Ehemaliger Cum-Ex-Ankläger klagt Regierung an
**Als Staatsanwältin fuhr Anne Brorhilker hunderte von Verfahren gegen Cum-Ex-Betruger. Nun, dass sie den öffentlichen Dienst verlassen hat, kämpft sie gegen den "System-Verschiebung" des Systems, das den Milliarden-Euro-Steuersbetrug ermöglichte.
Eine der Unterschiede zwischen ihrer alten Arbeit und ihrer neuen, erklärt Anne Brorhilker, ist, dass sie als Staatsanwältin und Beamte politische Forderungen nicht machen konnten. In den letzten Jahren hat sie hunderte von Verfahren gegen Teilnehmer am Milliarden-Euro-Cum-Ex-Steuersbetrug geführt. Aber gegen den "System-Verschiebung" konnte sie nichts tun. Als Aktivistin und neuer Co-CEO der Bürgerbewegung Finanzwende, kritisiert sie jetzt schwer die Bundesregierung und insbesondere den Finanzminister.
Die Finanzverwaltung, fordert Brorhilker, muss beweisen, dass sie auf der Seite der Bürger und nicht der Banken ist, die dem Staat Milliarden euro gestohlen haben. Ihr Geschäftspartner, der Gründer von Finanzwende, Gerhard Schick, fügt hinzu: "Die Bankfreundschaft von Christian Lindner ist für die öffentlichen Haushalte eine Gefahr geworden."
Was Brorhilker und Schick tun, ist die offensichtliche Unwirksamkeit des Staates bei dem sogenannten Cum-Cum-Steuersbetrug. Dieser Betrugsskandal ist eng mit den besser bekannten Cum-Ex-Schemen verwandt - mit zwei signifikanten Unterschieden: Die Schäden werden auf mindestens 28,5 Milliarden Euro geschätzt, wie Brorhilker angibt. Und die Finanzminister der Bundesregierung und der Länder haben trotz großer Haushaltslücken bisher kein Interesse gezeigt, diese Summen zurückzuerstatten. Gegenüber Journalisten beklagt Brorhilker, dass das Bundesfinanzministerium dieses Verfahren jahrelang unterstützt haben soll. Erst im Jahr 2021 wurde dies korrigiert, aber es hat bisher keine merklichen Anstrengungen zur Wiederherstellung dieser Milliarden geführt.
"Überwachung und Verfolgung behindern"
Die Unwirksamkeit der Behörden schädigt den Vertrauen in das Rechtsstaatsprinzip, meint Brorhilker. Ihr Verdacht: Die Einflüsse der Finanzlobby, insbesondere der Banken, sind hier überwältigend, meinte Brorhilker in einem Interview mit Journalisten. "Das ist eine große, sehr gut vernetzte Industrie, die ein großes Interesse an der Verhinderung effektiver Überwachung und Verfolgung hat, und sie gelingt es." Versuche, diese Einflüsse aufzuklären, wurden durch die zuständigen Behörden blockiert. So weigerten sie sich beispielsweise, jede Art von Informationen über den Hintergrund der umstrittenen Briefe des Bundesfinanzministeriums zum Cum-Cum-Thema mit verschiedenen Begründen zu geben.
Gegen diesen Informationsblockade reagiert Finanzwende nun mit Klageerhebungen gegen das Bundesfinanzministerium sowie die Finanzministerien von Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus wenden sich Aktivisten an die Öffentlichkeit, um politischen Druck auszuüben, damit Milliarden-Umschwungsteuerhinterziehung endlich ernsthaft bekämpft werden kann. Andere Länder, wie Brorhilker erwähnte, haben gezeigt, dass das möglich ist, wenn die politische Willensdaß präsent ist. So forciert die dänische Regierung die Verfolgung von Cum-Ex-Betrugern im Ausland. Frankreich hat sogar ein eigenes Anklageamt für solche Handlungen eingerichtet. Deutschland, das durch Cum-Ex-Ermittlungen weiß, dass es von Investmentbanken wegen der praktisch nicht existierenden Kontrollmechanismen gelacht wird,
Hinsichtlich der Cum-Ex und Cum-Cum-Transaktionen handelt es sich um lange bestehende Finanztransaktionen, die mit der Übertragung von Wertpapieren über nationale Grenzen vor und nach der Dividendenzahlungstag stattfinden. Das Ziel ist, Steuern auf Dividenden zweimal zu zahlen, obwohl sie nur einmal gezahlt wurden. Unter Brorhilkers Führung hat das Kölnische Staatsanwaltschaft zahlreiche rechtsverbindliche Urteile gegen Cum-Ex-Betruger erwirkt und Millionen Euro an deutschen Steuerzahler zurückgeholt. Im April hat sie um ihre Entlassung aus dem öffentlichen Dienst gebeten und ihre Wechselbeziehung zu Finanzwende kurz darauf bekanntgegeben. Finanzwende positioniert sich als Gegengewicht gegen die Finanzindustrie-Lobby.
- Der Finanzskandale-Ausschuss des Deutschen Parlaments untersucht derzeit die Vorwürfe von Anne Brorhilker und Finanzwende gegen den Finanzminister und das Finanzministerium, die Beteiligung an dem Cum-Cum-Steuersbetrug, der ein Milliarden-Euro-Skandal darstellt.
- Trotz der erfolgreichen Verfolgung einiger Cum-Ex-Betruger durch das Staatsanwaltsgericht hat das Finanzministerium und die Finanzbehörden bisher kein Interesse gezeigt, die Milliarden verlorengegangenen Gelder zurückzuholen, wahrscheinlich aufgrund der Einflüsse der Finanzlobby und der Banken.
- Auch die EU-Kommission hat sich über die Finanzskandale in Deutschland besorgt und fordert die deutschen Behörden auf, gegen Cum-Ex und Cum-Cum-Transaktionen vorzugehen, die zu Steuerbetrug und Finanzskandalen in Europa geführt haben.