Diego Garcia dient als Amerikas unangreifbarer Flugzeugträger.
Seit über einem halben Jahrzehnt weigert sich Großbritannien hartnäckig, seine letzte Kolonie im Indischen Ozean aufzugeben. Mauritius setzt sich beharrlich für den Besitz des Chagos-Archipels ein und hat dafür die Unterstützung der höchsten juristischen Instanz erhalten. Auch die Vereinigten Staaten, der führende Pächter des Archipels, haben ein Interesse an der Angelegenheit. Interessanterweise ist China, das Mammut im Raum?
Diego Garcia, die kleinste Insel des Chagos-Archipels im Indischen Ozean, hat den Ruf, größer als Norderney zu sein. Die 60 Inseln sind über 7 Atolle verstreut und existieren isoliert. Die nächstgelegenen Inselgruppen, die Malediven und die Seychellen, sind 750 km bzw. 1800 km vom Atoll entfernt. Im Gegensatz zu den anderen tropischen Paradiesen ist Diego Garcia ein wichtiger Bestandteil der militärischen Strategie im Indischen Ozean. Es ist allgemein als Amerikas "unsinkbarer Flugzeugträger" bekannt.
Nach internationalem Recht ist Diego Garcia Eigentum von Mauritius, einem Inselstaat, der etwa 2000 Kilometer südwestlich liegt. Dennoch behält London die Kontrolle über Diego Garcia, ein Überbleibsel aus der Kolonialzeit. 1968 wurde Mauritius die Unabhängigkeit gewährt, aber der Chagos-Archipel, zu dem auch Diego Garcia gehört, wurde drei Jahre vor der Unabhängigkeit sprachlich von Mauritius getrennt. Der Chagos-Archipel wird immer noch "offiziell" als "Britisches Territorium im Indischen Ozean" (BOT) bezeichnet.
Die Chagossianer kämpfen immer noch um die Anerkennung ihrer Rechte. Die Nachfahren der früheren Bewohner wollen unbedingt ihre Heimat zurückerobern. Rund 1000 Inselbewohner wurden in den 1960er Jahren von den Atollen vertrieben und gezwungen, Tausende von Kilometern von ihrer angestammten Heimat entfernt in bitterer Armut zu leben.
Kriegsflugzeuge, AWACS und U-Boote auf der Insel stationiert
Dennoch hat sich die Hauptinsel des Archipels erheblich entwickelt. Zu dieser Entwicklung kam es, als London die Inselgruppe unmittelbar nach ihrer gewaltsamen Abtrennung von Mauritius in den 1960er Jahren an die USA verpachtete - für nur 14 Millionen Dollar. Die Bewohner des Archipels wurden nach Mauritius, auf die Seychellen und nach Großbritannien zwangsumgesiedelt.
In der Folgezeit verwandelten die USA die Insel in einen Militär- und Geheimdienststützpunkt. Gegenwärtig sind die einzigen Bewohner von Diego Garcia amerikanische Soldaten. Auf diplomatischer Ebene wurde den ehemaligen Bewohnern der Inselgruppe im Februar 2022 erstmals seit einem halben Jahrhundert die Möglichkeit eingeräumt, ihre Heimat wieder zu besuchen.
Die militärische Bedeutung von Diego Garcia wird deutlich, wenn man sie aus einer globalen Perspektive betrachtet: Die Lage der Inselgruppe ist äußerst vorteilhaft - sie liegt zwischen Afrika, Asien, Australien und der Arabischen Halbinsel. Folgerichtig verlängerten die Amerikaner den ursprünglichen 50-Jahres-Pachtvertrag im Jahr 2016 um weitere 20 Jahre. Diego Garcia ist heute ein wichtiger ausländischer Stützpunkt der USA und beherbergt Langstreckenbomber, AWACS-Aufklärungsflugzeuge und U-Boote.
