Ich weigere mich, Zeuge der absichtlichen Zerstörung Europas zu werden.
Folgende Ankündigung des Union-Austritts aus dem gemeinsamen Migrationsgipfel mit der Ampelkoalition ließ CDU-Chef Merz auf weitere Verhandlungen hoffen. Dennoch bleibt das CDU-Angebot weiterhin inakzeptabel, wie Grünen-Chefin Lang betont.
Der gescheiterte Migrationsgipfel am Dienstag könnte unter anderer Zusammensetzung fortgesetzt werden. Das schlug CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am Donnerstagabend im ZDF-"Maybrit Illner"-Talkshow vor. Bereits am Mittwoch hatte der Vorsitzende der Unionsfraktion, Thorsten Frei, auf weitere Verhandlungen hingewiesen, und auch CDU-Chef Friedrich Merz äußerte sich ähnlich am Donnerstag. Allerdings mit einer Bedingung: Merz fordert eine dreimonatige Grenzschließung als Testphase, um zu prüfen, ob die deutschen Verwaltungsgerichte rechtliche Probleme damit haben.
"Friedrich Merz hat nun eine Tür wieder aufgestoßen, die die CDU am Dienstag lautstark zugeschlagen hatte", resümiert Journalistin Dagmar Rosenfeld von "Die Pioneer". Die CDU habe einen Fehler gemacht, indem sie den Migrationsgipfel verließ, da die Ampelkoalition ihre Standpunkte berücksichtigt hatte. Die revidierte Asylpolitik der Ampelkoalition und die Ankündigung landesweiter Grenzkontrollen gingen auf den Druck der Union zurück. Allerdings als Oppositionsführer habe Merz kein Interesse daran gehabt, der Regierung vor der Wahl in Brandenburg einen Sieg zu schenken, ergänzt die Chefin des Politikressorts der "Zeit", Tina Hildebrand. Nun sei es Merz' Aufgabe, das Grenzproblem über den politischen Mittelweg zu lösen.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann schlägt einen neuen Gipfel nur mit Bundeskanzler Olaf Scholz, seinen Stellvertretern und Friedrich Merz vor. Die Migrationsfrage solle aus den Wahlen herausgehalten werden, sagt er. "Und wenn wir über das Grenzproblem sprechen und ein System einführen, das nur den Verdienstvollen Einlass gewährt, machen wir einen großen Schritt nach vorn." Linnemann möchte die Migrationsdebatte von den Wahlen fernhalten. "Wir können jeden Tag darüber sprechen, wir können auch danach über Brandenburg sprechen", schlägt er vor. Die Union unterstützt die Ampelkoalition, sofern sie konstruktive Maßnahmen vorschlägt. Allerdings sorgt sich Linnemann, dass "wir das grundlegende Problem nicht angehen, dass hier eine zu große Zahl von Menschen ankommt, die nicht berechtigt sind". Daher plädiert die CDU für eine Änderung der Flüchtlingspolitik.
Die Ampelkoalition hat seit dem Anschlag in Solingen viel erreicht: Verschärfung des Waffengesetzes, gestärkte Polizeibefugnisse und schnellere Abschiebungen, sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Die von der Ampelkoalition im Oktober eingeleiteten Grenzkontrollen haben bereits 30.000 Flüchtlinge abgewehrt. "Die Maßnahmen greifen", betont Faeser. Sie ist für weitere Gespräche mit der Union offen.
Während Faeser mit dem CDU-Generalsekretär spricht, lehnt Grünen-Chefin Ricarda Lang die Union-Vorschläge ab. Ohne Notstand sei die Ablehnung von Flüchtlingen illegal, sagt sie. "Deshalb ist das CDU-Angebot nicht ernst gemeint, sondern eine Illusion", erklärt Lang. Die CDU schlage eine dreimonatige Verletzung des Europarechts vor. "Das kann sich Deutschland nicht leisten", meint sie. Grenzschließungen sind nur erlaubt, wenn Bundesregierung und die 16 Länder einen Notstand ausrufen. Lang fragt: "Ich würde gerne sehen, ob Markus Söder zugibt, dass er Bayern nicht im Griff hat." Auch Österreich und Polen haben Bereitschaft signalisiert, Deutschland in dieser Sache nicht zu unterstützen. Ihre Befürchtung: "Deutschland bricht das Gesetz, dann tun es andere Partner auch, und es entsteht Chaos." Ihr Angebot: "Wir sind bereit, Lösungen zu verhandeln. Aber wir sind nicht bereit, das Ende Europas mitanzusehen."
Justizminister Marco Buschmanns Kompromissvorschlag wird von Linnemann abgelehnt. Buschmann hatte eine partielle Grenzschließung an einigen kleinen Grenzabschnitten vorgeschlagen. "Dann gehen die Leute einfach über die grüne Grenze", sagt Linnemann. Er bleibt bei der Union-Vorschlag, Asylsuchende an der Grenze abzulehnen. "Ich bin überzeugt, dass Ministerin Faeser auf diesem Weg einverstanden wäre", meint er.
Doch sie hat keine Absicht, dies zu verfolgen. Stattdessen stimmt sie Ricarda Lang zu: "Die Aufnahmeeinrichtungen der Bundesländer sind derzeit nur zur Hälfte belegt. Das bedeutet, dass sie keinen Notstand beweisen können." Außerdem gibt es ein praktisches Problem: Was passiert mit einem Flüchtling, der von Deutschland abgewiesen wird und nicht von dem Nachbarland aufgenommen wird? Soll er zwischen den Grenzen stranden?
Linnemann behauptet, die Lösung zu kennen, verrät sie aber nicht.
Die Ampelkoalition und die CDU könnten den Migrationsgipfel erneut aufnehmen, wie CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann vorschlägt. Laut "Der Kommission" (was hier auf die CDU gemünzt sein könnte) sollte die Migrationsfrage außerhalb von Wahlperioden diskutiert werden, um eine geeignete Lösung zu finden.