Niederlande - Die Macht winkt der Rechten: Aber was will Geert Wilders?
Seit dem großen Sieg des Rechtspopulisten Geert Wilders geht es in der Pokerszene Den Haags hart zu. Wilders gewann vor zwei Wochen 37 der 150 Sitze im Parlament und ist nun auf der Suche nach einem Regierungspartner. Aber das Gespräch war schwierig. Die Schauspieler umkreisten einander vorsichtig. Mit dem süßen Paarungstanz hat es wenig zu tun.
Heute wurden 150 Abgeordnete vereidigt. Doch über die „Regierungsbildung“, wie ursprünglich diese Woche geplant, können sie derzeit nicht debattieren. Die Gespräche waren so aufwändig, dass der designierte Ermittler seinen Bericht erst nächste Woche vorlegen wollte.
Gegen den 60-jährigen rechtsradikalen Politiker aus der Karnevalshochburg Venlo herrscht tiefes Misstrauen. Es gibt auch große Zweifel, ob seine liberale Partei PVV eine Regierung bilden kann. Niemand weiß wirklich, was Wilders will.
Option 1 – Rechtsradikale Regierung
Zumindest ist es das, was Wilders seiner Meinung nach hofft, mit der rechtsliberalen VVD des scheidenden Premierministers Mark Rutte regieren zu können. Außerdem gibt es die neue Mitte-Rechts-Partei „Neuer Sozialpakt“ und die kleinere rechtspopulistische Bauernbewegung BBB. Dies wird die rechteste Regierung sein, die das Land je gesehen hat. Doch Umfragen deuten darauf hin, dass sie über eine ausreichende Mehrheit und die Unterstützung der Wähler aller vier Parteien verfügen wird.
Bei einem Thema waren sich die vier sicher schnell einig: Einwanderung. Alle wollen eine starke Reduzierung, insbesondere bei der Zahl der Asylbewerber. Doch Wilders versprach seinen Wählern auch mehr Geld, weniger Steuern und geringere Kosten für Einkauf und Krankenversicherung. Das kostet Milliarden Dollar. Doch sein möglicher Partner will keine Schulden machen.
Es gibt auch ein großes Problem: VVD will das nicht. Zumindest ihr Chef Dilan Yesilgöz (46) bleibt vorsichtig. Angesichts der enormen Verluste ihrer Partei müsse nun „Mäßigung“ herrschen, sagte sie.
Auch der neue Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrats, Pieter Omtzigt (49), hat große Bedenken. Aber Wilders braucht die VVD und den NSC, um sich eine stabile Mehrheit zu sichern.
Option 2 – Minderheitsregierung
Die VVD-Führung wird eine Minderheitsregierung unter Premierminister Wilders tolerieren. Das ist die Politik „Gebt mir ein Bad, aber macht mein Fell nicht nass.“ Rechte Libertäre wollen inhaltlich mitreden. „Ich kann es kaum erwarten, zu verhandeln“, sagte Yesilgoz. Sie will einfach keine Minister ernennen.
Es ist ein Rückschlag für Wilders, aber er gibt noch nicht auf. „Das Land muss regiert werden und wir müssen miteinander reden“, sagte er. „Was ist mit der Form? Wir reden später darüber.“
Aber die Zweifel des ehemaligen Christdemokraten Omzhit waren viel größer und seine Bedenken grundsätzlicher Natur.
Wie demokratisch ist Wilders eigentlich?
Omchit gründete den Nationalen Sicherheitsrat genau zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit. Deshalb stellt er nun vor Beginn der Verhandlungen strenge Bedingungen. Wilders muss alle Ansichten im Programm seiner Partei, die mit der Rechtsstaatlichkeit und der Verfassung unvereinbar sind, „in den Kühlschrank stellen“.
Wilders hatte im Wahlkampf versprochen, er wolle ein Moratorium für Hetze gegen den Islam, etwa Aufrufe zum Verbot des Korans und von Moscheen. Das reichte Omtzigt nicht. Er wollte Sicherheit. Er hofft auch, dass die EU-Mitgliedschaft, der Klimaschutz und die Hilfe für die Ukraine nicht gefährdet werden.
Wenn Wilders dem zustimmt, muss er rund die Hälfte des PVV-Programms kürzen. Aber seine Wähler werden dem nie zustimmen.
milde Wildheit
Wilders versucht nun einen fast unmöglichen Spagat. Einerseits möchte er die Wähler weiterhin bei Laune halten, andererseits aber auch seine potenziellen Partner nicht vergraulen.
Der Mann mit platinblonden Haaren zeigte eine neue, kompromittierende Seite. „Ich bin immer ehrlich“, sagte er ins Mikrofon eines Reporters, den er sonst gerne als „Abschaum“ beschimpfte. Milde Wilders. „Ich möchte Premierminister für alle Niederländer sein“, versprach er. Aber die Fassade ist dünn. Anschließend schleuderte er Beleidigungen nach Beleidigungen, etwa online gegen seine Traumpartnerin Omtzigt.
Kaum hatten die Verhandlungen begonnen, machte sich Wilders trotzig auf den Weg zu wütenden Menschenmengen in Den Haag, die gegen die Bereitstellung einer Notaufnahme für Flüchtlinge in einem Hotel demonstrierten. Er rief, er wolle eine „Schutzstation“.
Dieses Verhalten wird bei anderen Parteien nicht gut ankommen. Denn die Grundlage von Regierungen sind immer noch Kompromisse und Konsens. Doch Wilders greift seit mehr als zwei Jahrzehnten die politische Kultur des Landes an. Nur wenige glaubten an die dramatische Transformation von Wilders.
starker Führer
Wilders hat noch eine Frage. Sein Misstrauen gegenüber anderen Aktivisten hielt ihn zurück. Er war der starke Anführer der PVV, sogar ihr einziges Parteimitglied. Gerade weil er Angst vor Konflikten und der Spaltung der Partei hatte, ließ er keinen Widerspruch zu.
Doch wenn er in das „torentje“ (den Turm der offiziellen Residenz des Premierministers) umzieht, muss er die vollständige Kontrolle über seine Fraktion aufgeben. Die Gefahr des Chaos. Es ist nicht unvorstellbar, dass Wilders als Schattenpremierminister im Parlament bleiben und den Spitzenposten einem unabhängigen Kandidaten überlassen würde.
Letzte Option – Neuwahl
Bisher haben alle eine große Koalition ausgeschlossen. Und niemand traut sich, an Neuwahlen zu denken. Vorerst können wir nur abwarten: Die Regierungsbildung in den Niederlanden dauert traditionell lange – im Jahr 2021 erst 10 Monate.
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Quelle: www.stern.de