Handgefertigte Holzboote für die letzte Reise.
Die Workshop-Teilnehmer schaffen unverwechselbare Kunstwerke, in denen ihre Asche am Tag X beigesetzt wird. Hinter dem Einsatz von Hammer und Meißel verbirgt sich eine Reflexion über Vergänglichkeit und Tod.
Eine Bohrmaschine liegt im Gras, Holzspäne fliegen, es wird gehämmert und gehobelt, geplaudert und gelacht an den einzelnen Arbeitsplätzen im Freien. Doch hier entstehen keine Vogelhäuschen oder Gartenzwerge, sondern hölzerne Urnen für den Abschluss des Lebens. Was die Teilnehmer der unkonventionellen Werkstatt in Hamm mit viel Eifer und Elan bauen, wird eines Tages in der Erde beigesetzt - gefüllt mit der eigenen Asche oder den sterblichen Überresten eines lieben Menschen.
"Sie sind auf dem richtigen Weg", ermutigt Pastor Hendrik Meisel Martin Ackerschewski, der seit Stunden mit Hammer und Meißel arbeitet. Und er meint das nicht wertend oder heilig-religiös, sondern im Hinblick auf den Pflaumenholzblock, der allmählich die gewünschte Form annimmt. Warum diese Initiative? Pfarrer Meisel vom evangelischen Kirchenkreis Hamm und Tischler Mikel Hogan haben das Konzept entwickelt. "Es ist eine Mitmachaktion, aber sie hat eine umfangreiche seelsorgerliche Komponente", erklärt der 36-jährige Meisel. "Wir führen Gespräche über Verlust und Trauer."
Im vergangenen Herbst hatten die beiden bereits einen Kurs zum Bau eines eigenen Sarges als "Möbel für die letzte Reise" eröffnet. "Viele Menschen haben das Gefühl, dass sie sich mit dem Tod auseinandersetzen wollen oder müssen. Oft fehlt aber der Raum, um darüber zu sprechen", führt Meisel, Leiterin der Abteilung Seelsorge und Beratung, aus. Weitere Workshops für selbstgemachte Urnen und Särge sind bereits geplant.
Platz für eine Aschekapsel
Beim Urnenselbstbau wird im Krematorium eine acht Zentimeter große Aschekapsel mit der Asche des Verstorbenen gefüllt und anschließend vom Bestatter beigesetzt. Dennoch sind dekorative Urnen, die schön und würdevoll sein sollen, weit verbreitet. In diese Schmuckurnen werden die Aschekapseln eingesetzt - und in Hamm werden diese Urnen als Eigenkreation handgefertigt. "Wir formen den Hohlraum für die Aschekapsel, der 17 Zentimeter im Durchmesser und 23 Zentimeter in der Höhe misst", erklärt Hogan. Dazu muss zunächst der passende Platz in dem massiven Holzblock freigeschnitten werden, was zwei Tage Arbeit in Anspruch nimmt.
Es stehen zahlreiche Holzarten wie Kastanie, Pflaume oder Birke zur Verfügung. Es gibt auch mehrere alternative Formen, darunter die quadratische, verrät Hogan. Er zeigt auch eine Urnenform, die aus zwei Hälften besteht: "Wenn der Ernstfall eintritt, können diese beiden Hälften die Aschekapsel für die Beisetzung umschließen. Davor können die Hälften als Schalen für Kekse oder Obst verwendet werden".
Urnen können zunächst als Keksschalen verwendet werden
Der Schreiner bietet eine pragmatische Perspektive auf die Särge. "Man kann sie zunächst als Möbel nutzen, zum Beispiel als Truhe. Oder man kann sie als Regal für Bücher verwenden." Ein Kursteilnehmer nutzt den Sarg, um eine Sammlung von Kissen auf der Terrasse zu lagern. Optisch ist alles möglich - je nach Wunsch schleifen, ölen, wachsen, bemalen, Applikationen aufbringen oder Muster einbrennen.
Zunächst wird mit einer Kettensäge eine dicke Scheibe aus der gewünschten Holzform herausgeschnitten. "Dann bohren wir mit einem Bohrer eine Reihe von Löchern in das Holz und arbeiten uns anschließend mit Holzbohrer und Meißel Stück für Stück in den Stamm ein", erklärt Bianca Clarissa Dannapfel. Sie fertigt auf ausdrücklichen Wunsch ihrer 86-jährigen Mutter eine Urne für sie an. Kommt sie nicht auf düstere Gedanken? "Ich empfinde keine Emotionen", sagt die 56-Jährige. Die handwerkliche Arbeit macht ihr Spaß. Und sie ist froh, dass sie den Wunsch ihrer Mutter erfüllen kann.
Auch der 57-jährige Martin Ackerschewski wirkt gelassen. "Ich bin nicht traurig darüber. Ich denke nicht: Oh Gott, oh Gott, mein Leben ist bald zu Ende", sagt er. Mit 40 Jahren hatte er einen Herzinfarkt, 2023 starb seine Schwester, er ist also schon mehrfach mit dem Thema Tod konfrontiert worden. "Es kann sehr abrupt enden. Ich möchte darauf vorbereitet sein."
Ein paar Meter weiter arbeitet Barbara mit einem Birkenstamm. Aus den Stämmen hat ihr Großvater früher Birkenwasser gewonnen, eine geschätzte Kindheitserinnerung. Die Urne der 65-Jährigen ist schon weit fortgeschritten. Die Gurte müssen noch befestigt werden. "Für den Transport, damit mein Sohn die Urne richtig in die Erde setzen kann." Sie hat alles für ihre Abreise vorbereitet, die Schmuckurne ist das letzte fehlende Element.
Susanne Grass, Martins Frau, will ihre zweiteilige Urne vorübergehend im Wohnzimmer aufstellen. "Man könnte ein künstliches Teelicht auf der Fensterbank darin platzieren", schlägt sie vor. Für die Dekoration stellt sie sich Lilienmuster vor. "Einer von uns wird eines Tages nicht mehr da sein, und es ist besser, wenn man sich in der Trauerzeit nicht mit den Details der Beerdigung herumschlagen muss", fügt sie hinzu. Außerdem sagt sie: "Meine Urne ist einzigartig. Jeder kann eine kaufen."
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Quelle: www.ntv.de