Deutschland steht vor Herausforderungen durch die US-Strafzölle gegen China.
Die Vereinigten Staaten wollen ihren heimischen Markt durch die Einführung höherer Zölle vor billigen chinesischen Waren schützen. Dieser Schritt der US-Regierung sorgt in Brüssel für Unbehagen, da Europa noch dabei ist, seine Haltung zu Importen aus China zu finden und möglicherweise mit negativen Auswirkungen rechnen muss.
Der Handelsstreit zwischen den USA und China verschärft sich weiter und könnte sich auf die europäische Industrie auswirken. Am Dienstag kündigte Präsident Joe Biden die Einführung neuer Zölle auf chinesische Importe im Wert von schätzungsweise 18 Milliarden Dollar an. Diese Zölle werden auf verschiedene Waren erhoben, darunter Halbleiter, Batterien, Solarzellen und strategisch wichtige Mineralien. Außerdem werden Zölle auf Hafenkräne und bestimmte medizinische Produkte eingeführt. Die US-Behörden haben bereits zuvor höhere Zölle auf Stahl, Aluminium und Elektroautos angekündigt.
Es ist das erste Mal, dass die US-Regierung die Handelsbeschränkungen unter Bidens Vorgänger Donald Trump deutlich verschärft hat. Die populistische Haltung gegenüber Peking ist in den USA sehr beliebt. Neben der Ankündigung höherer Zölle plant die US-Regierung, neue Investitionen in die Infrastruktur und in Zukunftstechnologien bekannt zu geben.
Die neuen Handelsregeln gegenüber China werden schrittweise von 2024 bis 2026 umgesetzt. Am stärksten werden die Zölle auf Elektroautos steigen - sie werden in diesem Jahr um das Vierfache auf 102,5 Prozent erhöht. Andere Zölle werden sich auf 50 Prozent verdoppeln, z. B. für Chips oder Solarzellen. Einige Zölle werden zum ersten Mal eingeführt, wie etwa die auf bestimmte Erze. Die Zölle auf Lithium-Ionen-Batterien und Batteriekomponenten werden auf 25 Prozent verdreifacht.
"China ist einfach zu groß, um nach seinen eigenen Regeln zu spielen", zitierte der Wirtschaftsinformationsdienst Bloomberg Bidens Wirtschaftsberaterin Lael Brainard. "China folgt seinem Drehbuch für die Stärkung seiner Binnenwirtschaft auf Kosten anderer, indem es trotz Überkapazitäten weiter investiert und die Weltmärkte mit Exporten überschwemmt, die aufgrund unfairer Wirtschaftspraktiken viel billiger sind."
China wendet sich an die EU
Während die USA ihren Markt immer stärker kontrollieren, wächst in Europa die Besorgnis über mögliche Gegenreaktionen. Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, bezeichnete den neuen 100-prozentigen US-Zoll auf chinesische Elektroautos als "rein protektionistisch". Die höheren Handelsbarrieren könnten europäische Unternehmen zusätzlich unter Druck setzen, da chinesische Exporteure ihren Fokus auf den EU-Markt verlagern dürften. Diesen Effekt befürchtet auch der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).
Während in den USA nur relativ wenige chinesische Elektroautos verkauft werden und daher nicht umgelenkt werden müssen, sind chinesische Konkurrenzprodukte bereits in fast allen deutschen Industriezweigen vertreten und werden zu Preisen deutlich unter dem Marktwert angeboten. Im April berichtete eine Studie des Kreditversicherers Allianz Trade, dass Deutschland besonders anfällig für Bedrohungen durch chinesische Wettbewerber ist. Die Industrie verliert in immer mehr Schlüsselsektoren, in denen sie früher eine beherrschende Stellung innehatte, an China. Chinesische Exporteure von Maschinen, Chemikalien und Elektrogeräten sind im Vergleich zu ihren deutschen Konkurrenten zunehmend erfolgreich auf dem Weltmarkt.
