- "Alarmierende Bildoberflächen": Die Sorgen der Branche werden aufgeworfen
Warnsignale schrillen in der deutschen Industrie. Sie ist stärker belastet als je zuvor, mit rund 20 % ihres industriellen Wertes auf dem Spiel, wie eine vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) unterstützte Studie zeigt. Um ihre globale Wettbewerbsfähigkeit bis 2030 zu erhalten, sind zusätzliche 1,4 Billionen Euro an öffentlichen und privaten Investitionen erforderlich.
Am Dienstag in Berlin zeichnete BDI-Präsident Siegfried Russwurm ein düsteres Bild. Deutschland ist in den letzten Jahren in fast allen Bereichen gegenüber anderen Nationen zurückgefallen und hat ein fundamentales Standortproblem. Die Gefahr der Deindustrialisierung durch den stillen Abgang und die Aufgabe zahlreicher kleiner und mittelständischer Unternehmen steigt stetig.
Industrie-Sirenengesang
Am Dienstag präsentierten der BDI gemeinsam mit der Strategieberatung Boston Consulting Group und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) eine umfassende Analyse, die sowohl die Stärken als auch die Chancen der deutschen Industrie mit Millionen von Beschäftigten hervorhebt. Die Ergebnisse sind für die Industrie so besorgniserregend wie ein Bericht des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten und EZB-Präsidenten Mario Draghi zur Lage der EU. Draghi warnte, dass die europäische Wirtschaft deutlich innovativer werden müsse, um nicht in der Konkurrenz mit den USA oder China abgehängt zu werden.
Der BDI bezeichnet die Ergebnisse als Weckruf. "Die Probleme im Land mehren sich", sagte Russwurm. Die Industrie trägt mit rund 20 % des Bruttoinlandsprodukts Significantly mehr zum Wohlstand des Landes bei als die meisten anderen entwickelten Volkswirtschaften. "Allerdings ist das Geschäftsmodell Deutschlands derzeit in großer Gefahr."
Viele Schwachstellen
Russwurm nannte steigende Energiepreise, veraltete Verkehrsinfrastruktur, ein nicht wettbewerbsfähiges Steuersystem und politische Unsicherheiten. Hinzu kommen hohe Lohnkosten, ein wachsender Arbeitskräftemangel, übertriebene Bürokratie, langsame Entwicklung der Stromnetze und langsame Digitalisierung.
Insbesondere die Verbreitung von Glasfaser für moderne digitale Anwendungen in Deutschland liegt deutlich hinter anderen Ländern zurück. Mit einer aktuellen Verbreitung von nur 39 % hinkt Deutschland Ländern wie Spanien oder Frankreich in diesem Bereich hinterher. "Die digitale Infrastruktur Deutschlands ist somit schlecht gerüstet für die bevorstehende AI-Revolution", lautet das Fazit der Studie.
Wacklige Fundamente
Im Gegensatz zu früher können diese Wettbewerbsnachteile nicht mehr durch die traditionellen Stärken der deutschen Industrie - Produktivität und Innovation - ausgeglichen werden. Zudem "haben gleichzeitig mehrere Pfeiler des deutschen industriellen Erfolgs an Bedeutung verloren: Die Ära günstiger fossiler Gasimporte ist aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine voraussichtlich für absehbare Zeit vorbei." Es wird auch darauf hingewiesen, dass ein Vorteil in Bereichen wie der Verbrennungsmotorentechnologie an Bedeutung verliert.
Vor allem die deutsche Automobilindustrie und Unternehmen im fossilen Energiesektor müssen mit einem schrumpfenden globalen Markt für ihre Kerntechnologien rechnen. Ohne dringende Maßnahmen droht Deutschland eine scenario der allmählichen Deindustrialisierung, bei dem energieintensive Industriezweige ihre Produktion zunehmend an andere Standorte verlagern, der Automobilsektor in der Elektromobilität einen erheblichen Marktanteil verliert und deutsche Unternehmen in zukünftigen Technologien zurückbleiben.
IW-Direktor Michael Hüther betonte in Bezug auf die Verflechtung von Industriezweigen, dass die Schwäche eines Zweigs in Krisensituationen die gesamte Wertschöpfung gefährden könnte.
Russwurm forderte eine "große Initiative" in der Politik, um Deutschland in der globalen Konkurrenz voranzutreiben und Klimafreundliche Wirtschaftstransformationsziele zu erreichen. Branchen wie Stahl müssen ihre Produktionsprozesse anpassen.
Deutschland müsse sich als industrielles Land neu erfinden, lautet das Fazit der Studie. Diese Transformation erfordert einen der größten Aufwände seit der Nachkriegszeit.
Hohe Preise
Russwurm bezeichnete die genannten 1,4 Billionen Euro an Investitionen als "astronomische Geldsumme". Doch das Unterlassen der Transformation würde noch teurer. Insbesondere involve die Summe signifikante Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Gebäude - sowie die Reduzierung von Abhängigkeiten in kritischen Produktversorgungsketten und die "Grünung" der Industrie.
Mehr als zwei Drittel der 1,4 Billionen Euro würden private Investitionen sein, doch es gibt derzeit unzureichende staatliche Anreize, um Unternehmen zum Investieren zu bewegen. Dennoch hat Deutschland in Bereichen wie Klimatechnologien, industrieller Automatisierung und Gesundheit eine starke Ausgangsposition, um neue industrielle Wertschöpfungsketten aufzubauen.
Regierungspläne unzureichend
Die Wirtschaft erlebt derzeit einen Wachstumseinbruch. Die Bundesregierung arbeitet an der Umsetzung einer "Wachstumsinitiative" - geplant sind Verbesserungen der Investitionsabschreibungen, Reduzierung der Bürokratie und Anreize für längere Arbeitszeiten. Doch der BDI findet diese Pläne unzureichend. Der Verband fordert fundamentale Reformen, wie in Steuern und Energie. Zum Beispiel benötigen energieintensive Industrie gezielte finanzielle Unterstützung und besseren Zugang zu niedrig-CO2-Energieträgern.
Die Warnungen des BDI deuten auf eine mögliche Zukunft hin, in der Deutschland eine allmähliche Deindustrialisierung erlebt, bei der mehrere Sektoren die Produktion ins Ausland verlagern und das Land in zukünftigen Technologien zurückbleibt. Um diesen Zukunftsszenario zu vermeiden, sind bis 2030 zusätzliche 1,4 Billionen Euro erforderlich, um innovatives Wachstum zu generieren und Deutschland in eine nachhaltige industrielle Weltmacht zu verwandeln.