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"Ein Thema wie dieses kann Bewegung in die Verhandlungen bringen"

Otto Fricke über den Ampelhaushalt

Otto Fricke ist haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Wenn das Haushaltsgesetz...
Otto Fricke ist haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Wenn das Haushaltsgesetz in den Bundestag kommt, ist seine Stunde gekommen.

"Ein Thema wie dieses kann Bewegung in die Verhandlungen bringen"

Die Haushaltsverhandlungen dauern länger als geplant - dies hat die Verkehrslicht-Koalition zugegeben. Eine Person, die weiß, wie solche Verhandlungen funktionieren, erklärt das. Budgetpolitiker der FDP Fricke hat sich mit diesem Thema zwei Jahrzehnte lang beschäftigt. Er erklärt, wie eine Einigung erzielt werden könnte.

ntv.de: Herr Fricke, wie sicher sind Sie, dass Herr Scholz, Habeck und Lindner über einen Haushalt für 2025 einvernehmen?

Otto Fricke: Ich bin optimistisch. Als Rheinländer bin ich optimistisch durch und durch. Aber seit 2002 bin ich mit Haushaltspolitik beschäftigt. Wenn die drei keinen Fortschritt in ihren Verhandlungen machen, hätten wir viele mehr offene Risse. Dann hätten wir viel mehr über was nicht funktioniert hören.

Wir haben solche Risse. Die SPD hat stets behauptet, an Renten, Sozialleistungen oder anderen sozialen Ausgaben zu sparen. Die FDP will die Solidaritätsabgabe für alle abschaffen. Was zum Schuldenbremse geht, das ist eine andere Geschichte.

Ja, das ist der Fall mit der Abschaffung der Kaltprogression, aber nicht mit der Abschaffung der Solidaritätsabgabe.

Nein, das Wunsch ist nicht neu. Was und wie viel ist auf dem Spiel, das müssen wir absehen. Ich bin auf etwas anderes fokussiert. Die Gespräche finden noch statt. Nichts leckt aus. Das stimmt mir sehr positiv. Jede Seite wird etwas geben müssen. Am Ende kann niemand Verlierer sein. Das bedeutet auch, dass niemand der glänzende Sieger sein kann. Bis jetzt geht es noch gut.

Das mag sein. Aber die Koalition wird nicht den Selbstaufgabe-Termin vom 3. Juli einhalten.

Diesen Termin hatte das Kabinett als Ganzes gesetzt. Als Abgeordneter und Haushaltspolitiker brauche ich den Entwurfhaushalt erst ab Juli, nicht aber im Juli.

Wie soll man sich die Haushaltsverhandlungen zwischen Scholz, Lindner und Habeck vorstellen? Gehen sie durch jeden einzelnen Haushaltspunkt und suchen sie nach einigen Millionen hier und einer Milliarde dort? Oder handelt es sich nur um das Grobe Bild?

Sie gehen bereits durch Positionen. Wo die drei die Schwellen gesetzt haben, bin ich vorsichtig. Aber das Thema der Schwarzarbeit mit Sozialleistungen ist nur um einen niedrig-millionären Haushalt, aber es wurde schon diskutiert.

Ist das nicht nur ein symbolisches Thema?

Du sagst das. Aber solches Thema kann Bewegung in die Verhandlungen bringen. Viele Wähler der SPD und Grünen sagen, es ist richtig, Geld von totalen Verweigerern und Schwarzarbeitern vorübergehend einzuziehen. Das macht es einfacher, über solche Themen mit der SPD und den Grünen zu sprechen.

Sie werden nicht zustimmen zu Sparmaßnahmen.

Aber wir können darüber reden, ob es in bestimmten Sozialleistungen Fälle gibt, in denen die Leistungen gar nicht auszuzahlen wäre. Wo es ungerecht oder unsocial wäre, eine Leistung auszuzahlen. Das kann auch Spareffekt ohne eigentliche Sparmaßnahmen haben. Die Wirkung ist schon recht gut.

