Ist die südliche Region unter Verfall der Reben?
Weinberge, eine Mischung aus Freizeit und Arbeit, verlieren ihren Charme.
Saftig grüne Reihen, unterbrochen von trockenen Steinmauern, bilden die Landschaft. Eine Eidechse huscht über den Pfad. Bietigheim-Bissingen, eingebettet in die Stuttgarter Metropolregion, ist Heimat von Porsche und Wendelin Wiedeking. Die Stadt rühmt sich ihrer malerischen Weinberge, ein beliebter Spaziergangsort für viele, der einen friedlichen Blick auf den mäandrierenden Fluss bietet.
Weinberge verkörpern das Wesen von 'Erholungsorten', ein Titel, der ihnen nicht gerecht wird: Orte, die eine flüchtige Serenität bieten, die oft verloren geht, wenn man zu Hause ankommt. Für einige ist es nicht nur ein Freizeitort, sondern ein Arbeitsplatz. Diese Individualsind für das Überleben des Weinbergs entscheidend, denn ohne sie welkt der Weinberg Ziegel für Ziegel dahin.
Eine solche Person ist Sophie Roth. Es ist Mittwochmorgen, 7 Uhr, die Sonne ist über dem Bietigheimer Brachberg noch nicht aufgegangen, aber Roth radelt bereits einen Schotterweg hinauf zu ihren Reben, begleitet von ihrem Freund, Wasser, Snacks und einem Unkrautvernichter.
Ein Sechstel weniger Weinberge bis 2030?
Roth, 24, eine Agrarwissenschaftsstudentin und angehende Köchin, verwaltet einen Weinberg, während sie spätabends in einem renommierten Stuttgarter Restaurant Küchendienst schiebt. Heute 'entblättert' sie Reben: Die Trauben benötigen Sonne zum Reifen, also muss das umliegende Laub beschnitten werden - aber nicht vollständig, warnt Roth, sonst könnten die Trauben verbrennen.
Roth, eine junge Frau mit einer Leidenschaft für die Weinherstellung auf Hängen, ist eine Ausnahme in der Branche. Der Präsident des Württembergischen Weinbauverbands, Heinrich Morast, beschreibt die Situation in einem Interview mit ntv.de wie folgt: "Aufgrund der Strukturwandel gehen viele Winzer in den Ruhestand, und wenige nehmen ihren Platz ein." Es wird erwartet, dass bis 2030 über ein Sechstel (rund 20 Quadratkilometer) der Württembergischen Weinberge verloren gehen könnten.
In Deutschland haben die Weinbauflächen leicht zugenommen, wie die Daten des Statistischen Bundesamts zeigen. Allerdings schrumpfen die Zahlen in Württemberg, wie die Daten des Landesinstituts für Weinbau und Fachkultur (LVWO) zeigen. Besonders auf steilen Hängen werden immer mehr Flächen aufgegeben, sagt Morast.
Die Topographie, das den Weinberg einzigartig macht, ist auch sein Verhängnis, das die Herausforderungen der Weinbranche verschärft: demografische Veränderungen und wirtschaftlichen Druck. Für viele ältere Winzer wird die körperliche Belastung der Arbeit auf steilen Hängen zu groß. Außerdem erfordern diese Bereiche mehr Pflege und sind für Maschinen schwer zugänglich, was zu höheren Kosten für dieselbe Ernte führt.
"Einfach mal ausprobieren"
Interessanterweise waren steile Weinberge einst ein wirtschaftlicher Sieg des Menschen über die Natur: raue Hänge, gesäumt von Flusstälern, boten viel Sonne, aber wenig nutzbaren Raum. Der Mensch zähmte den Berg, indem er Steinmauern baute und nutzbare Flächen erschloss. Wie Flüsse, die der Mensch mit Dämmen begradigt, um sie befahrbar zu machen, aber in höherer Frequenz: Einige Weinberge in Bietigheim-Bissingen haben bis zu 20 Wände. Jede Wand repräsentiert einen neuen nutzbaren Raum, der normalerweise nur ein bis drei Meter lang ist, bevor die nächste Wand folgt.
Die Treppen, die durch den Weinberg führen und verschiedene Ebenen verbinden, sind oft nichts weiter als lose Steine. Daher trägt Sophie Roth, wenn sie ihre Reben erreicht, ihre abgetragenen Nike Air-Schuhe gegen Arbeitsschuhe aus. Sie wird den ganzen Tag auf unebenem Boden stehen, ihre Füße werden schmerzen. Bis zum Abend wird sie Muskelkater von all dem Hinauf- und Hinunterklettern haben.
