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Das Dilemma der Samariter: Warum politische Entscheidungsträger bei der Einführung einer Pflichtversicherung vor Herausforderungen stehen.

Ist es gerecht, Grundstückseigentümern eine obligatorische Elementarschadenversicherung gegen Hochwasserschäden aufzuerlegen? Diese Debatte wird schon seit geraumer Zeit geführt, wobei die Steuerzahler immer wieder die Rechnung für nicht versicherte Schäden bezahlen müssen. Abwägung der Vor-...

Samariter-Dilemma statt Elementarschadenversicherung: Markus Söder und Olaf Scholz stehen in...
Samariter-Dilemma statt Elementarschadenversicherung: Markus Söder und Olaf Scholz stehen in Gummistiefeln vor den schweren Regenfluten

Naturkatastrophen - Das Dilemma der Samariter: Warum politische Entscheidungsträger bei der Einführung einer Pflichtversicherung vor Herausforderungen stehen.

Nach dem verheerenden Hochwasser im Jahr 2002 wurde die Idee einer Haftpflichtversicherung gegen katastrophale natürliche Ereignisse in Erwägung gezogen. Zu dieser Zeit hatte sich eine gemeinsame Aufgabstruppe des Bundes und der Länder gebildet, die zwei Jahre später ohne eindeutige Ergebnisse wieder aufgelöst wurde. Nach den schweren Regenfällen, die im Ahrtal zu überraschenden Hochwassern führten, wurden diese Diskussionen wiederbelebt. Es ist möglich, dass diese Art von Versicherung eine Realität werden könnte, wenn die Bundesregierung im Sommer ihr Einverständnis gibt.

Die Bundesländer drängen voran: Im März 2023 haben sie im Bundesrat eine Einigung erzielt, "das Ziel einer Haftpflichtversicherung gegen Naturkatastrophen" zu verfolgen. Die Bundesregierung wird bald eine einheitliche Lösung vorlegen.

Die lange, windige Straße zur Haftpflichtversicherung gegen Naturkatastrophen

Dies ist die zweite Versuchsserie seit dem Hochwasser im Ahrtal. Der letzte Versuch wurde von der Bundesregierung aufgrund der Befürchtungen über die möglichen finanziellen Belastungen für Versicherte gestoppt. Die rot-grüne Koalition damals wollte keine "weitere schwere Belastung" aufgrund steigender Energiepreise in einer Zeit, als Russland die Ukraine einfiel und Inflation aufkam.

Jetzt, während der dritten Versuchsserie: Seit Dezember treffen sich ein Arbeitskreis aus der Bundesregierung und den Ländern, um die Ergebnisse mit der Bundeskanzlerin Olaf Scholz (SPD) und den Landesministern am 20. Juni zu verhandeln.

Nur knapp die Hälfte der Häuser in Deutschland ist gegen Überschwemmungen versichert

Ein typisches Haushalt hat zwei Arten von Versicherungen - Inhaltsversicherung und Gebäudeversicherung. Beide können mit oder ohne Schutz gegen Naturkatastrophen abgeschlossen werden.

In der laufenden Diskussion geht es um die Versicherung der Gebäude. Aus den insgesamt 8,5 Millionen Gebäudeversicherungsverträgen sind nur die Hälfte mit Schutz gegen Überschwemmungen versehen. Neben dem Risikoniveau ist oft die hohe Kostenlast der Prämien der Grund dafür, dass viele Wohnungseigentümer diese Deckung ignorieren.

Das Rätsel "Warum versichern sich nicht mehr Leute?"

Niemand will ein großes Hochwasser erleben, das so selten vorkommt, also ignorieren sie die möglichen Risiken. Daneben gibt es das "Samaritansdilemma", wonach der Staat nicht stehen bleiben kann und Schäden abdeckt, wenn es zu einem Desaster kommt. Der Staat würde sich nicht zurückhalten, und gute Bürger geben finanzielle Unterstützung.

Darum ignorieren viele Haushalte die Versicherung als unnötig. Das führt zu höheren Prämien für andere.

Müssten alle versichert sein? Zwei Gruppen unterstützen diese Idee, da sie glauben, dass fast alle Haushalte unter einer rechtlichen Pflichtversicherung versichert wären. Der Staat würde nicht eingreifen müssen, und niemand würde seinen Lebensunterhalt verlieren. Es wäre ungerecht, dass Steuerzahler, die keine Häuser besitzen, sondern den Steuerbeitrag beitragen, die Kosten für die Schäden von Hochwasserträgern tragen müssen.

Eine Verantwortungsbasierte Versicherung, ähnlich wie das Autoversicherungsmodell, könnte die Lösung sein. Die Prämien würden sich nach dem Standort des Hauses und den Sicherheitsmaßnahmen richten. Das würde die Haushalte dazu motivieren, ihre Häuser zu verbessern, um den Beitrag zu reduzieren.

Andererseits werden jährlich mehr als 270.000 Häuser in hochgefährdeten Überschwemmungszonen gebaut.

Was könnte schiefgehen mit diesem Plan?

Persönliche und vertragliche Freiheit sind wichtige Werte. Jeder sollte die Möglichkeit haben, einen Vertrag einzugehen oder nicht. Während viele Arten von Versicherungen eine Pflichtversicherung erfordern, ist eine Versicherung, die sich auf selbstverursachte Schäden bezieht, selten.

Wie würde die Regierung eine rechtliche Pflichtversicherung durchsetzen?