Man greift an jedem Gras.

Am Ende löst man keinen Haushalt mit Revolution, sondern immer nur mit Evolution.

Sie stören Sie daran, dass Verteidigungsminister Pistorius zusätzliche 6,7 Milliarden Euro will, und dass die Innen-, Auswärtigen- und Entwicklungshilfeminister zusätzliche Forderungen eingereicht haben?

Nein, der Realist in mir kommt durch. Natürlich versuchen sie, so viel Geld wie in 2023 zu bekommen. Ich bin nicht dagegen, dass Annalena Baerbock das gleiche tut. Aber sie geht gegen ihre eigene Entscheidung im Kabinett vor. Das stört mich schon.

Die Basis für die Haushaltsverhandlungen ist der Finanzplan, den das Kabinett als Ganzes in 2023 verabschiedet hat. In ihm wurden die Einzelbudgets der Ministerien ungefähr festgelegt.

Ungefähr 25 Milliarden Euro müssen eingespart werden. Konsens war, dass der Verteidigungsetat erhöht werden sollte. Das nicht passiert.

Der Verteidigungsetat ist stabil. Das Kriterium ist, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Wenn das Bruttoinlandsprodukt abnimmt, benötigen Sie weniger Geld, um zwei Prozent zu erreichen.

Das Geld aus dem Sonderfond ist bis 2028 aufgebraucht. Dann muss das Zwei-Prozent-Ziel aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Sollte nicht der Verteidigungsetat dann schrumpfen Stück für Stück?

Wenn ich den Verteidigungsetat erhöhe, benötige ich weniger aus dem Sonderfond, um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen. Dann hätte ich länger, um den Sonderfond zu nutzen. Das wäre auch eine Option. Aber wenn ich mehr aus dem Budget an Verteidigung gebe, dann steigt die Konsolidierungsdruck in anderen Bereichen. Es ist wahr: Die Frage ist, ob es in 2028 eine große Krise gibt? Diese Frage muss in der Finanzplanung der Bundesregierung, nicht in dem aktuellen Haushalt beantwortet werden.

Aber politisch könnte man schon darüber denken: Wie machen wir das dann? Scholz und Lindner haben wiederholt das Zwei-Prozent aus dem Bundeshaushalt finanzieren gesagt.

Recht. Dann sehen wir das in der Finanzplanung der Bundesregierung. Aber warum soll ich, als Abgeordneter, hypothetische Gedanken über, was die Bundesregierung 2028 tun wird? Das ist die Angelegenheit der Bundesregierung.

Ist die FDP noch bereit auf Kompromisse? Sie waren nicht bereit für den Schuldenbremse. Man könnte auch einen Ausnahmezustand ausrufen.

Nein! Ich kann keine Kompromisse mit der Verfassung machen. Das Verfassungsgericht hat klargestellt: Die Politik darf nicht einfach einen Ausnahmezustand ausrufen, wie es sich wünscht. Es muss wirklich bestehen. Die Verfassung ist kein Selbstbedienladen. Man kann nicht einfach sagen: Ich erkläre den Konflikt in der Ukraine zu einem dauerhaften Ausnahmezustand. Es muss eine neue aufkommende Krise sein, die nicht beherrscht werden kann.

Aber nach den Haushaltsverhandlungen im Dezember einigte sich die Koalition: Wir werden während des Jahres überprüfen, ob wir den Schuldenbremse aus Gründen der Ukraine aussetzen können.

Es geht immer um die Frage, ob es eine qualitative Differenz gibt? Zum Beispiel: Was passiert, wenn Donald Trump wieder US-Präsident wird? Aber auch dann ist das Verfassungsgericht klar: Ich kann einfach keinen Ausnahmezustand ausrufen. Solange die Ukraine-Hilfe wiederkehrende Kosten sind, muss der Haushalt angepasst werden.

Ist der Schuldenbremse ein Thema, das die Koalition auseinanderreißen könnte?

