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Einseitige Forschung kann dem Wohlbefinden von Frauen schaden.

Ein Vorstandsmitglied der AOK, dessen Name Erb-Herrmann ist,

Frauen nehmen oft die falsche Dosis an Medikamenten und die Packungen sind zu groß.
Frauen nehmen oft die falsche Dosis an Medikamenten und die Packungen sind zu groß.

Einseitige Forschung kann dem Wohlbefinden von Frauen schaden.

Heute bestehen Frauen immer noch Herausforderungen, da die pharmazeutische Forschung hauptsächlich auf Männer zugeschnitten ist. Dadurch erfahren sie oft spät eine Diagnose, werden falsch medikamentiert und erkrankungen, die als Depression fehlinterpretiert werden. Isabella Erb-Herrmann, die Geschäftsführerin von AOK, beleuchtet dieses Problem und fragt, ob wir eine geschlechterbasierte Medizin haben.

Bereits seit der Antike etablierte Aristoteles das männliche Körperbau als Standard und sah Frauen als "Abweichung" von diesem Normenbild, ein Glaubenssystem, das sich über Jahrhunderte hinweg auf Wissen und Praktiken ausgewirkt hat. Schockierend ist, dass die meisten Medikamente noch auf Männern getestet werden, die 80 Kilogramm wiegen, was für die Gesundheit von Frauen schwerwiegende Folgen hat.

Was sind die Folgen dieser diskriminierenden Herangehensweise?

Frauen erleiden disproportional häufiger Fehl-Diagnosen und ignorierte metabolische und hormonelle Imbalancen. Sie erleiden Medikamenten-Nebenwirkungen häufiger als Männer. Zudem sind die Verpackungen von Medikamenten unpassend dimensioniert, was zu erheblichen Abfällen, hohen Kosten für Krankenkassen und Versicherungsnehmer führt. Dieser Zustand ist sowohl unhaltbar als auch schädlich für die Gesundheit von Frauen.

Gibt es in den letzten Jahren einen Wandel in der Durchführung klinischer Studien?

Seit dem 31. Januar 2022 müssen pharmazeutische Unternehmen in der EU klinische Studien mit einem ausgeglichenen Geschlechts- und Altersaufkommen durchführen. Obwohl diese Änderung das Potenzial hat, eine sichere und gleichwertige Versorgung von Medikamenten zu ermöglichen, dauert es wahrscheinlich mehrere Jahre, bis ein Medikament von der Forschung bis zur Markteinführung reicht. Somit wird der Einfluss dieser Regelung erst in etwa fünf Jahren spürbar sein. In einem weiteren relevanten Aspekt wurden bisher keine geschlechterangepassten Regelungen eingeführt, die sich auf präklinische Studien beziehen, in denen häufig männliche Tiere verwendet werden, bevor klinische Studien durchgeführt werden. Man sollte bemerken, dass Frauen sich unterschiedlich auf Wirkstoffe reagieren.

Wie kann der Tabu um Schwangerschaft, Endometriose und Menopause in der Forschung überwunden werden?

Medikamentenhersteller bewerten den medizinischen Mehrwert vor der Investition in neue Medikamente und Therapien, was eine Voraussetzung für die Zulassung ist. Um den Mehrwert zu quantifizieren, sind Daten notwendig. Allerdings ignorierten Frauen traditionell Gesundheitsprobleme, die mit Schwangerschaft, Endometriose und Menopause in Zusammenhang stehen. Deshalb müssen diese Lücken jetzt geschlossen werden, da die Fortschritte in der KI und den Algorithmen wahrscheinlich bestehende Ungleichheiten im Gesundheitswesen verstärken werden. Politik muss auch aktiver auf das Thema eingehen und Frauen als Investition in die Gesellschaft ansehen. Ähnliche Maßnahmen wurden in Frankreich mit einer nationalen Endometriosestrategie eingeleitet.

Wie kann man Verbesserungen erreichen und Impulse generieren?

Krankenkassen können vor allem Licht auf das Thema werfen. So plant AOK beispielsweise für das nächste Jahr eine Kampagne für die Gesundheit von Frauen, um Aufmerksamkeit zu schaffen. Frauen werden auch lauter, politisch aktiver und ihre Stimmen werden gehört. Es gibt Organisationen wie das Netzwerk weiblicher Gesundheit, die Gesundheitsfrauen und die Deutsche Ärztinnenvereinigung, hinzu kommt die Hebammenvereinigung.

Ich hatte eine Unterhaltung mit Isabella Erb-Herrmann über dieses Thema.

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