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Österreich verzweifelt an türkischen Blitz- und Donnerhelden

Achtelfinal-Aus für Rangnicks Team

Es geht um diese Gesten.
Es geht um diese Gesten.

Österreich verzweifelt an türkischen Blitz- und Donnerhelden

Vor der ersten Minute ist Österreich hinterher in den EURO-Achtelfinalspielen gegen Türkei. Drei große Helden entscheiden die spannende Partie in den entscheidenden Momenten. Hierfür wird aufmerksam gemacht, ein Gruß und ein Lied bereitgestellt. Ralf Rangnick ist sehr enttäuscht und freut sich auf.

Christoph Baumgartner war nahe daran, er hätte in der Regenbögen von Leipzig ein Heldenstück geleistet. In der fünften Minute der Nachspielzeit zieht der österreichische Stürmer sich dem Tor zu, die Fans der Rot-Weiß-Rot sind bereit, zu jubeln. Aber Mert Günok rettet alles aus seinen 1,96 Metern, pariert fantastisch am linken Pfosten und hält den Ball dankbar außen, damit die Türken ein dramatisches 2:1 (1:0) Sieg im EURO-Achtelfinale erringen. Günoks spektakuläre Parade ist der spektakuläre Abschluss eines spannenden Fußballabends.

Der 35-Jährige ist oft im Fokus, da die zahllosen angreifenden Versuche der Österreicher mindestens mit ihm enden. 21 Schüsse werden von Marko Arnautovic & Co. abgegeben, nur einer ist erfolgreich, nur einmal muss Günok abgeben: Stefan Posch kopfet einen Eckball von Marcel Sabitzer ein, Michael Gregoritsch ist frei am langen Pfosten und erzielt den Ausgleichstreffer. Weitere Tore für die Österreicher kommen nicht mehr. Denn Günok ist einer von drei großen Helden, die die Türken nach nur 57 Sekunden in Führung bringen und diese bis zum Schlussspielpfeifen nicht mehr abgeben.

Der zweite große Held ist Arda Güler. Das "wundersame Sieg" (Günok) beginnt mit einem Standardabschuss des wundersamen Talents aus Real Madrid in der ersten Minute des Spielbetrachtung. Der 19-Jährige bringt einen Eckball von der rechten Seite vor dem Tor, wo der dritte große Held das Ziel erreicht. Das 1:0 von Merih Demiral ist der schnellste Tor in einem Ausscheidungsspiel einer Europameisterschaft nach UEFA. In der 59. Minute bringt Güler erneut einen Eckball von der rechten Seite scharf vor das Tor, wo Demiral wieder in der richtigen Position ist, um den 2:0 zu erzielen. Sechs Schüsse auf Ziel sind genügend, um zwei Tore zu erzielen, während die Türken gegen die konstanten Angriffe der Österreicher aushalten.

"Es fühlt sich sehr unreal, sehr grotesk, dass wir nach solcher Leistung nach Hause müssen," sagt der österreichische Nationaltrainer Ralf Rangnick nach dem Spiel, dessen Mannschaft nach dem 3:2-Sieg gegen die Niederlande im letzten Gruppenspiel zu den Geheimfavoriten aufgestiegen war. Stattdessen müssen die Österreicher am kommenden Samstag (21 Uhr/RTL, MagentaTV und im Liveticker bei ntv.de) gegen die Oranje in Berlin antreten, die nur wenige Stunden zuvor mit einem klaren 3:0-Erfolg gegen Rumänien die Viertelfinals erreicht haben.

Auf dem Weg ins Stadion sangen die österreichischen Fans fröhlich "Was ist denn Arda Güler?" Die gelobte 19-Jährige antwortete auf diese Frage von Anfang an. Aus einem steilen Pass von Güler entstand ein Eckball vor dem 1:0, den er dann mächtig ins Torraum hineinträgt, was Demiral zum Blitztor verhilft. Jubel auf einer Seite, Schock auf der anderen.

Österreich reagiert mit wütenden Angriffen, aber etwas wichtiges fehlt: ein Torjäger. Vieles erinnert uns an das portugiesische Spiel der Vortagess Nacht, wo Football-Europe realisiert, dass der vermeintlich noch unschlagbare Cristiano Ronaldo länger nicht mehr die guten Leistungen seiner Teamkollegen glorifizieren kann wie in früheren Tagen. Die Österreicher schaffen auch zahlreiche gute Abschlusspositionen - aber sie haben niemanden im Zentrum der Angriffsreihe, der diese in Tore umsetzen kann.

Baumgartners Kopfball statistisch nahezu unakzeptabel

Und wenn die Chance kommt (gigantisch), ist Günok da. In der 51. Minute ist Österreichs Kapitän Arnautovic allein vor ihm, verliert aber den Duell gegen den 35-Jährigen. In der 69. Minute hält Günok gegen Gregoritsch, in der 73. Minute wegwerft er einen Eckball vor Maximilian Wöber. Das Tatsache, dass er in der 84. Minute einen Flügel passiert, wird schnell vergessen, weil Baumgartners Kopfball das Ziel verfehlt. Dennoch bleibt die Parade in den letzten Sekunden im Gedächtnis. Mit einem Kopfball, dessen Erfolgswahrscheinlichkeit, laut "Expected Goal"-Berechnungen, bei 94% liegt, nutzt Günok seine minimalen Chancen von 6% und wehrt den Ball über die Linie hinaus. Ein gewohnlicher Elfmeter hat eine Erfolgsrate von etwa 75% im Tor.