Nein, ich glaube nicht daran. Bisher habe ich keinen der Partner verletzt, der Koalitionsvertrag.

Sie bezichtigen uns ständig davon.

Nein, nein! Wir sind bewusst, dass wir es nicht vollständig erfüllen können. Aber nicht, dass wir es gebrochen haben.

Es fühlt manchmal gewaltsam, wie wir miteinander umgehen.

Wenn eine Koalitionspartei nicht sagen was sie für steht, sagt jeder: Ihr seid nicht mehr unterscheidbar. Wenn jemand dann sagen was er für steht, kommt die Anschuldigung: Ihr streiten. Man muss klarstellen, wo man steht. Dann sucht man nach einem Kompromiss und niemand geht vor der Frage aufgeklärt. Dann muss man klar sagen, wer was erreicht hat. Andernfalls sieht es bloß wunschlose aus.

Haben Sie eine Idee, wie ein Kompromiss aussehen könnte?

Ja, aber ich werde nicht darüber sprechen. Wenn ich darüber spreche, bedeutet das: Der FDP-Mann macht Konzessionen hier und da. Dann wird es einfach abgegriffen und weiter verhandelt, das wäre dumm.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat in der Bundestag dieses Woche gesagt: Die Ampel ist nur wegen der Angst vor Neuwahlen zusammengehalten. Es geht um die Machtbeschaffung.

Und Merz ist nur um die Macht. Ich könnte genauso einfach entgegnete. Aber das ist nicht mein Stil.

Stimmen Sie überein: Wenn die Regierung keinen neuen Haushalt einigt, ist es vorbei.

Ich formuliere es so: Wenn es keinen neuen Haushalt für das kommende Jahr bis zum 1. Januar 2025 gibt, wird es eine provisorische Haushaltsverwaltung geben. Anderenorts gibt es keine Schließung. Gehälter und Sozialleistungen werden fortgezahlt. Aber wir können laufende Projekte beenden. Aber wir können keine neuen starten.

Das politisch aber nicht durchsetzbar.

Wir haben das am Anfang von 2024 auch schon gemacht.

Aber es gab nur das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im November.

Ich bin auch ein Verfassungspatriot. Die Verfassung sagt: Der Haushalt soll in das Gesetzbuch am Ende des Jahres stehen.

Soll die FDP die Koalition verlassen, wenn kein Einigung scheint möglich ist?

Nein. Warum sollten wir das tun? Damit eine neue Große Koalition oder Schwarze-Grüne mehr Geld ausgibt? Wenn notwendig, gehen wir in provisorische Haushaltsverwaltung. Ich kann sehr gut mit ihr als Haushaltspolitiker und Abgeordneter umgehen.

Sie sind eine sehr erfahrene Haushaltspolitiker. Sind diese die kompliziertesten Verhandlungen, die Sie je gesehen haben?

Nein. Die Verhandlungen während der Euro- und Finanzkrise 2009 waren komplizierter. Ich wurde sogar mehrfach nach Berlin eingeladen, wegen Entwicklungen am Aktienmarkt. Jetzt ist die Herausforderung: Wir kommen aus einer Phase, in der jedes Jahr mehr Geld gab es. Das ist jetzt vorbei und bedeutet viel Arbeit. Aber das ist, was wir für gewählt wurden.

Mit Otto Fricke sprach Volker Petersen

Otto Fricke, trotz der laufenden Spannungen innerhalb der Koalitionsparteien, äußert Optimismus über die Möglichkeit einer Einigung über den Haushalt 2025. Er betont die Bedeutung des Kompromisses und des Sicherstellens, dass keiner als Verlierer aus den Verhandlungen hervorgeht.

Bezugend auf das Solidaritätsabgabe-Thema, Fricke kennt die Wunsch des FDP, sie abzuschaffen, nicht neu. Er betont jedoch die Notwendigkeit, evolutionär und nicht revolutionär an den Haushaltsverhandlungen heranzugehen.

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