China baut Kohlekraftwerke, die es wahrscheinlich nicht nutzen wird.
China hat sich zu einer dominierenden Kraft im Bereich der erneuerbaren Energien entwickelt, indem es Solaranlagen mit einer gewaltigen Kapazität von 216 Gigawatt im Jahr 2020 installierte und die Preise weltweit um 50 % senkte. Gleichzeitig hat das Land Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von 49 GW im Jahr 2023 in Betrieb genommen und den Bau weiterer 70 GW in Angriff genommen - 19 Mal mehr als der Rest der Welt! Diese Besonderheit erklärt Barbara Pongratz von der Universität Bremen mit den Worten: "Kein Land denkt Wirtschaft und Klima so gut zusammen wie China." Der Kern von Chinas Energiewende-Strategie dreht sich um Sicherheit, erklärt Pongratz, eine führende Autorität auf dem Gebiet der chinesischen Umwelt- und Klimapolitik, die diesen Ansatz als "erst bauen, dann zerstören" bezeichnete. Es ist jedoch anzumerken, dass nicht alle chinesischen Provinzen mit der umweltfreundlichen Vision von Xi Jinping, Xi Jinping, einverstanden sind. Einige fürchten das Ende ihres Wohlstands und erkennen, dass sie sich bei Energieknappheit nicht auf die Nachbarländer verlassen können.
Seltsam. China hat im letzten Jahr mehr Solarzellen aufgestellt als der Rest der Welt zusammen, aber es werden immer noch Kohlekraftwerke gebaut. Erzählen Sie mir mehr darüber.
China macht erhebliche Fortschritte bei seiner Energiewende, aber man kann diese Fortschritte durchaus als gemischt bezeichnen. China investiert zwar stark in erneuerbare Energien, baut aber auch in erstaunlichem Tempo Kohlekraftwerke aus. Da Kohle 56 % des chinesischen Energiemixes ausmacht, ist es nicht verwunderlich, dass dieser Brennstoff eine verlässliche, um nicht zu sagen entscheidende Quelle für verschiedene Industrien ist. Aber es geht nicht nur um Energieunabhängigkeit - man spricht davon, dass Kohle eine zuverlässigere Energiequelle ist als Gas.
Aber bildet China nicht gerade Kohlekraftwerke für sich selbst aus?
China importiert eine Menge Kohle, aber das Hauptziel ist die Energieautarkie. Sie argumentieren, dass die Gasreserven nicht so reichlich vorhanden sind wie Kohle, weshalb sie sich immer auf die Kohle konzentriert haben. Auch der schlecht entwickelte Energiemarkt in China spielt eine Rolle - er erschwert den Handel mit anderen Ländern, aber das ist nicht der einzige Grund. Auch die verworrene politische Struktur spielt eine Rolle: Bis vor kurzem hatten die Provinzen die Kontrolle über ihre Energieversorgung, aber Peking hat die Kontrolle zurückerobert. Es gab bereits Versuche, Klimaziele festzulegen, aber das hat bei den letzten Stromausfällen im Jahr 2022 nicht so gut geklappt.
Die Provinzen wollten also sicherstellen, dass sie genug Energie haben, und genehmigten deshalb mehr Kohlekraftwerke?
Seit 2014 sind die Provinzregierungen für die Überwachung der Energieversorgung zuständig. Dabei kam es jedoch zu gewissen Fehleinschätzungen, die dazu führten, dass zu viele neue Kohlekraftwerke gebaut wurden. Das chinesische Stromnetz befindet sich noch im Aufbau, so dass die Provinzen nicht auf die Hilfe der Nachbarregionen zählen konnten.
Moment, kein Strommarkt? Kohleverstromung und Stromimporte sind also nicht reguliert?
Ja, das ist richtig. Der chinesische Strommarkt entspricht bei weitem nicht den internationalen Standards in Bezug auf Effizienz und Management.
Moment, so viele Kohlekraftwerke werden geplant, weil die Provinzen nicht auf andere Provinzen oder Importe zählen können?
Ganz genau. Die Stromnetze in China sind ineffizient, so dass Energieimporte unpraktisch sind. Außerdem wollen sie unabhängig sein, also bauen und genehmigen sie mehr Kohlekraftwerke. Der Plan sieht jedoch vor, zunächst das System der erneuerbaren Energien aufzubauen und dann die Kohle auslaufen zu lassen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Emissionen sofort gesenkt werden können oder ob sie zunächst auf einem Plateau verharren, bevor sie zurückgehen. China hat sich verpflichtet, den Höhepunkt der CO2-Emissionen bis 2030 zu erreichen und bis 2060 kohlenstoffneutral zu sein. Dieser Zeitplan ist schneller als der vieler westlicher Länder, mit dem sie sich gerne brüsten.
China macht also schneller Fortschritte als andere Länder. Aber wann wird der Anteil der Kohle am Energiemix des Landes sinken?
Der Plan sieht vor, den Kohleverbrauch nach 2030 zu reduzieren. Die Frage ist, ob die Emissionen sofort sinken werden oder ob es zunächst ein Plateau geben wird. In jedem Fall ist das Ziel die Kohlenstoffneutralität im Jahr 2060. Das ist etwas anderes als in den westlichen Ländern, wo der Kohleverbrauch bereits stark zurückgegangen ist. China behauptet, es ginge schneller.