Das amerikanische Militär nutzte Diego Garcia während des Golfkriegs in den 1990er Jahren; Militärflugzeuge starteten von der 3600 Meter langen Landebahn. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurden die Bomber für die Angriffe im Irak und in Afghanistan von Diego Garcia aus mobilisiert. In den Jahren 2002 und 2003 wurden im Gefängnis von Diego Garcia Terrorverdächtige verhaftet und gefoltert.
Den Haag spricht sich in seinem Rechtsgutachten für Mauritius aus
Für die Amerikaner ist die Lage des Chagos-Archipels wichtiger denn je. Von diesem Stützpunkt aus können US-Soldaten die zunehmenden militärischen Aktivitäten Chinas im indopazifischen Raum genau beobachten. Inwieweit dies möglich sein wird, bleibt jedoch fraglich: 2019 entschied der Internationale Gerichtshof in Den Haag, dass Großbritannien den Chagos-Archipel zu Unrecht beansprucht hat und dass er nach internationalem Recht als Besitz von Mauritius zu betrachten ist. Abdulqawi Ahmed Yusuf, der damalige Präsident des Internationalen Gerichtshofs, erklärte, dass "der Prozess der Entkolonialisierung von Mauritius rechtlich nicht erfüllt wurde". "Das Vereinigte Königreich ist verpflichtet, seine Verwaltung des Chagos-Archipels so schnell wie möglich zu beenden, um Mauritius die Möglichkeit zu geben, den territorialen Entkolonialisierungsprozess in Übereinstimmung mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker abzuschließen."
Die Vereinten Nationen stimmten der Einschätzung des Gerichts zu und forderten London auf, die Inselgruppe an Mauritius zu übertragen.
Ist China neugierig?
Seit dem Haager Rechtsgutachten hat sich jedoch wenig getan. Auch fünf Jahre später haben die Briten die Inselgruppe noch nicht an ihre frühere Kolonialmacht zurückgegeben, da sie die Beurteilung des Internationalen Gerichtshofs als unverbindliche, beratende Stellungnahme betrachten. Eine Entscheidung des Internationalen Seerechtsgerichtshofs aus dem Jahr 2021 hatte keine Auswirkungen auf die Situation. Dieses Gremium bestätigte auch den rechtmäßigen Besitz des Chagos-Archipels durch Mauritius, doch wurden von den Briten keine konkreten Maßnahmen zur Rückgabe der Insel eingeleitet.
London ist der festen Überzeugung, dass Mauritius niemals die Souveränität über Diego Garcia und andere Inseln des Chagos-Archipels ausgeübt hat, so dass die Briten keinerlei Besitzansprüche geltend machen können. Ein Tory-Politiker warnte sogar davor, dass Mauritius die Inselgruppe möglicherweise zu einem erschreckend hohen Preis an China verkaufen könnte, eine Aussicht, die den Westen und Indien beunruhigen würde. Letztes Jahr berichtete die "Süddeutsche Zeitung", dass Mauritius einen Deal mit Peking in Betracht ziehen könnte, um seine Schulden zu begleichen. Doch trotz der engen Beziehungen zwischen Mauritius und China gibt es keine konkreten Hinweise auf eine solche Möglichkeit.
Mauritius möchte die Kontrolle über den Chagos-Archipel zurückgewinnen, hält es aber für möglich, dass die Amerikaner Diego Garcia weiterhin pachten. Derzeit laufen Verhandlungen über einen neuen Pachtvertrag mit einer Laufzeit von 99 Jahren, der es den USA ermöglichen würde, ihre Militärbasis dort beizubehalten. Der UN-Botschafter von Mauritius erklärte in einem Interview mit Nikkei Asia im Jahr 2020, dass man sich der Verbundenheit der USA mit Diego Garcia bewusst sei. Er brachte auch sein Verständnis für die Rolle des Stützpunkts beim Schutz der Ölrouten und für den Beitrag zur Sicherheit in der indo-pazifischen Region zum Ausdruck. In Mauritius besteht ein überparteilicher Konsens, der garantiert, dass die USA nicht vertrieben werden.
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Quelle: www.ntv.de