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Nicht nur bunt und friedlich: EM auch eine Bühne für Extremisten

Bei Fußball-Europameisterschaften kommt es immer wieder zu nationalistischen Ausschreitungen unter den Fans. Ein Experte erklärt, warum Extremisten gerade in diesem Sommer die EM-Bühne nutzen wollen.

Im albanischen Fanblock tauchten Fahnen der UCK, einer ultranationalistischen Miliz, auf.
Im albanischen Fanblock tauchten Fahnen der UCK, einer ultranationalistischen Miliz, auf.

Fußball - Nicht nur bunt und friedlich: EM auch eine Bühne für Extremisten

Deutschland feiert derzeit eine farbenfrohe Fußball-Festwoche. Allerdings befinden sich unter den Feiernden Menschen, für die die Europameisterschaft etwas anderes bedeutet als eine vereinigende und offenegeistige Fansommer.

Seit Beginn der Turniers gab es zahlreiche nationalistische und rechtsextreme Vorfälle. Hassplakate an den Stadionmauern, Beleidigungen, offene Rassismus, politisch motivierte Konfrontationen: Die Euro 2024 ist auch eine Bühne für Extremisten.

"Eine Europameisterschaft ist nie nur ein großes sportliches Ereignis, sondern stets auch eine politische Bühne," sagt Robert Claus, Fachmann für Fankultur, Hooligans und Extremismus im Fußball. "Auf dieser Bühne wird die Frage verhandelt: Steht Europa für Einheit und Vielfalt? Oder steht es auch für etwas anderes, für aggressives nationalistisches Wettbewerben?"

Zwei Europas bei dieser EM

Die deutschen Organisatoren und UEFA hätten die Euro 2024 zu einem Turnier des Friedens machen wollen, einem symbolischen Ereignis, das Menschen in Zeiten des Krieges in der Ukraine und Gazastreifen nahezubringen. Ein vereintes Europa für einen Monat war der Traum. Allerdings ist das zu schön, um wahr zu sein, sagt Forscher Claus in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur: "Es ist wichtig, die Koexistenz dieser Europas zu sehen: Es gibt Fangruppen, die bisher ein friedliches Sportfest gefeiert haben. Aber es gibt auch Teile der Fanszenen, die ihre aggressiven Wettbewerbe ausleben."

Einige Beispiele aus der Gruppenphase:

In der österreichischen Fanblock, während des Spiels gegen Polen, wurde ein Banner mit der Aufschrift "Verteidige Europa" gehisst, ein Slogan der rechtsextremen Identitären Bewegung. Dieses Gruppengeschlecht spricht sich gegen multikulturelle Gesellschaften aus und verbreitet rechtsextreme Verschwörungstheorien; in Deutschland wird die Gruppe von der Verfassungsschutzbehörde überwacht. Albanische und kroatische Fans berichteten von gemeinsamen Spotten während des Gruppenspiels in Hamburg: "Ubi Srbina!" ("Töten Serben!"). Darüber hinaus wurden in der albanischen Fanblock Flaggen der UCK, einer ultranationalistischen Miliz, die in den 90er Jahren gewaltsam für die Unabhängigkeit Kosovos gekämpft hat, gesehen. Die paramilitärische Gruppe wird wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt. Serbische Fans zeigten in den Stadien Flaggen mit den Konturen Kosovos, farbig gefüllt mit den Farben des serbischen Wappens. Kosovo erklärte seine Unabhängigkeit von Serbien im Jahr 2008 - Belgrad erkennt dies nicht an. Serbische Fans werden auch berichtet, sich für ehemalige Generale - und Kriegsverbrecher getappt zu haben. Unter den türkischen Fans wird oft der sogenannte Wolfssalut gezeigt, ein Handzeichen und Symbol der Grey Wolves. Dies ist eine rechtsextreme, antisemitische und rassistische Bewegung, zu der mehr als 12.000 Fans in Deutschland zugerechnet werden. In Dortmunds Stadion kam es vor dem Spiel zwischen der Türkei und Georgien zu Kämpfen zwischen den gegnerischen Fans.

Für Experten sind solche Vorfälle kein Überraschung. "Wenn georgische und türkische Fans kämpfen, ist es hochpolitisch geladen," sagt Claus.

