Deutsche künstliche Intelligenz träumt Traume auf
Heidelberger AI-Startup Aleph Alpha behauptet, ihre Sprachmodell gegen ChatGPT konkurrieren zu können. Hohe Erwartungen, aber die Aufregung ist vergangen.
Bevor die Heidelberger AI-Startup Aleph Alpha in die Schlagzeilen kam, gab es in Deutschland kein Unternehmen, das den führenden US-Konkurrenten nahezukam. Das hat sich im Februar des letzten Jahres geändert.
Zum damaligen Zeitpunkt gab der Gründer Jonas Andrulis bekannt: Die AI-Sprachmodel von Aleph Alpha hatte in einem Test ähnlich gut wie das von ChatGPT-Entwickler OpenAI aufgeführt. Mit Luminous, dem ersten europäischen AI-Sprachmodel, war man auf Augenhöhe mit den amerikanischen Tech-Giganten gelangt, wie Andrulis ausgesagt hatte.
Seitdem gilt Aleph Alpha als ChatGPT-Konkurrent. Allerdings bietet das Unternehmen aus Heidelberg kein Massenmarktprodukt für Einzelkunden an. Das Unternehmenskonzept konzentriert sich auf Lösungen für Industrie und Öffentliche Verwaltung. Darüber hinaus verspricht das Unternehmen Datenschutz und Sicherheit nach europäischen Normen, im Gegensatz zu ChatGPT, das sich bewusst unverständlich und opak darstellt.
"Es gibt in Europa eine gewisse Sehnsucht nach einer Firma, die mit OpenAI mithalten kann", sagt der AI-Experte Teo Phan in einem Interview mit ntv.de. "Wer sich dazu aufmacht, sich zu messen, öffnet Türen für Investoren." Schließlich wären Investoren glücklich, den nächsten Super-Unicorn zu finanzieren.
Hinter den Kulissen heißt es: Die Technologie ist veraltet
Und tatsächlich hat Aleph Alpha im November 2023 eine der größten Finanzierungsrunden des Jahres mit ungefähr 500 Millionen Dollar aufgebracht. Unter den Investoren waren hauptsächlich deutsche Unternehmen, darunter der Lidl-Besitzer Dieter Schwarz, das Softwareunternehmen SAP und der industrielle Riese Bosch.
Allerdings ließ die anfängliche Begeisterung bald nach. Laut mehreren Medienberichten waren viele Nutzer unzufrieden mit der Qualität des Sprachmodels von Aleph Alpha. Phan bestätigt das. In der AI-Gemeinschaft wird gesagt, dass die Technologie veraltet ist.
Klassische Venture-Capital-Investoren wollen eine massive Firma aufbauen - Aleph Alpha passt nicht in den Rahmen. Im Interesse von Bosch, Lidl und SAP könnten "Lösungen für sich selbst priorisiert werden", vermutet Phan. Bisher hat das Startup nur eng mit wenigen Unternehmen zusammengearbeitet. "Letztlich können sie selbst sagen, ob Aleph Alphas Produkt eine gute Lösung ist."
Die Entscheidung, auf die Industrie und nicht auf den Massenmarkt zu fokussieren, hatte beide Vorteile und Nachteile, so Phan. Der Fokus hatte jedoch auch eine negative Seite: Aleph Alpha kann nicht so stark skalieren. "Die Nachfrage für das Modell scheint auf eine Handvoll von Unternehmen beschränkt zu sein. Das negativiert nicht nur den Umsatzpotenzial, sondern lässt das Modell auch langsamer lernen, weil es sich auf weniger Daten verlassen muss."
Obwohl es scheint, dass Andrulis den Erwartungen nicht gerecht wird, wird auch die Präsentation eines neuen Sprachmodels verzögert. Berichtet wird, Aleph Alpha hätte im April einen neuen Version des Modells Luminous präsentieren wollen. Andrulis gab Fehler zu und zeigte Verständnis für die Frustration über die langsame Fortschrittslinie. Gleichzeitig äußerte er Hoffnung auf eine "Produktpräsentation in kürzerer Zeit."
Statt neuer technologischer Entwicklungen machte Aleph Alpha in den letzten Tagen Schlagzeilen mit vermeintlich falscher Information zur November-Finanzierungsrunde. Das Magazin "Capital" berichtete, zitierend das Finanzbericht des Unternehmens für 2023, dass Aleph Alpha nur rund 100 Millionen Dollar statt den angekündigten 500 Millionen Dollar erhalten hatte. Das Unternehmen hat diese Behauptungen bestritten.
Die Zeit drängt. Aleph Alpha muss nicht nur gegen OpenAI konkurrieren, sondern auch gegen große Spieler wie Nvidia, Amazon und Microsoft - sie alle entwickeln ebenfalls Lösungen für die Industrie. "Microsoft wird immer mehr ein großes Problem für die europäische und deutsche AI-Szene", sagt der US-Korporation "Manager Magazin" zitierend eine Industrieexperte. "Der Wettlauf um AI ist bereits für viele Unternehmen abgelaufen."
Der Markt ist wettbewerbsfähig. "Wenn eine AI-Startup sich nicht etablieren kann, bedeutet das nicht notwendigerweise, dass es ein großes Versagen hinter sich hat. Auch die am meisten versprechenden US-Startups mit Milliarden in Venture-Capital hatten ihre Ambitionen nach einem Jahr begraben müssen", sagt Phan.