Fortschritte bei der Fruchtbarkeit in den USA: Könnte Deutschland diesen Trend übernehmen?
Einige Individuen entscheiden sich dafür, die Elternschaft auf später im Leben zu verschieben, und wenn medizinische Eingriffe erforderlich sind, können die Kosten erheblich sein. In den USA decken immer mehr Unternehmen die Kosten für die Fertilitätsbehandlungen ihrer Mitarbeiter ab. Diese Entwicklung, oft als "Fertilitätsleistungen" bezeichnet, beginnt auch in Deutschland zu entstehen, wenn auch in kleinerem Umfang. Experten prophezeien, dass dieser Druck auf Unternehmen weiter zunehmen wird.
Vor einem Jahrzehnt sorgte die Nachricht, dass Technologieunternehmen wie Meta und Apple in den USA die Eiergefrierung ihrer Mitarbeiter finanzierten, für Kontroversen. Es bestand die Sorge, dass Frauen ihre Karriere möglicherweise auf Kosten ihres Kinderwunsches priorisieren könnten. Julia Reichert, Gründerin von Onuava, einem Start-up in Heidelberg,.dismissiert diese Befürchtungen. Onuava bietet Unternehmen eine Plattform, um ihren Mitarbeitern verschiedene Familienplanungsoptionen anzubieten. Zunächst waren Fertilitätsservices ein Mittel für Silicon-Valley-Unternehmen, um Fachkräftemangel zu bekämpfen und für Jobsuchende attraktiver zu werden. Reichert erklärt, dass Unternehmen diese Leistungen nicht aus Freundlichkeit oder Großzügigkeit implementiert haben, sondern weil es ihnen finanziell zugutekam. Mitarbeiter können sich von ihren Unternehmen die Erstattung von Verfahren wie In-vitro-Fertilisation, Adoption oder Eiergewinnung beantragen. Hannah Zagel, die sich an der Berlin Social Science Center mit diesem Thema beschäftigt, führt die Fokussierung auf Mitarbeiterbindung, erhöhte Produktivität und potenziell höhere Mitarbeiterzufriedenheit an.
Laut einer Evaluation der US-Stiftung für Mitarbeiterleistungen im Jahr 2022 bieten etwa 40 % der amerikanischen Unternehmen solche Leistungen an. Die gemeinnützige Organisation besteht aus über 31.000 Mitgliedern aus dem Privat- und öffentlichen Sektor. 14 % dieser Unternehmen tragen zu den Kosten für die "soziale Gefrierung" bei, also die Eierkonservierung als Vorsichtsmaßnahme. Im Jahr 2016 lag dieser Prozentsatz noch bei 2 %.
Krankenkassen decken nur einige Kosten
Die Tendenz, Fertilitätsbehandlungen zu unterstützen, wird sich voraussichtlich auch auf Deutschland ausweiten, glaubt Reichert. "Unternehmen sind gezwungen, innovative Lösungen zu finden, um den Fachkräftemangel anzugehen." Auf Anfrage gaben einige amerikanische Unternehmen wie Google, Meta, Apple, Microsoft oder Salesforce entweder an, dass sie diese Leistungen in Deutschland nicht anbieten, oder konnten keine Informationen dazu liefern. Die Beratungsfirma McKinsey bietet in Deutschland Unterstützung für Fertilitätsbehandlungen, Adoption und Leihmutterschaft sowie Eierkonservierung an.
Laut dem Deutschen IVF-Register sind seit 1997 über 390.000 Kinder durch In-vitro-Fertilisation geboren worden. Die Kosten für verschiedene Behandlungen können bis zu 10.000 Euro betragen. Deutsche Krankenkassen decken nicht alle diese Kosten. Laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend decken Krankenkassen die Kosten für versicherte Personen unter bestimmten Bedingungen. Ältere oder gleichgeschlechtliche Paare sowie Singles tragen die Kosten oft selbst. freiwillige Eiergewinnung und -lagerung werden ebenfalls nicht übernommen.
Letzte Jahr kündigte der Pharmakonzern Merck an, seine Mitarbeiter bei der Fertilitätsbehandlung zu unterstützen. Seit seiner Einführung in Deutschland im Jahr 2024 hat Merck etwa 200 Anfragen erhalten. Die Nachfrage nach einer solchen Unterstützung kam auch von den Mitarbeitern. Allerdings muss einer der Partner während des Behandlungsprozesses bei Merck beschäftigt sein.
Merck garantiert den Mitarbeitern Vertraulichkeit. "Der Vorgesetzte wird über diese Anfrage oder Nachfrage nicht informiert", erklärt Katharina Schiederig, Leiterin des Departments für Diversität, Gleichstellung und Strategien für Inklusion bei Merck. Merck agiert nur als "Abrechnungsstelle" mit einem Höchstbudget im vierstelligen Bereich. Das Thema wird nicht stark beworben.
"Unser Ziel ist es nicht, dies zu forcieren, sondern eine breite Palette an Unterstützung für die Fertilitätsbehandlung anzubieten", betont Schiederig. Das Ziel ist es, Frauen die Freiheit der Wahl zu geben. Die Soziologin Zagel betont, dass es wichtig ist, ob die Fertilitätsleistungen an Bedingungen geknüpft sind. Geben sie den Mitarbeitern tatsächlich mehr Wahlmöglichkeiten oder erwarten sie, dass die Mitarbeiter diese Leistungen in Anspruch nehmen?
Zagel betont, dass es alternative Möglichkeiten für Unternehmen gibt, Familien zu unterstützen. Sie könnten Kinderbetreuung anbieten oder großzügigere Elternzeitleistungen gewähren. Sie könnten auch flexible Arbeitszeiten einführen und das Homeoffice erleichtern. "Es ist wichtig, immer die Alternativen zu betonen. Es sollte kein Druck ausgeübt werden, diese Leistungen in Anspruch zu nehmen."