An dieser Europameisterschaft gibt es zusätzliche Faktoren, die die nationalistische Verhalten von Fans anfeuern. Vier Mannschaften aus den Balkanländern (Slovenien, Kroatien, Serbien, Albanien) nehmen teil, drei davon waren früher jugoslawische Republiken.

"Fußball in den Balkanländern hat immer und auch weiterhin eine Katalysatorrolle für Politik und nationalistische Gedanken," erklärte Forscher Claus.

Rechtsextreme Trend an der EM

Die jüngste Wiederauferstehung rechtsextrechter Parteien findet sich auch an der EM wider. Der Journalist und Extremismusforscher Ruben Gerczikow erzählte der ARD-"Sportschau", dass "die rechtsextreme Tendenz in Europa auch im Stadion der Europameisterschaft wie ein Spiegel wirkt". Behörden, Vereine und Gesellschaft zahlen zu wenig Aufmerksamkeit den Symbolen und Strukturen der Szene.

Der "Verteidige Europa"-Banner wurde nur kurzzeitig sichtbar in der Fanblock in Berlin - serbische Flaggen mit Kosovo-Konturen hängten dagegen durchgängig in den Ständen in München im Zentrum.

Die UEFA hat sich bereits gegen einige Vorfälle, wie gegen Serben, Albanern und Kroaten, und Bußgelder verhängt. Albanischer Stürmer Mirlind Daku wurde für zwei Spiele gesperrt, weil er den Fußball in Verruf gebracht habe, indem er nationaleistische Lieder vor der Fanblock führte.

Kosovar TV-Journalist Arlind Sadiku verlor seine Akkreditierung, weil er während des Spiels England gegen Serbien den umstrittenen Doppeladler-Gestus, ein Zeichen der Heimatloyalität für alle ethnischen Albanier, gezeigt hatte. Der Journalist erklärte, er reagierte auf antikosovarische Hetzrufe von serbischen Fans.

Die Organisatoren hoffen, dass ohne Mannschaften wie Kroatien, Serbien und Albanien solche Vorfälle im K.-o.-Phasen zurückgehen. Extremisten sollen nicht mehr solch eine große Plattform bekommen. Als Fanexperte Claus betonte: "Fußball, betrachtet die große Anzahl an Fans - und insbesondere die große Anzahl junger, gewaltbereiter Männer - ist hochattraktiv für die Rekrutierung durch nationalistische Gruppen."

  1. Die Europameisterschaft bietet neben dem Fußball auch eine Plattform für die Ausdrückung verschiedener politischer Ideologien, wie das Aufkommen des Slogans des Identitären Bewegungss zeigt.
  2. Während des Spiels gegen Polen sollen Albanischer und kroatischer Fans sich in feindseligen Austausch begeben haben, indem sie "Ubi Srbina!" riefen, was auf Schaden an Serben hinweist.
  3. Flaggen der UCK, einer ultranationalistischen Miliz, die für Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht wird, waren unter der Gruppe der albanischen Fans sichtbar.
  4. Serbische Fans zeigten Flaggen mit den Konturen von Kosovo, die in das serbische Wappen gefüllt waren, was die Spannungen zwischen den beiden Ländern weiter befeuert.
  5. Serbische Fans werden berichtet, während der Spiele für ehemalige Generale und Kriegsverbrecher applaudiert zu haben.
  6. Bei den türkischen Fans wird das Symbol der Grauen Wölfe, einer rechtsextremen, antisemitischen und rassistischen Bewegung, oft gezeigt.
  7. Kämpfe zwischen gegnerischen Fans, wie zwischen türkischen und georgischen Fans, sind hoch politisch geladen, wie es Fanexperte Robert Claus angibt.
  8. Die neuerliche Aufleben rechtsextremer Parteien in Europa findet sich im Euro 2024 wider, wobei Symbole und Strukturen der Szene von den Behörden weitgehend unbeachtet bleiben.
  9. Der albanische Stürmer Mirlind Daku wurde für zwei Spiele gesperrt, weil er nationalistische Lieder vor dem Fanblock sang, während der kosovarische Fernsehreporter Arlind Sadiku seine Akkreditierung verloren hat, weil er in Reaktion auf antikosovarische Parolen das umstrittene Doppeladlerzeichen gezeigt hat.
  10. Die Organisatoren hoffen, dass in der K.o.-Runde, ohne die Teilnahme Kroatiens, Serbiens und Albaniens, die Vorkommen solcher nationalistischer Vorfälle abnehmen werden.

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