Kriminalität - Vertrauliche Forensik: Beginn voraussichtlich im Jahr 2024
In Thüringen wird erwartet, dass ab Anfang 2024 Opfer von Sexualstraftaten wie Vergewaltigungen die Möglichkeit haben, ein sogenanntes vertrauliches Strafregister zur späteren Strafverfolgung zu erhalten. Die entsprechende Vereinbarung zwischen dem Land, der Krankenkasse und dem Universitätsklinikum Jena werde derzeit ausgehandelt, teilten Landesgleichstellungsbeauftragte Gabi Ohler und die Barmer Krankenkasse auf dpa-Anfrage mit. Ein Sprecher von Ballmer sagte, die Details seien inzwischen geklärt. Das Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Jena soll die vertrauliche forensische Untersuchung übernehmen. „Eine Ausweitung auf weitere Thüringer Kliniken ist in der Überlegung.“
Der Grundgedanke der vertraulichen Beweiserhebung: Opfer sexueller Gewalt, die nicht direkt zur Polizei gehen wollen, sollten sich vertraulich an einen Arzt wenden, zunächst an einer Universitätsklinik. Dadurch werden beispielsweise Erstickungsspuren oder Kratzer sowie Spuren von Körperflüssigkeiten erfasst bzw. geschützt. Möchte das Opfer nicht, dass diese Erkenntnisse direkt an die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden, werden sie archiviert – so dass die Spuren auch Jahre später noch einer Person zugeordnet werden können. Insbesondere bei Gewalt in der Partnerschaft scheuen sich Opfer oft, ihre Täter erst Monate oder sogar Jahre nach dem Übergriff anzuzeigen.
Jahrelange Verhandlungen
Bammer sagte, Thüringen sei das einzige Bundesland, in dem es derzeit unmöglich sei, vertrauliche forensische Beweise zu beschaffen. Es gibt tatsächlich Pläne, die Technologie im Jahr 2020 im Freistaat einzuführen; das Land hat hierfür Fördermittel bereitgestellt. Ebenfalls im Jahr 2020 hat der Bundesgesetzgeber dieses Verfahren in das Sozialversicherungsgesetz aufgenommen und Mittel an die gesetzlichen Krankenkassen überwiesen. Die Verhandlungen in Thüringen wurden seitdem fortgesetzt.
„Der Knackpunkt für uns ist, dass die Krankenkasse sich refinanzieren will, wenn das Opfer später eine Strafanzeige erstattet“, sagte Oler kurz vor der Einigung mit der Krankenkasse. Das Gesetz lässt dies derzeit jedoch nicht zu. Sollte sich das Bundesgesetz ändern, sollte jetzt eine zusätzliche Vereinbarung getroffen werden.
Oler sagte, dass der Staat bei endgültiger Unterzeichnung der Vereinbarung die Dienstzeit der medizinischen Fachkräfte am Universitätsklinikum übernehmen werde, die sich auf etwa 150.000 Euro pro Jahr belaufe. Krankenkassen zahlen pauschal 439 Euro pro forensischer Untersuchung und Fall.
Weitere Anlaufstellen für Krankenversicherungen
Barmer-Landesgeschäftsführerin Birgit Dziuk sagte, es sei für Betroffene sexueller Übergriffe wichtig, dass vertrauliche forensische Beweise künftig nicht nur in Jena verfügbar seien. „Der nächste Schritt besteht darin, dass sich der Freistaat breiter aufstellt und mehr Touchpoints etabliert.“ Diese Menschen zu unterstützen, sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
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Quelle: www.stern.de