Klima - Schneemangel bringt auch neue Chancen für den Wintertourismus
Trotz steigender Temperaturen und sinkender Schneefälle droht dem Geschäft in den alpinen Wintersportorten in den kommenden Jahren kein vorzeitiges Ende.
Trotz des zunehmenden Klimawandels können die allermeisten Skigebiete weiterhin mit Hilfe von Schneekanonen betrieben werden und auch andere Formen des Wintertourismus gewinnen zunehmend an Bedeutung. Das zeigen wissenschaftliche Untersuchungen und Einschätzungen der Ferienbranche.
„Wir werden keinen Wintertourismus mehr haben, das ist eine schreckliche Nachricht“, sagte der Münchner Tourismusforscher Jürgen Schmude. „Der Wintersporttourismus wird an Bedeutung verlieren, der Wintertourismus selbst jedoch nicht.“
Erhebliche Anzahl an Buchungen
Fotos von künstlich beschneiten Pisten in öden braunen Landschaften erwecken den Eindruck, dass viele Skigebiete wegen Schneemangels kurz vor der Schließung stehen. Tatsächlich liegt in den Alpen heute weniger Schnee als noch vor einigen Jahrzehnten.
In Österreich fielen landesweit und in allen Höhenlagen durchschnittlich 40 Tage weniger Schnee als im Jahr 1961. Dies wurde 2022 durch ein Forschungsprojekt unter Leitung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) ermittelt. ) in Innsbruck. Am deutlichsten macht sich dies unterhalb von 1500 Metern über dem Meeresspiegel bemerkbar.
Der vergangene Winter 2022/23 war so trist, dass das örtliche Skigebiet im bayerischen Lenggries im Januar wegen Schneemangels den Betrieb vorübergehend einstellen musste. Allerdings deuten die Beweise nicht darauf hin, dass Inflation, Krisenstimmung oder Angst vor Schneemangel Urlauber abschrecken werden.
Oberstdorf berichtete, dass die Buchungen zu Beginn des Jahres mit denen des Vorjahres vergleichbar seien, mit höheren Buchungen im Januar und Februar. Ähnliche Zustände wurden auch in anderen Allgäuer Wintersportorten wie Bad Hindelang, Füssen und Oberstaufen gemeldet.
„Insgesamt sind wir mit der bisherigen Buchungslage sehr zufrieden“, sagte Bernhard Joachim, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Allgäu/Bayerisch-Schwaben. Allerdings ist seit Jahren ein Trend zu beobachten, dass Gäste für kürzere Zeiträume buchen.
Gewinner des Klimawandels
Weitere 200 Kilometer weiter südlich meldeten auch Hoteliers in St. Moritz und anderen Teilen des Engadins sehr gute Buchungen für das kommende Festival, wie ein Sprecher des Engadin Tourismus berichtete.
„Man muss immer die konkreten Umstände berücksichtigen, aber es kann sein, dass es in größeren, höher gelegenen Orten zu einem räumlichen Konzentrationsprozess kommt, der in tiefer gelegenen Skigebieten schwierig wäre“, sagt Tourismusforscher Schmulder.
Das ist schon lange so: Viele kleine Skigebiete haben in den letzten Jahren ihren Betrieb eingestellt. Vor allem in Österreich haben die großen Seilbahnbetreiber stark in Lifte, Seilbahnen und Beschneiungsanlagen investiert. Mancherorts sind durch Zusammenschlüsse riesige Skigebiete entstanden. Mittlerweile verfügt der Arlberg über mehr als 300 Pistenkilometer.
„Auch der Klimawandel hat Gewinner. Mehr Niederschläge im Winter, und wenn er hoch genug ist, bedeutet das mehr Schnee“, sagt Tourismusforscher Schmude.
„Leider liegen diese Gebiete nicht in Deutschland, sondern in Frankreich oder der Schweiz, und hochgelegene Skigebiete in Österreich haben kein so großes Problem.“
Die Preise erreichten Rekordhöhen
Im August veröffentlichte ein internationales Wissenschaftlerteam eine vielbeachtete Studie, die zeigt, dass der Klimawandel die Schneefall-, Wasserversorgungs- und Energieverbrauchsprobleme in Skigebieten in und um die Alpen verschärft.
Ohne künstliche Beschneiung besteht für 53 % der 2.234 analysierten Skigebiete ein hohes Risiko von Schneemangel, wenn man von einem Temperaturanstieg von 2 Grad Celsius ausgeht. Für die Alpen sind die Zahlen allerdings weniger dramatisch.
„Geht man davon aus, dass 50 % aller Skigebiete schneebedeckt sind, dann besteht bei 3 % der betrachteten 294 österreichischen Skigebiete ein sehr hohes Risiko einer Schneeversorgung mit Temperaturen über 2 Grad Celsius“, sagte Judith Köberl vom Skigebiet . Joanne Gratz, Co-Autorin. „Für die gesamten Alpen beträgt der Anteil der Skigebiete mit +2 Grad 9 % der 915 Skigebiete.“
Tatsächlich sind in vielen Skigebieten mehr als 50 % der Pisten mit Schnee bedeckt. Die Kosten hierfür sind erhöhte Kosten für Maschinen und Energieverbrauch, die in höheren Preisen an die Gäste weitergegeben werden.
Die Preise erreichten in diesem Winter Rekordhöhen. Beispiel Bayern: Eine Tageskarte für Erwachsene im Skigebiet Garmisch unterhalb der Zugspitze kostet 60,50 €.
Wintergäste sind traditionell profitabler
Die Tourismusbranche selbst hat mit steigenden Kosten zu kämpfen, doch die Gewinne für Winterurlauber sind traditionell deutlich höher als für Sommerurlauber in den Alpen. „Um einen Skifahrer zu ersetzen, bräuchte man etwa zwei bis drei Wanderer“, sagte Wissenschaftler Schmulder. „Aber wenn man sich vorstellt, 10.000 Skifahrer durch 20.000 Wanderer zu ersetzen, kommen wir schnell wieder zum Thema ‚Overtourism‘.“
Ein dritter Faktor mit langfristigen Auswirkungen ist der demografische Wandel. Eine alternde Bevölkerung bedeutet nicht nur einen Mangel an Fachkräften, sondern wahrscheinlich auch weniger Kunden.
Doch hier greift der Wintersportort vor: indem er die Nachwuchsrekrutierung deutlich erhöht. In Österreich hat sich die Zahl der Schneesportlehrer für Skifahren, Snowboarden und Langlaufen seit 1980 von rund 9.000 auf 18.000 verdoppelt. Das sagt Christian Abenthung, Generalsekretär des Österreichischen Skischulverbandes.
Anders als in den 1960er und 1970er Jahren sind die allermeisten Skischüler nicht mehr Erwachsene, sondern Kinder. Allein die Skischule Tirol empfängt mittlerweile pro Saison rund 800.000 Gäste, darunter etwa 500.000 Kinder. Nicht jeder, aber viele werden auch als Erwachsene ihren Winterurlaub noch genießen – das hoffen zumindest die Urlaubsorte.
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Quelle: www.stern.de