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Vorbereitung auf unangenehme Realitäten - und weitere Erkenntnisse aus der Wahl

Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen haben komplexe Auswirkungen auf beide Regionen. Daraufhin könnten signifikante Auswirkungen auch auf nationaler Ebene ausgelöst werden.

Die komplexen Ergebnisse der Thüringer und Sachsen Landtagswahlen stellen verschiedene politische...
Die komplexen Ergebnisse der Thüringer und Sachsen Landtagswahlen stellen verschiedene politische Akteure vor Herausforderungen.

- Vorbereitung auf unangenehme Realitäten - und weitere Erkenntnisse aus der Wahl

Folgen der seismischen Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen: Turbulente Zeiten für die Politik in beiden Ländern und bundesweit

Nach den Erschütterungen der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen stehen unruhige Zeiten für die Politik in beiden Ländern und bundesweit bevor. Die Koalition in Berlin, die "Ampelkoalition" genannt wird, bleibt intakt, doch sie scheint bis ins Mark erschüttert und ratlos. In Dresden und Erfurt beginnt die Suche nach Mehrheiten. Fünf wichtige Themen tauchen nun auf:

  1. Die Zusammensetzung der politischen Parteien verändert sich

Die CDU scheut davor zurück, mit der Linkspartei oder der AfD zu regieren. Auch eine Zusammenarbeit mit der Allianz für Fortschritt und Sozialismus (ASW) unter den Bedingungen der ASW ist für sie nicht erstrebenswert. Doch aufgrund der komplizierten Wahlausgänge in Thüringen und Sachsen sind neue Konstellationen erforderlich, um Stillstand und Ungovernability zu vermeiden. Die CDU muss sich überlegen, ob sie bereit ist, mit der Linkspartei zu regieren, wie der Politikwissenschaftler Oliver Lembcke von der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt vorschlägt. Doch die Debatte über die Feuerwand gegen die AfD wird erneut entfacht.

Es bleibt abzuwarten, ob eine Koalition aus verschiedenen Parteien pragmatischer arbeiten wird als die Ampelkoalition in Berlin, die sich am Wahlabend in ihrer selbst errichteten Barriere verstrickt hat: SPD unter 10 Prozent, Grüne schaffen die 5-Prozent-Hürde, FDP ist nicht vertreten. Auch die Linke hat einen Rückschlag erlitten, auch wenn die Bundesgeschäftsführerin Katina Schubert am Sonntagabend betonte, dass ihre Partei "definitiv nicht ausgestorben" sei.

Lembcke sieht die beiden Landtagswahlen als "wenden" an: "Diese Wahl hat Frust gegen eine westdeutsch dominierte Parteienlandschaft und gegen die Ampelkoalition ausgedrückt." Vieles scheint im Fluss.

  1. Die AfD könnte ein Hindernis darstellen

Die AfD ist die stärkste Partei in Thüringen und möchte als Sieger regieren. Sie hat auch ein Rekordresultat von fast 30 Prozent in Sachsen erzielt. Doch niemand möchte eine Koalition mit der AfD eingehen, die von Verfassungsverteidigern in beiden Ländern als rechtsextremistisch eingestuft wird. Die Partei sieht dies als "Ignoranz des Wählerwillens", wie die Bundesvorsitzende Alice Weidel ausdrückte. Der Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke sagte: "Man kann uns nicht übergehen, wenn man stabile Bedingungen für Thüringen will. Ohne die AfD gibt es keine Stabilität für Thüringen."

Die AfD in Thüringen könnte erstmals eine sogenannte Blockademinorität haben, zumindest in Thüringen. Da sie mehr als ein Drittel der Landtagsitze erhält, kann sie Entscheidungen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, wie die Wahl von Verfassungsrichtern oder Staatsauditoren, blockieren.

Höcke schloss am Sonntagabend die Möglichkeit einer AfD-Blockade aus und sprach stattdessen von einer "gestaltenden Minorität", die sie "definitiv nicht missbrauchen" werde, betonte der AfD-Chef.

