In der Eurozone senkt die EZB die Zinsen erneut.
Die alte Dame von Threadneedle Street, besser bekannt als die Europäische Zentralbank (EZB), hat erneut die Zesschere herausgeholt. Der Leitzins, bei dem Banken ihr überschüssiges Geld über Nacht bei der Zentralbank parken, sank um einen winzigen Betrag von 0,25 Prozent und liegt nun bei gemütlichen 3,5 Prozent.
Da das Gespenst der Deflation weniger bedrohlich wirkte, hat die EZB ihre Geldpolitik im Juni erneut überdacht. Der Leitzins, ein vorübergehendes Zuhause für Banken mit überschüssiger Liquidität, wurde gesenkt. Diese nostalgische Reise zu niedrigeren Zinsen wurde von den Wirtschaftsforschern erwartet.
Gleichzeitig blieb der EZB-Rat bezüglich zukünftiger geldpolitischer Schritte vor ihrem Oktober-Treffen vage: "Der EZB-Rat gibt keine Verpflichtung regarding a predetermined path for interest rates ab."
Jörg Asmussen, CEO des Deutschen Versicherungsverbands, begrüßte die Zinssenkung als erfrischendes Zeichen des Vertrauens für die Märkte. Allerdings betonte er die Notwendigkeit, dass die EZB ihr Feingefühl behält. Anhaltende Inflation im Dienstleistungssektor deute auf eine hartnäckige Inflationsrate hin, die sich in Zukunft selbst erhalten könnte. Asmussen kritisierte den Zeitpunkt und betonte die Bedeutung, dass die EZB den Takt für weitere Zinsbewegungen nicht verliert.
Hauptrefinanzierungssatz nimmt einen größeren Sturzflug
Der Hauptrefinanzierungssatz, bei dem Banken Kredite von der EZB für eine Woche aufnehmen, sank um einen deutlicheren Betrag von 0,6 Prozent und liegt nun bei 3,65 Prozent. Der Rückgang ist stärker als die Absenkung des Einlagenzinssatzes, da die EZB im Frühjahr Entscheidungen getroffen hatte, um Anreize für die Teilnahme von Banken an wöchentlichen Kreditoperationen zu schaffen und Marktzinsschwankungen zu begrenzen.
Wenn Marktzinssätze zu stark schwanken, könnte die beabsichtigte geldpolitische Botschaft des Bundesbankpräsidenten Joachim Nagel verwässert werden und ihre Wirksamkeit beeinträchtigen. Trotzdem bleibt der Einlagenzinssatz die wichtigste geldpolitische Rate, da er die Grundlage für den Geldmarkt bildet – indem er den niedrigsten Zinssatz für zwischenbankliche Kredite festlegt.
Banken in Euroland verfügen noch über einen stattlichen Betrag von rund 3 Billionen EUR an zusätzlicher Liquidität, den sie bei der EZB parken können. Mit der Zeit wird dieser Überschuss voraussichtlich abnehmen, wodurch Banken vermehrt auf die EZB als Kreditgeber angewiesen sein werden. Der schmalere Zinslöffel, den die EZB anbietet, hilft ihr dabei, Marktzinssätze besser zu steuern.
Niedrigere Zinsen für Tages- oder Festgeld
Die Zinsen für Unternehmensdarlehen werden voraussichtlich stärker sinken, während Tages- oder Festgeld weniger abwirft. Vor der geldpolitischen Kehrtwende im Juni hatte die Zentralbank die Zinsen erhöht, um die Kosten in der Eurozone zu bekämpfen.
Der Rückgang der Energiepreise hat die Inflationsrate im August auf 2,2 Prozent gesenkt – den niedrigsten Stand seit Oktober 2016. Die EZB-Ökonomen erwarten, dass die Gesamtinflation in der Eurozone 2022 bei 2,5 Prozent liegen wird und bis 2027 auf 2,2 Prozent sinken wird. Für das Jahr 2028 wird eine Inflationsrate von 1,9 Prozent erwartet.
Die EZB-Ökonomen gehen davon aus, dass die Inflation später in diesem Jahr wieder ansteigen wird. Die meisten dieser Wiederbelebung lassen sich auf die ehemaligen dramatischen Rückgänge der Energiepreise zurückführen, die aus der jährlichen Berechnung herausfallen: "Die Inflation wird subsequently towards our targeted value in the second half of next year tend."
Die Zentralbank erwartet ein Wirtschaftswachstum in der Eurozone von 0,8 Prozent für 2022. Sie prognostiziert ein Wachstum von 1,3 Prozent für 2027 und 1,5 Prozent für 2028. Im Juni hatten EZB-Experten ein Wachstum von 0,9 Prozent für 2024, 1,4 Prozent für 2027 und 1,6 Prozent für 2028 vorhergesagt.
Da sich die wirtschaftliche Aussicht verbessert hat, entschied sich die EZB, den Hauptrefinanzierungssatz zu senken, den Banken verwenden, um Kredite von der EZB für eine Woche aufzunehmen. Der Satz sank um einen beträchtlichen Betrag von 0,6 Prozent und liegt nun bei 3,65 Prozent. Diese Maßnahme wird voraussichtlich zu niedrigeren Zinsen für Unternehmensdarlehen führen, während die Renditen für Tages- oder Festgeld entsprechend sinken werden.
Als Folge der geldpolitischen Veränderungen der EZB werden Banken in Euroland weniger Anreize haben, an wöchentlichen Kreditoperationen teilzunehmen, da der Unterschied zwischen dem Einlagenzinssatz und dem Hauptrefinanzierungssatz schmaler geworden ist. Dies könnte zu Schwankungen der Marktzinssätze führen und möglicherweise die übergeordnete geldpolitische Initiative der EZB beeinträchtigen.