Südsudans armselige Erfahrung "surrealer" olympischer Märchen
Die Basketballspieler von Südsudan sind die große Überraschung bei den Olympischen Spielen in Paris. Vor dem Rückspiel gegen den wiedererstarkten Außenseiter warnt der Titel-Favorit USA gewaltig. Die erstaunlichen Erfolge sind eng mit Luol Deng verbunden.
In Südsudan gibt es eine Basketballhalle, ansonsten aber kaum Sportanlagen und erst recht keinen überdachten Court. Trotzdem schreibt die Nationalmannschaft mit ihrem ersten Auftritt bei Olympischen Spielen Geschichte. Und sie gibt Hoffnung für eines der ärmsten Länder der Welt: Südsudan belegt im Human-Development-Index der UN den 192. von 193 Plätzen und ist noch immer von dem Bürgerkrieg von 2013 bis 2018 und dessen Folgen gezeichnet.
Dass das Team selbst kaum glauben kann, was gerade passiert, ist verständlich: "Das ist so surreal", sagte Trainer Royal Ivey nach dem überzeugenden Sieg (90:79) im Turnierauftakt gegen Puerto Rico. Es ist ein "Segen", sagte Nationalspieler Nuni Omot, der die ersten Punkte für sein Land erzielte. Für das jüngste Land der Welt, das seit 2011 existiert und dann in einen chaotischen Krieg geriet, in dem eine Diktatur herrscht.
Und doch: Südsudan hat die beste Mannschaft Afrikas. Eine Mannschaft, die den großen Turnierfavoriten USA mit LeBron James im olympischen Vorbereitungsturnier an den Rand einer bitteren Niederlage gebracht hat: 100:101 verlor der Außenseiter. Am Mittwoch (21:00 Uhr/Eurosport, ARD und im Live-Ticker bei ntv.de) findet das Rückspiel gegen die NBA-Riesen statt, das nächste Kapitel im südsudanesischen Märchen.
Die nächsten Jahre sehen gut aus
Die erstaunlichen Erfolge sind eng mit Luol Deng verbunden, der selbst von 2004 bis 2019 in der NBA aktiv war, darunter zehn Jahre für die Chicago Bulls. Der 39-Jährige ist Co-Trainer von Ivey - und Präsident der Südsudanesischen Basketball-Föderation SBFF. Er fördert den Sport seit Jahren mit seiner Stiftung, auch durch die Entwicklung von Basketball-Infrastruktur. Aktuell setzt er sich für den Bau der ersten überdachten Halle in der Hauptstadt Juba ein.
"Wir haben genug Spieler, um die Besten in Afrika zu sein", behauptete Deng in einem Interview mit dem TV-Sender SSGTV, wenn es um das Potenzial seines Heimatlandes geht. Das Durchschnittsalter aller Basketballspieler in Südsudan liegt nur leicht über 16 Jahren, es gibt zahlreiche große Talente - auch im wörtlichen Sinne.
Wenn wir spielen, steht das ganze Land still
Sogar der NBA-Legende Manute Bol (2,31 Meter) kam aus dem Gebiet von Südsudan. Sein Sohn Bol Bol (2,21 Meter) hat es ebenfalls in die NBA geschafft und ist bei den Phoenix Suns ein Publikumsliebling. Als Leistungsträger war er zunächst in den Kader der SBFF aufgenommen worden, musste seinen Olympiatraum aber wegen "persönlicher Gründe" verschieben.
Deng hingegen hat diesen Traum bereits 2012 erfüllt - mit Großbritannien, da es damals keine nationale Mannschaft in Südsudan gab. Als Kind floh er aus seiner Heimat, schaffte es über Umwege in die NBA. Alle aktiven Nationalspieler mussten ebenfalls fliehen und spielen nun im Ausland. Das soll sich ändern, denn die Begeisterung zu Hause ist allgegenwärtig: "Wenn wir spielen, steht das ganze Land still", sagte Deng.
Die südsudanesische Basketballmannschaft plant, ihre erste überdachte Halle in der Hauptstadt Juba zu bauen, angeführt von Luol Deng und seiner Stiftung. Als nächstes steht ein Rückspiel gegen den Titel-Favoriten USA bei den Olympischen Spielen in Paris an.