Sie habe "einfach mal ausprobieren" wollen, sagt Roth in einem Interview mit ntv.de. Um ihre Studien in die Praxis umzusetzen. "Und eigenes Wein zu haben, ist auch irgendwie cool", fügt sie hinzu. Sie fand den Weinberg über Kontakte zur Miete. Sie sieht sich nach der Ausbildung als Nebenjob mehr Land zu verwalten, sagt Roth.
Allerdings glaubt Philipp Ritz vom LVWO, dass der Weinbau auf steilen Hängen oft ein Hobby, Familientradition oder Idealismus ist. Morast stimmt zu: Die Produktionskosten für Wein sind zu hoch, der Preisdruck ist zu hoch. Fewer people are willing to pay more for wine from steep slopes. Therefore, more and more vineyards are becoming overgrown.
Subventionen helfen den Mauern im Weinberg
Wenn ein Weinberg einstürzt und zuwuchert, wenn niemand die Reben pflegt, beschneidet oder Wände repariert, hat das Auswirkungen auf andere Weinberge. Schädlinge und Krankheiten können leichter verbreiten, Nachbarbereiche betroffen sein. Der Lebensraum für Tiere wie Eidechsen schrumpft, was ein ernstes Problem für den Weinberg darstellt.
Daher gewährt Baden-Württemberg, der Bundesland, in dem Bietigheim-Bissingen liegt, Subventionen für manuelle Weinbergsarbeit - 3.000 Euro pro Hektar und Jahr. Bietigheim-Bissingen bietet finanzielle Unterstützung für Menschen, die Wände im Weinberg reparieren oder überwucherte Bereiche räumen - etwa 50.000 Euro jährlich, wie sie selbst mitteilen.
Roth stimmt damit überein. Der Weinbauverband bevorzugt eine Befreiung vom Mindestlohn und möchte, dass Kunden an der Kasse angemessene Preise für Wein aus Deutschlands steilen Hängen zahlen. Ritz argumentiert jedoch, dass Subventionen notwendige Strukturwandel nur verzögern, der auch für die bestehenden Reben wichtig ist. Besonders in Regionen mit einem hohen Anteil an Trollinger-Pflanzungen auf steilen Hängen, verliert diese Sorte an Anziehungskraft, mit weniger und weniger Nachfrage dafür, wie Ritz betont, "Du hast darauf noch nie reagiert".
Wohin geht der Weinberg?
Was erwartet den Weinberg? Er könnte sich in bestimmten Bereichen in einen Obstgarten verwandeln und Tieren und Pflanzen einen sichereren Hafen bieten. Wenn Sommer heftiger werden und Winter milder, könnte er sich sogar in einen Olivenhain entwickeln. In Baden-Württemberg wird diskutiert, inaktive Hänge mit Solarpanelen zu bedecken. Allerdings ist dies komplex, da Weinberge oft als geschützte Landschaften ausgewiesen sind.
Es ist 13 Uhr auf dem Bietigheimer Brachberg, wo die Sonne gnadenlos Sophie Roths Weinberg, die kahlen Reben und die freiliegenden Trauben quält. Der steile Hang wurde gemäht, wildes Kren, Kamille und Wildknoblauch liegen nun flach zwischen den Reben. Während die Lavendelbüsche an den Seiten verschont bleiben, kleben kleine schwarze Kletten an Roths moosgrünen Socken und entlocken ihrem verschwitzten Gesicht ein zufriedenes Lächeln.
Auf dem Rückweg bleiben Roth und ihr Begleiter plötzlich stehen. Am Straßenrand hängt ein laminiertes Schild: "Weinberg zum Verkauf." Preis: Verhandelbar. Sie tauschen einen Blick aus und fahren zunächst weiter, doch sollte Roth jemals entscheiden, in Zukunft mehr Wein zu produzieren, wird Platz kein Problem mehr sein.
Der Württembergische Weinbauverband betonte, dass aufgrund von Renteneintritten und mangelnder Neuanwerbung bis 2030 über ein Sechstel der Württembergischen Weinberge verloren gehen könnte, was die Branche und die Lebensräume für Tiere wie Eidechsen beeinträchtigen würde. Um die Weinberge zu erhalten und ihren Zusammenbruch zu verhindern, gewährt Baden-Württemberg und Bietigheim-Bissingen Zuschüsse für manuelle Weinbergsarbeit, Mauerreparaturen und das Freischneiden von Wildwuchs, was Individuals wie Sophie Roth dabei unterstützt, ihre Weinberge florierend zu halten.