Die EU und die USA haben ihren Höchststand an Kohlenstoffemissionen bereits in den 1990er Jahren erreicht und sind seither rückläufig. Das Ziel ist jedoch, bis 2050, also 60 Jahre später, kohlenstoffneutral zu werden. China hingegen hat sich seit den 1980er und 1990er Jahren rasant entwickelt und verzeichnet seither nur noch steigende Emissionen. Es wird erwartet, dass es seinen Höhepunkt vor 2030 erreichen wird. China brüstet sich oft damit, dass es in 30 Jahren das erreichen wird, wofür die USA und Europa 60 Jahre brauchen.
Ein gängiges Argument ist, dass China noch ein Entwicklungsland ist und die Emissionen noch nicht reduzieren muss. In der UN-Klimarahmenkonvention von 1992 wird zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern unterschieden. Angesichts des relativ niedrigen Pro-Kopf-Einkommens und der enormen Ressourcen Chinas ist diese Unterscheidung jedoch nicht mehr gültig. Als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt sollte China seine Position neu überdenken.
Können wir erwarten, dass China seine Ziele einhält und die Emissionen ab 2030 tatsächlich reduziert, wenn es weiterhin so massiv in Kohle investiert?
Ja, angesichts der bisherigen Erfolge Chinas ist es wahrscheinlich, dass das Land seine Ziele erreichen wird. China setzt sich konservative Ziele und übertrifft sie oft. Das liegt zum Teil daran, dass sich Xi Jinping als Staatschef und Generalsekretär der Kommunistischen Partei persönlich für die Einhaltung langfristiger Ziele einsetzt, etwa für die Aufrechterhaltung der Legitimität der Kommunistischen Partei, den Ausbau wirtschaftlicher und technologischer Stärken und den Klimaschutz. China will bis 2030 eine Kapazität von 1200 Gigawatt an erneuerbaren Energien aufbauen, ein Ziel, das wahrscheinlich schon in diesem Jahr erreicht werden wird.
Wie soll das erreicht werden? In Deutschland wird viel über Netzausbau und Flächenerwerb diskutiert. Ist dieser Ansatz in China anders?
China denkt Wirtschaft und Klima zusammen und macht es besser als jedes andere Land. Elektrofahrzeuge, Batterien und Solarenergie sind die drei neuen Industrien. Auf diese Branchen entfielen im vergangenen Jahr 40 % des BIP-Wachstums.
Wo liegen in China im Vergleich zu Europa und den USA die Herausforderungen beim Übergang zu saubereren Energiequellen?
Die größte Herausforderung ist die Schaffung eines effizienten und einheitlichen Energiemarktes. Die Umsetzung der Reformen ist extrem langsam. Die Provinzen, ihre Wirtschaft und ihre Arbeitsplätze sind in hohem Maße von der Kohleindustrie abhängig, so dass es für die Provinzen schwierig ist, aus der Kohle auszusteigen.
Was passiert, wenn China mehr Solarzellen produziert, als die Welt braucht?
Es geht eher um die Kapazität und den Verbrauch. Viele Kohlekraftwerke werden nur zu Spitzenzeiten genutzt, wenn der Stromverbrauch besonders hoch ist. Zum Beispiel im Sommer, wenn die Klimaanlagen stark genutzt werden. Um dieses Problem zu lösen, ist ein Energiebinnenmarkt von entscheidender Bedeutung. Dieser soll 15 Jahre dauern, eine lange Zeit im Vergleich zum Tempo anderer Projekte in China. Die Schaffung eines Energiebinnenmarktes birgt zwar die Gefahr eines Überangebots an Kohlekraftwerken, würde aber auch andere Probleme wie die Abhängigkeit der Provinzen von der Kohleindustrie und den Verlust von Arbeitsplätzen in bestimmten Branchen lösen. Im Vergleich dazu musste Deutschland während des Übergangs weg von der Kohle in Gebieten wie der Lausitz und dem Ruhrgebiet neue Industrien entwickeln und Arbeitnehmer umschulen.
Interview mit Barbara Pongratz von Clara Pfeffer und Christian Herrmann für den Podcast "Klima-Labor"
Ähnlich wie zu der Zeit, als die Kohle in der Lausitz und im Ruhrgebiet die dominierende Industrie war, mussten ganze Regionen neue Arbeitsplätze schaffen und Menschen umschulen, wenn sie von der Kohle weggingen.
Ja, das war in den 80er und 90er Jahren. Seitdem hat die wirtschaftliche Entwicklung in den Bundesländern oberste Priorität. Parteifunktionäre und Beamte sind nach wie vor der Meinung, dass das Wirtschaftswachstum oberste Priorität hat. Dies wird oft mit einer starken Kohleindustrie in Verbindung gebracht. Seit 2013, als Xi Jinping neuer Staatschef wurde, haben nachhaltige Ziele jedoch an Bedeutung gewonnen. Das Engagement für die Energiewende und ihr Tempo werden durch die Anpassung der Zielvorgaben für lokale Beamte demonstriert.
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Wärmeeffizienz in Zementwerken in China: Regional unterschiedliche Reformfortschritte
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Quelle: www.ntv.de