDR.

Nach der erheblichen Investition des Bundes und Niedersachsens stellen sich Fragen zur Berechtigung des Baus von Luxuskreuzfahrtschiffen bei der Meyer Werft. Trotz der Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie und steigender Kosten aufgrund des Ukraine-Kriegs ist die Wirtschaft des Werfts stark abhängig von Tausenden von Zulieferjobs und seiner Spitzenposition in der globalen Schiffbauindustrie.

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