Es ist entscheidend, den Schuldenlimitmechanismus zu überarbeiten.
Businessman und ehemaliger Bundesfinanzminister der FDP, Harald Christ, plädiert für "einen Masterplan für Deutschland" mit Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung. Laut Christ ist die Verwendung der Mittel dabei entscheidend, wie er im Podcast "Die Stunde Null" betont. Gleichzeitig hält er die grundlegende Struktur des deutschen Wirtschaftssystems für solide.
Die Lage Deutschlands wird schon seit Jahren diskutiert. Doch in der aktuellen Situation scheint es ein kritischer Moment zu sein. Großkonzerne wie Volkswagen kämpfen und die Wirtschaft lahmt schon lange. Ist es dieses Mal wirklich so ernst?
Harald Christ: Es stimmt, dass es in der Vergangenheit Schlagzeilen wie "Deutschland - der kranke Mann Europas" oder "Deutschland hinkt hinterher" gegeben hat. Und dann hatten wir die längste Expansion, die die Bundesrepublik je hatte, von 2005 bis 2021, die 16 Jahre dauerte. Also verteile ich keine Schwarzmalerei über die Lage oder halte wütende Reden. Wir haben eine sehr stabile Wirtschaftsbasis, sind die drittgrößte Wirtschaftsmacht, haben erfolgreiche Konzerne und eine stabile Mittelschicht.
Aber es gibt immer noch erhebliche Hürden.
Es ist wahr, dass wir uns inmitten eines wirtschaftlichen Wandels befinden und es Branchen gibt, die vor erheblichen Herausforderungen stehen. Dazu gehören energieintensive Industrien wie Chemie und Pharma sowie die Automobilindustrie. Aber wir haben solche Transformationsprozesse schon immer durchgemacht, was dazu führte, dass ganze Sektoren litten. Jammern hilft nicht, stattdessen müssen wir nach vorne schauen und Wege finden, um unsere Wettbewerbsfähigkeit wieder zu stärken.
Also ist es ein Problem spezifischer Branchen und kein grundlegendes Krisen des deutschen Wirtschaftsmodells?
Natürlich haben wir fundamentale Herausforderungen. Unsere Energiekosten sind zu hoch, es gibt eine zunehmende Bürokratie, die Unternehmen mit Kosten belastet, und wir haben hohe Lohnkosten. Wir sind ein Land mit hohen Steuern, insbesondere für Unternehmen. Aber die Frage, die wir uns stellen sollten, ist: Was können wir tun, um aus dieser Situation herauszukommen und das nächste Wachstumsniveau zu erreichen?
Sie sagen, wir müssen Wege finden, um aus dieser Situation herauszukommen. Es gibt einen großen strategischen Papier des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi, der ein massives Investitionsprogramm für ganz Europa fordert - bis zu 800 Milliarden Euro pro Jahr. Was sagen Sie als Liberaler, wenn so viel Staatshilfe gefordert wird?
Ich bin nicht in einer ideologischen Schachtel gefangen, ich beurteile die Realität und handele danach. Und ja, wir müssen mehr investieren. Aber die entscheidende Frage ist, wohin das Geld fließt. Geht es in die Erweiterung von Sozialkosten wie Bürgergeld, Renten oder Sozialleistungen? Oder geht es in Infrastruktur, Forschung und Entwicklung, Bildung und KI? Aber wir haben in Deutschland ja eine Schuldenbremse.
Das ist die nächste Frage. Begrenzt sie die Investitionen?
Die Schuldenbremse wurde mit breiter politischer Unterstützung beschlossen, also muss ein Finanzminister daran festhalten. Das macht es schwierig. Wir müssen die Schuldenbremse reformieren. Es bedeutet nicht unbegrenzte Schulden. Aber wir können unsere Zukunftsgenerationen nicht mit einer heruntergewirtschafteten Infrastruktur und einem Land belasten, das nicht mehr wettbewerbsfähig ist.
Wie könnte eine solche Reform umgesetzt werden?
Ich glaube nicht, dass sie in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden kann. Ich denke, es wird ab 2025 passieren, unabhängig davon, wer an der Macht ist. Aber es braucht Unterstützung von Regierung und Opposition. Wir brauchen mehr Geld für Innere Sicherheit, Verteidigung. Wir können die Schuldenbremse nicht ignorieren. Aber wir müssen es mit einer zukunftsorientierten Herangehensweise tun. Wir brauchen einen Plan für Deutschland, der über die nächste Legislaturperiode hinausgeht.
Das klingt wirklich nach einem umfangreichen Investitionsprogramm.
Das stimmt, aber der Fokus liegt immer auf Investitionen. Wenn Sie heute zusätzlich 50 Milliarden Euro in Infrastruktur investieren, ist das auf der einen Seite neue Schulden. Aber auf lange Sicht sollten Sie eine Steigerung des Wohlstands der Wirtschaft sehen.
Hören Sie die neue Folge von "Die Stunde Null" hier:
· Was die Ampelkoalition in Christs Meinung gut macht
· Warum Christ auf das KI-Unternehmen Aleph Alpha setzt
· Warum er glaubt, dass das Bekämpfen von Rechtspopulismus hilft
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