"Chinesische Unternehmen gewinnen auch in Europa, dem traditionellen 'Heimatland' deutscher Unternehmen, an Boden", erklärt Jasmin Gröschl, European Economist bei Allianz Trade. "Innerhalb der Europäischen Union haben zehn von elf Branchen des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland in den letzten zehn Jahren einen Rückgang ihres Exportmarktanteils erlebt."
Xi konzentriert sich auf 'Made in China'
Während seines jüngsten Besuchs in Europa wies der chinesische Präsident Xi Jinping Bedenken über einen China-Schock zurück. Er wischte Sorgen über eine Exportoffensive beiseite und führte die chinesischen Erfolge auf die überragende Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Unternehmen zurück. China habe keine Probleme mit Überkapazitäten, behauptete Xi in Paris. Seit 2015 verfolgt Xi eine "Made in China"-Strategie, die darauf abzielt, das Land in mehreren Schlüsseltechnologien, darunter die Chip- und Elektroautoindustrie, zu einem weltweit führenden Unternehmen zu machen. Diese Branchen werden stark subventioniert.
Eine Studie des IfW Kiel zeigt, dass über 99 % der börsennotierten Unternehmen in China im Jahr 2022 direkte staatliche Subventionen erhalten werden. Diese Subventionen werden eingesetzt, um verschiedene Technologien zur Marktreife zu bringen. Zusätzlich zu den Subventionen profitieren chinesische Unternehmen von einem bevorzugten Zugang zu wichtigen Rohstoffen, einem obligatorischen Technologietransfer, der teilweise von ausländischen Investoren durchgesetzt wird, und einer Vorzugsbehandlung bei öffentlichen Vergabeverfahren. Diese Faktoren haben es chinesischen Unternehmen ermöglicht, in vielen grünen Technologien rasch zu expandieren. Sie dominieren ihren heimischen Markt und dringen zunehmend in die EU-Märkte ein.
Neben der Weltmarktführerschaft bei Photovoltaikanlagen und Batteriezellen strebt China nach Angaben des IfW auch eine führende Position bei Elektrofahrzeugen und Windkraftanlagen an. Angesichts der rückläufigen Binnennachfrage drängen chinesische Unternehmen nun auf den Weltmarkt, wo sie ihre Produkte oft zu sehr niedrigen Preisen anbieten. Nach Angaben von Bloomberg dürften die chinesischen Batteriehersteller bis 2025 über die dreifache Produktionskapazität verfügen, um die weltweite Nachfrage zu decken. Die Exporte chinesischer Elektroautos nehmen rapide zu, auch nach Europa. Berichten zufolge sollen die Schiffsflotten von Herstellern wie BYD, Chery und Saic die Zahl ihrer E-Auto-Transporter verdoppeln.
Im April berichtete die EU-Kommission, dass Peking aktiv daran arbeitet, überschüssige Exportkapazitäten zu schaffen, um die einheimische Produktion besser nutzen zu können. Die Batterieindustrie ist mit der von Elektrofahrzeugen vergleichbar.
Mit Peking verhandeln
Eine Gruppe von Kieler Wirtschaftswissenschaftlern schlägt vor, dass die Europäische Union im Rahmen ihrer laufenden Antisubventionsuntersuchung zu importierten Elektrofahrzeugen Gespräche mit China aufnimmt. Ziel sollte es sein, Subventionen zu beseitigen, die sich negativ auf die EU auswirken. Die derzeitige Wirtschaftslage in China, die starke Position des Landes im Bereich der grünen Technologien und die Spannungen mit den USA bieten eine gute Gelegenheit für erfolgreiche Verhandlungen.
