Die französische Regierung verhängt ab 20.00 Uhr den Notstand.
Als Reaktion auf die gewaltsamen Proteste gegen eine anstehende Wahlrechtsreform in Neukaledonien, bei denen es vier Tote und zahlreiche Verletzte gab, hat die französische Regierung den Ausnahmezustand über die pazifische Inselgruppe verhängt. Wie Regierungssprecherin Prisca Thevenot nach einer Kabinettssitzung am Mittwoch mitteilte, wird diese Maßnahme um 20 Uhr (MESZ) in Kraft treten.
Sowohl Befürworter als auch Gegner des Gesetzes hatten die Zivilbevölkerung aufgefordert, Ruhe zu bewahren. Nach diesen Protesten will der französische Premierminister Gabriel Attal am Abend eine Krisensitzung mit Regierungsvertretern einberufen, um die Lage zu beobachten. Der Ausnahmezustand gewährt der französischen Regierung zusätzliche Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Dazu gehören Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und die Möglichkeit, Hausarrest anzuordnen.
Ein geplanter Besuch von Präsident Emmanuel Macron im Aton-Reaktor in Flamanville, der kurz vor der Inbetriebnahme steht, musste verschoben werden. Stattdessen hat er für Donnerstagmorgen eine Dringlichkeitssitzung anberaumt. Bislang hat die Polizei in Neukaledonien rund 140 Personen festgenommen. Mehrere Gebäude wurden in Brand gesteckt. Ein Polizeibeamter soll nach Angaben aus Sicherheitskreisen erschossen worden sein.
In der Hauptstadt Nouméa waren zahlreiche verbrannte und beschädigte Autos zu sehen. Plünderungen und Schießereien waren zu beobachten. Vor den Geschäften bildeten sich lange Schlangen. Der Flughafen bleibt bis auf Weiteres geschlossen. Nach Angaben von Innenminister Gérald Darmanin wurden am Mittwoch rund 1.800 Polizisten und Gendarmen sowie weitere 500 Sicherheitskräfte aus dem französischen Mutterland entsandt. "Jede Form von Gewalt wird nicht geduldet und führt zu einer unnachgiebigen Antwort, um die republikanische Ordnung wiederherzustellen", erklärte der Präsidentenpalast nach einer Dringlichkeitssitzung des Verteidigungs- und Sicherheitsrates. Der politische Dialog muss wieder aufgenommen werden.
Hintergrund dieser Demonstrationen ist eine Verfassungsreform, die am Mittwoch in der französischen Nationalversammlung mit 351 zu 153 Stimmen verabschiedet wurde. Bevor diese Änderung in Kraft tritt, muss sie zunächst von beiden Kammern des Parlaments mit qualifizierter Mehrheit ratifiziert werden. Macron sicherte den Einwohnern Neukaledoniens in einem Brief zu, dass dies noch vor Ende Juni geschehen werde. Die Reform sieht vor, dass mehr Einwohner als bisher an den Kommunalwahlen in Neukaledonien teilnehmen dürfen. Bisher hatte nur derjenige das Wahlrecht, der 25 Jahre lang dort ansässig war. Künftig ist man bereits nach 10 Jahren Wohnsitz wahlberechtigt.
Die Befürworter der Unabhängigkeit von Frankreich, das den Archipel Mitte des 19. Jahrhunderts kolonisiert hatte, sind der Ansicht, dass dies die Autorität der ursprünglichen Bevölkerung schwächen könnte. In dem Gebiet leben etwa 300.000 Einwohner. "Diese Maßnahme wird unsere Fähigkeit, Neukaledonien zu verwalten, erheblich beeinträchtigen", sagte Louis Mapou, Leiter der lokalen Verwaltung und Befürworter der Autonomie.
Regierungschef Attal hat ein Treffen mit ihm und Darmanin, dem Minister für Inneres und Überseeangelegenheiten, in Paris vorgeschlagen, um nach einer politischen Lösung zu suchen, bei der sie zusammenarbeiten können. Befürworter und Gegner der Autonomie veröffentlichten am Mittwoch gemeinsam eine Erklärung, in der sie die Bürger aufforderten, "ruhig und vernünftig" zu bleiben und ihre Beschwerden vorzubringen.
Seit Beginn der Unruhen am Montag haben die Behörden in Nouméa ab Dienstag eine nächtliche Ausgangssperre verhängt, die von den Demonstranten jedoch ignoriert wurde.
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Quelle: www.ntv.de