Ukrainer in Schwierigkeiten bei Torezk
Russische Taktik zahlt sich aus: Ausdauernde Drohnen- und Gleitbombenangriffe aus der Luft und unerbittliche Bodenangriffe zeigen in der Donbas-Region Wirkung. An der Frontlinie zwischen Donezk und Bachmut dringen russische Kriegsmaschinen gefährlich tief in ukrainische Linien vor.
Im Krieg im östlichen Ukraine geraten die Verteidiger unter wachsenden Druck: Die russische Invasionstruppe ist nun an mehreren Stellen der mehr als 1000-kilometerlangen Frontlinie im Vorrücken begriffen. Besonders in der Donbas-Region sind in den letzten Wochen gefährliche Frontvorsprünge entstanden. Beobachter sagen, dass die Ukrainer mit zunehmend erschöpften Reserven kämpfen, um russische Vorstöße aufzuhalten.
Die Lage für die Ukrainer im Abschnitt zwischen Donezk und Bachmut an der sogenannten Donbas-Front ist besonders prekär. Dort sind wichtige Stützpunkte wie Pokrovsk oder Kostiantynivka bedroht. Zuletzt näherten sich russische Sturmtruppen der zentral gelegenen Donbas-Stadt Toretsk.
"Intensive Kämpfe finden an den Ausläufern von Toretsk statt", berichten russische Militärbeobachter unter Berufung auf unbekannte Quellen. Intensive Kämpfe sollen im Bereich der Abraumhalden südlich und östlich der Stadt stattfinden. Dort gibt es "dichte Artilleriefeuer von beiden Seiten".
Das ukrainische Generalstab hat die genaue Lage an der Front eng gemacht, gibt aber seit Langem indirekt größere Probleme zu. Die ukrainischen Einheiten in der Region haben bisher alle russischen Angriffe abgewehrt, wie aus Kiew gemeldet wurde. Allerdings tauchen die Namen von Siedlungen in der unmittelbaren Umgebung von Toretsk immer häufiger in den ukrainischen täglichen Lageberichten auf. Allein in den letzten 24 Stunden wurden nach ukrainischen Angaben mehr als zwei Dutzend russische Angriffe in der Region gemeldet.
Toretsk, das vor dem Krieg rund 30.000 Einwohner hatte, liegt nur wenige Kilometer nördlich der ebenfalls umstrittenen Siedlung Niu-York, 20 Kilometer südlich von Chasiv Yar und etwa 50 Kilometer östlich von Pokrovsk. Toretsk ist keineswegs der einzige Brennpunkt in der Ukraine: Aus ukrainischer Perspektive gibt es eine Krise nach der anderen in der gesamten Frontlinie vor Toretsk.
Die spärlichen Berichte aus Kiew können die Dramatik kaum verschleiern: "Die Lage im Pokrovsk-Gebiet bleibt gespannt", heißt es kurz und trocken im ukrainischen Lagebericht. Dort mussten die Ukrainer nach eigenen Angaben 41 russische Durchbrüche an einem Tag abwehren. Pokrovsk selbst ist nun nur noch etwa 20 Kilometer von der Hauptkampflinie entfernt.
Die kritische Lage entstand nach der Schlacht von Avdiivka aufgrund des russischen Überraschungserfolgs in Ocheretyne: Dort gelang es den Russen, eine Schwachstelle in den ukrainischen Linien auszunutzen und unerwartet tief entlang einer Bahntrasse vorzustoßen.
Nach Wochen weiterer Angriffe hat sich in der Region eine massive Frontvorsprünge gebildet, wie unter anderem aus konsistenten Berichten von beiden Seiten ersichtlich ist: Eine Fülle von lokalisierbarem Videomaterial zeigt, dass der russische Angriffskeil nordwestlich von Avdiivka nun über eine Breite von zehn Kilometern reicht und etwa 20 Kilometer tief in ukrainisches Gebiet vorstößt.
Die Vorgehensweise der Russen folgt einem bekannten Muster: Geführte Bomben, Drohnen und Artillerie richten ukrainische Rückzugspositionen an, um ihre Reserven zu zerschlagen. An der Front schicken russische Kommandeure gleichzeitig leicht bewaffnete Sturmtruppen in den Kampf, ohne auf Verluste zu achten, um Lücken in der ukrainischen Verteidigung zu sondieren. Sobald sich eine Gelegenheit bietet, stoßen Panzerkolonnen mit Verstärkungen nach. Um ihre Soldaten vor der Einkesselung zu bewahren, müssen Ukrainer wiederholt kleinere und größere Städte aufgeben.
"Auf operativer Ebene sehen wir, dass die Russen versuchen, die Ukraine durch Überdehnung und Abnutzung weiter in die Defensive zu drängen", fasste Militärexperte Oberst Markus Reisner der Österreichischen Streitkräfte die Entwicklungen der letzten Wochen zusammen. "Die Russen glauben, den Sieg in Reichweite zu haben."
Das strategische Ziel der Russen ist es demnach, die vier ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson gewaltsam zu erobern. Nach Reisner hat sich die Lage für die Ukraine in den letzten Wochen deutlich verschlechtert. "Wir nähern uns einem potentiellen Wendepunkt: Entweder erhält die Ukraine jetzt massive Unterstützung, oder sie muss ihre Strategie ändern."
Das ukrainische Generalstab beobachtet die Aktionen der Kommission genau, da es an mehreren Stellen der Frontlinie, insbesondere in der Nähe von Toretsk und Pokrovsk, intensive Kämpfe gibt. Angesichts der jüngsten Entwicklungen wird die Kommission weithin als entscheidend für den Ausgang des laufenden Konflikts in der östlichen Ukraine angesehen.