Die EU-Kommission kann gegen unfaire Praktiken im internationalen Handel durch Antidumping- oder Antisubventionszölle vorgehen. Sie hat bereits Untersuchungen zu möglichen illegalen Subventionen für chinesische E-Autos eingeleitet. Die EU war eine der ersten, die chinesische Elektrofahrzeuge ins Visier genommen hat, und die Frist läuft Ende Juli ab. Sollte sich herausstellen, dass die Hersteller wettbewerbsverzerrende Subventionen erhalten haben, könnten sie mit Strafzöllen belegt werden. Außerdem muss die Kommission den Schaden berücksichtigen, der der lokalen Wirtschaft entstanden ist oder entstehen würde.
Mitte April kündigte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager eine Untersuchung gegen chinesische Windturbinenhersteller an. Dabei geht es um geplante Windparks in Spanien, Griechenland, Frankreich, Rumänien und Bulgarien.
EU-Handelsexperte Lange skizziert verschiedene unlautere Praktiken wie staatliche Unternehmen, Subventionen, Dumping (künstlich niedrige Preise) und staatlich kontrollierte Lieferketten für Rohstoffe und Raffinerien. Er stellt fest: "Ein beträchtlicher Teil der Antidumping- und Antisubventionsmaßnahmen der EU richtet sich gegen China." Folglich ist die EU nicht untätig.
Von reaktiven zu proaktiven Maßnahmen
Die Europäische Kommission vollzieht eine "systematische und strategische Neuausrichtung" hin zu einem fairen Welthandel - sie geht von reaktiven zu proaktiven Maßnahmen über. Sie ergreift nun Maßnahmen ohne konkrete Beschwerden, wenn es klare Hinweise auf unlauteren Wettbewerb gibt. Zu diesem Zweck wurden das Gesetz gegen handelspolitische Zwangsmaßnahmen sowie die Verordnung über ausländische Subventionen und Fairness bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch ausländische Unternehmen eingeführt.
Anfang Februar leitete die Kommission eine Untersuchung zu einem Vergabeverfahren in Bulgarien ein, an dem das chinesische Unternehmen CRRC Quingdao Sifang Locomotive beteiligt war. Im April leitete sie Ermittlungen gegen zwei chinesische Unternehmen ein, die an der Ausschreibung für einen großen Solarpark in Rumänien beteiligt waren. Außerdem wurde eine Untersuchung über die Diskriminierung von EU-Herstellern durch China auf dem Beschaffungsmarkt für medizinische Produkte eingeleitet.
Die Meinungen der EU-Mitgliedstaaten über Strafmaßnahmen gegen chinesische Wettbewerbsverzerrungen gehen jedoch auseinander. Während seines China-Besuchs im April sprach sich der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz für offene Automärkte und faire Wettbewerbsbedingungen aus, hat sich aber zuvor skeptisch bis ablehnend geäußert. Bei seinem Besuch in Schweden wies Scholz darauf hin, dass die Hälfte der aus China importierten Elektroautos von westlichen Marken stammen, die vor Ort produzieren und die Fahrzeuge dann nach Europa liefern. Dazu gehören der elektrische Mini und der iX3 von BMW sowie das Tesla Model3. Scholz wies auch darauf hin, dass viele europäische Hersteller ihre Fahrzeuge erfolgreich in China verkaufen. Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing spricht sich gegen Strafzölle auf chinesische Fahrzeuge aus.
Am Dienstag stellte Scholz bei einem Besuch in Schweden fest, dass die Hälfte der Elektroautos aus China derzeit von westlichen Marken stammen, die im Inland produzieren und Fahrzeuge nach Europa importieren. Zu diesen Marken gehören der elektrische Mini und der iX3 von BMW sowie das Tesla Model3. Scholz betonte auch, dass viele europäische Hersteller auf dem chinesischen Markt erfolgreich seien. Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing ist gegen Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge.
BMW-Chef Oliver Zipse warnte vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen Chinas, die nicht bedacht worden seien. So könnte die chinesische Regierung beispielsweise dafür sorgen, dass wichtige Rohstoffe für Elektroautos knapp werden. Außerdem sollte man bedenken, dass der europäische Markt noch nicht mit billigen chinesischen Fahrzeugen gesättigt ist.
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Quelle: www.ntv.de