  1. Populismus treibt den Erfolg - oder ist es die Nähe zum Volk?

Populistische Angriffe der AfD und ASW in Thüringen und Sachsen haben sich ausgezahlt. Sie werfen den etablierten Parteien vor, Politik "auf Kosten der Menschen" zu machen, und plädieren für einen Neuanfang. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat auch mit seiner Distanz zu Berlin - in diesem Fall zum CDU-Hauptquartier - Stimmen gewonnen und seine Stimmenanteile halten können.

Kretschmer hat sich für ein "Einfrieren" des Ukraine-Kriegs und eine Obergrenze für Asylbewerber eingesetzt, zu einer Zeit, als diese Ideen im Partei-Hauptquartier nicht gut ankamen. Diese Themen, die im Osten von Bedeutung sind, wurden auch von der ASW-Vorsitzenden Sahra Wagenknecht vorangetrieben. Für beide war es Glück, dass eine Landesregierung nicht für diese Themen verantwortlich ist.

"Verhöhnen von Menschen hat immer einen Teil der Demokratie ausgemacht", sagte der Dresdner Politologe Hans Vorländer kürzlich in einem ARD-Podcast. Populismus wird gefährlich, wenn demokratische Institutionen untergraben werden. Diese fragile Grenze wird von anderen Politikern als Erfolgsformel getestet werden. Zumindest: Die Wahlbeteiligung war in beiden Ländern deutlich höher als 2019, mit fast drei Viertel der Wahlberechtigten, die ihre Stimmen abgegeben haben.

  1. Proteste haben die AfD nicht abgehalten

Tage vor der Wahl demonstrierten Tausende in Dresden und Erfurt gegen Rechtsextremismus. Am Sonntagabend versammelten sich rund 400 Bürger vor dem Thüringer Landtag, um gegen den AfD-Anstieg zu protestieren. Diese Proteste haben die AfD nicht abgehalten, ebenso wenig wie die Bedenken, die von Kirchen oder Wirtschaftsverbänden geäußert wurden. Die Partei hat Rekordresultate in Thüringen und Sachsen erzielt, wenn auch vielleicht etwas niedriger ohne Gegenproteste.

Die Polarisierung zwischen AfD-Anhängern und ihren Gegnern ist unerbittlich. AfD-Spitzenkandidat Höcke musste nur ein paar Phrasen wie "Gender-Wahn" oder "Lastenrad" erwähnen, um seine Anhänger auf der Erfurt-Kampagnenveranstaltung zu begeistern, und die Emotionen stiegen. Wie beide Seiten miteinander auskommen werden, bleibt unklar.

  1. Die wahre Herausforderung für die SPD liegt in Brandenburg

In etwa drei Wochen, am 22. September, findet die Landtagswahl in Brandenburg statt. Die politische Lage in Thüringen und Sachsen könnte dies beeinflussen - Wähler könnten sich für ein bisschen mehr Stabilität aussprechen. Doch diese dritte Ost-Landtagswahl hat für die regierende SPD eine zentrale Bedeutung, da sie das Amt des Ministerpräsidenten Dietmar Woidke in Brandenburg verteidigt, anders als in Thüringen und Sachsen.

Wenn die Dinge sich zum Schlechteren wenden, könnten wir eine heftige interne Meinungsverschiedenheit innerhalb der SPD erleben, möglicherweise sogar um Bundeskanzler Olaf Scholz. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat dies während der aktuellen Wahlnacht angedeutet. Als Regierungschef sei Scholz die Person, die am stärksten mit der Wahrnehmung der Berliner Regierungsführung verbunden sei, sagte er im ZDF. "Ich habe viele Menschen in beiden Ländern getroffen, die mit dieser Wahrnehmung unzufrieden sind."

Die SPD wird in der bevorstehenden Landtagswahl in Brandenburg auf eine wichtige Probe gestellt, da sie das Amt des Ministerpräsidenten Dietmar Woidke verteidigen will. Das Ergebnis in Brandenburg könnte von der politischen Unruhen in Thüringen und Sachsen beeinflusst werden, wo Wähler möglicherweise mehr Stabilität suchen.

Der Erfolg der AfD in Thüringen und Sachsen trotz Protesten und Bedenken aus verschiedenen Communities zeigt ihre Widerstandsfähigkeit und die anhaltende Kluft zwischen ihren Unterstützern und Gegnern.

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