Wenn eine Pflichtversicherung eingeführt wird, könnten die finanziellen Belastungen für einige Haushalte zu hoch sein. Zum Beispiel in Hochrisikogebieten, z.B. Klasse 4, passiert ein Hochwasser etwa alle zehn Jahre. Hier könnte eine Versicherung mit einem niedrigen Selbstbeitrag für ein Standard-Einzelhaus zwischen hunderten und tausend Euro jährlich kosten.

Es gibt auch die Frage der kleinen und online Versicherungen. Eine rechtliche Pflichtversicherung würde ein verlustanfälliges Geschäftsmodell für diese Organisationen darstellen. Sie hätten Schwierigkeiten, die Risiken in Gebieten mit wenigen versicherten Personen abzudecken, wo seltene und teure Ereignisse passieren können. Außerdem würden kleine online Unternehmen mit den logistischen Herausforderungen konfrontiert, die ein Haus besuchen, um es zu inspizieren.

Auch für Menschen mit sehr geringem Risiko und geringen Bedrohungen müssen die Kosten der Versicherung tragen. Schätzungen reichen von 50 bis 100 Euro pro Jahr. Zwar sind diese Kunden wichtig, um die Versicherungen konkurrenzfähig zu halten.

Das Rechtsproblem einer Haftpflichtversicherung gegen Naturkatastrophen

Was sind die rechtlichen Implikationen einer Haftpflichtversicherung gegen Naturkatastrophen?

Die Bundesregierung untersucht die Möglichkeit, eine Pflichtversicherung für Einzelpersonen einzuführen, je nach persönlichem Risiko und Kostenwirksamkeit. Dies folgt dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Fall der Langzeitpflegeversicherung, das die Gesetzgeberkompetenz im Präventionsbereich anerkannt hat. Dieses Urteil könnte auch auf eine Grundschadensversicherung anwendbar sein.

Trotzdem ist die Kostenlast der Versicherung eine Besorgnis. Das GDV schätzt, dass die Versicherungsraten innerhalb der nächsten zehn Jahre möglicherweise verdoppeln könnten, bedingt durch den Klimawandel. Einige besorgte Stimmen, wie Verbraucherverbände, fordern soziale Entschädigung für Versicherungsprämien.

Versicherer benötigen ebenfalls Versicherung: Bei schweren Schäden gibt es Institutionen, die Reinsurer genannt werden, wo Versicherer sich vor der Unfähigkeit, ihre Pflichten zu erfüllen, schützen können.

Bei der ersten Versuchung im Jahr 2003 war dies ein umstrittener Punkt: Ist der Staat bereit, das Risiko mit den Versicherern zu teilen, indem er eine Garantie bietet? Zu der Zeit wurde die vorgeschlagene Summe auf 22 Milliarden Euro geschätzt, was viele Politiker erschreckte. Mit den jüngsten Überschwemmungsschäden hat sich diese Furcht wahrscheinlich verloren: Die Bundesregierung hat für die Wiederaufbauarbeiten im Ahrtal bereits 15 Milliarden Euro bereitgestellt.

Politische Spaltungen

Die Länder drängen jetzt: In den letzten Tagen haben die Ministerpräsidenten Malu Dreyer (SPD, Rheinland-Pfalz), Markus Söder (CSU, Bayern) und Hendrik Wüst (CDU, Nordrhein-Westfalen) alle erneut auf die Notwendigkeit einer Pflichtversicherung hingewiesen. Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) war besonders direkt in der Kritik an der Unwillingheit des Bundesjustizministers: "Ich verstehe nicht, wie der Bundesjustizminister das ausstehen und erlaubt, dass Tausende von Menschen leiden und die Steuerzahler in Saarland erneut für die Schäden aufkommen."

Das Bundesjustizministerium ist eine der Hauptgegner einer Pflichtversicherung und verweist auf die finanzielle Belastung für die Hausbesitzer als entscheidenden Faktor. Der Hausbesitzerverband Haus & Grund lehnt diese Maßnahme ab. Laut Präsident Kai Warnecke würde dies nicht ein einziges Schadensereignis verhindern.

Die CDU/CSU-Fraktion sucht einen Kompromiss: Obwohl sie keine Pflichtversicherung unterstützt, plant sie, eine neue Anstrengung zu starten, um die Anzahl der Versicherten deutlich zu erhöhen. Die Parlamentsgruppe plant, im Bundestag eine Abstimmung zu initiieren, die die Naturkatastrophenversicherung automatisch in die Regelversicherung für alle Versicherten nach einem bestimmten Datum einschließt. Jene, die dies nicht wollen, können innerhalb einer bestimmten Frist nach Information über die Folgen aussteigen.

Regierung Scholz zieht seine Regenstiefel an

Es wäre nicht unmöglich, dass eine Pflichtversicherung wie dies geschehen wäre. Es ist schwierig, Hausbesitzern eine Versicherung aufzuzwingen. Autos werden nicht mehr verwendet, wenn sie keine Haftpflichtversicherung haben; Häuser können nicht dekommissioniert werden. Eine mögliche Lösung wäre, die Eigentümersteuern zu erhöhen. Die tatsächliche Konsequenz für diejenigen, die keine Pflichtversicherung abschließen, wäre, dass sie keine Hilfe mehr von denen erhalten, die sie abgeschlossen haben.

Der Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich bisher über die Frage der Versicherungshaftpflicht nicht geäußert, aber am Montag hat er in Bayern einen Besuch zum Überblick über die Überschwemmungssituation zusammen mit anderen Politikern mit Regenstiefeln gemacht. Er sagte in Reichertshofen: "Solidarität ist, was wir als Menschen am meisten brauchen." "Wir werden als Bundesregierung alles tun, um beizutragen und schnellerer Hilfe leisten."

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