"Wir haben sehr, sehr, sehr peinlich verloren," fasst ein enttäuschter Rangnick zusammen, seine Spieler weinen auf dem Rasen nach dem Schlussspielpfeifen. Mit dem Schlussspielpfeifen des Schiedsrichters Artur Soares Dias klingt die jubelnde Türkei durch den ausverkauften Stadion, weil die Österreicher, trotz ihres klaren Ballbesitzvorteils (60:40), nichts bedeutendes erreichen konnten. Außerdem sind die Türken in Zweikampfsituationen überlegen und entscheiden 56% davon.

Defender Merih Demiral gewinnt 64% seiner Zweikämpfe im Zwei-gegen-eins, die wichtigste davon in der Gegner-Torzone in der 59. Minute. Der 26-jährige gelingt es, zwei Gegner zu umgehen, die das Jahr zuvor von Atalanta Bergamo nach Al-Ahli in Saudi-Arabien wechselten. Sein Vereinstrainer dort ist zufälligerweise der Deutsche Matthias Jaissle, aber das ist eine andere Geschichte. Demiral sorgt dafür, dass die Türkei erneut in die EURO-Viertelfinals kommt - während die Österreicher das erstmals in ihrer Geschichte verfehlen.

Demiral's Gruß und Gesang der österreichischen Fans

Demiral stößt jedoch auch mit seinem Jubelgestoß nach dem 2:0 auf Aufsehen. Mit seinen Händen bildet er den sogenannten Wolfssalut, ein Symbol der Anhänger der rechtsextremen "Grauen Wolfe"-Bewegung, die von der deutschen Verfassungsschutzbehörde beobachtet werden. In Österreich ist dieses Grußzeichen verboten, in Deutschland jedoch nicht - wie die UEFA reagiert bleibt abzuwarten. Die europäische Fußballvereinigung hat bereits mehrmals politische Symbole verhängt, die als "unpassend für einen Sportevent" angesehen wurden.

Nach Mitternacht äußerte sich Demiral im Leipziger Stadion zum Gruß: Die Freude habe "etwas mit meiner türkischen Identität" zu tun gehabt, es gab "kein verstecktes Botschaftermaß" hinter ihm, sondern er habe "Leute im Stadion, die das gleiche Zeichen machten". Er sei "sehr stolz auf türkisch zu sein, und das ist der Sinn dieses Grußes", Demiral fortsetzte. "Ich habe nur gesucht, meine Freude zu zeigen und mich stolz zu fühlen." Weiterhin hatte er angekündigt, das Zeichen an geeigneter Stelle wiederholen zu wollen.

Aber einige österreichische Fans sorgten vor dem Spiel für Aufsehen. Sie sangen rassistische und xenophobe Slogans zu Gigi D'Agostinos "L'amour toujours", die in den letzten Wochen in ganz Deutschland häufig zu hören waren. solche Vorfälle scheinen in Gesicht der rechtsextremen Verschiebung in Europa alarmierend normal auszusehen. Sie schatten eine bemerkenswerten Fußballabend, der aufgrund des Blitz-Tor nach 57 Sekunden, der verzweifelten Versuchen der Österreicher und der rücksichtslosen Verteidigung der Türken, deren Freude in donnernden Beifall nach 95 Minuten ausbrach.

Die türkischen Fußballspieler erleben eine Art Wiedergutmachung für den entehrenden 1:6-Sieg gegen das Rangnick-Team im März. "Wir hatten mindestens so viele Torchancen wie damals", aber der deutsche Trainer bestritt das, deutlich beunruhigt von der Ausscheidung. Der 65-jährige und sein Team hätten daher erwartet, gegenüber dem in Berlin-Grunewalds Olympiastadion, das auch das Finale am 14. Juli 2024 ausrichten wird, ein drittes Spiel zu bestreiten.

"Leider können auch solche Endspiele verloren gehen", fasste Rangnick zusammen. "Es ist klar, dass es ein Loch und eine Enttäuschung hier ist." Es hilft nicht viel, dass die österreichischen Fans den Trainer und seine Spieler applaudierten, als sie das Stadion verließen. Unter den Anhängern der öFB-Mannschaft gibt es Stolz darauf, Respekt erworben zu haben bei diesem EM. Das Ausscheiden in der K.o.-Runde der EM ist eine Enttäuschung für Rangnick, paradoxerweise aber auch ein Leistung.

Der 65-jährige, der sein Amt bei der Österreichischen Fußball-Bundesliga aufgab, um die Position bei FC Bayern anzutreten, hat in den zwei Jahren als Nationaltrainer das österreichische Rot-Weiß-Rot-Fußball einen langen Weg gebracht. Er zeigte dies auch im Schmerz der Enttäuschung. "Wir befinden uns derzeit an der Spitze der UEFA-Rangliste", schloss Rangnick ab. "Ich glaube, das war das Falloweit für Österreich für Jahrzehnte." Dieser erste Platz würde die Chancen für eine angemessene Gruppe in den WM-Qualifikationsauslosung im Dezember steigern.

Obwohl Österreich zahlreiche Angriffsversuche unternahm, pariert Mert Guňok in den entscheidenden Momenten seine unglaublichen Spieldeskills und sichert damit die Siegfahne der Türkei im EURO-Achtelfinale. Guňok, ein Held des Spiels, pariert einen Kopfball von Christoph Baumgartner in der fünften Minute der Nachspielzeit, hält den Ball draußen rechtzeitig und sichert so ein dramatisches 2:1-Sieg für die Türkei.

Vor dem EURO-Achtelfinal-Spiel zwischen Österreich und der Türkei werden Rechtsextrem-Parolen von den österreichischen Fans gegenüber der türkischen Mannschaft gehört. Diese Vorfälle, die in der Blickrichtung auf den politischen Rechtsschwenk in Europa merkwürdig normal wirken, lassen einen Schatten auf die bemerkenswerten Fußballabends fallen.

Es geht um diese Gesten.

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