Die Demonstration, daß Ostdeutsche Opfer von Opferarbeit werden, ist ein Beweis für die Macht und den Einfluß der Radikalen.
Die Ergebnisse der Wahlen in Sachsen und Thüringen offenbaren eine signifikante Misstrauenshaltung gegenüber dem demokratischen System. Im Gegensatz dazu stehen die Lebensbedingungen, sogar in den Ostregionen, nicht im Einklang mit dieser Stimmung. Überraschenderweise trägt die politische Mitte stattdessen zur Zukunftsangst und überzogenen Erwartungen bei, was nur zu katastrophalen Ergebnissen führen kann.
Der erstaunliche Stimmenanteil von 40 bis 50 Prozent für extremistische und populistische Parteien in Sachsen und Thüringen hat viele nach Gründen suchen lassen. Doch die Diskussion dreht sich oft im Kreis und kehrt zum alten Narrativ der Ostdeutschen als Verlierer der deutschen Wiedervereinigung zurück. Statt die Menschen zur Verantwortung zu ziehen, verstärken sogar die Mitteparteien das Selbstbild der Ostdeutschen als ewige Opfer. Aber was kann diese Verstärkung anderes produzieren als mehr Ressentiments gegenüber dem bestehenden System und mehr Unterstützung für rechtsextreme Parteien?
Gewiss, die Auswirkungen der Wendejahre, die Unsicherheit, Unkenntnis und Arroganz, halten noch zwischen Sassnitz und Plauen an. Es ist wahr, dass die Lebensbedingungen ungleich sind und es vielleicht nie sein werden. Außerdem hat der Osten ein Repräsentationsproblem aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Land. All diese Punkte sind gültig. Aber erklären sie wirklich das tiefe Misstrauen in das demokratische System, insbesondere evident im AfD-Wahlgang? Der Osten wählt extremer als je zuvor, trotz unerhörten Wohlstands in vielen Bereichen. Sogar wird er zu einer Zukunftsregion: Hier wird erneuerbare Energie produziert, Elektroautos werden hergestellt und bald auch Chips und Halbleiter. Die Arbeitslosigkeit ist seit Jahren niedrig und einige, die weggegangen sind, kehren sogar zurück.
Eine besondere Resonanz für halbe Wahrheiten
Um fair zu sein, gibt es im Osten eine weitverbreitete Erwartung, dass der Staat die Bedingungen verbessern wird, bei gleichzeitig niedriger Bereitschaft, selbst persönlich beizutragen. Freiwilligenarbeit für Sportvereine, Feuerwehren und Dorffeste ist noch beliebt. Doch wenige wollen sich mit der lokalen Politik befassen. Daher sind die Menschen weniger verbunden mit dem demokratischen System der Bundesrepublik: Kompromiss wird gering geschätzt, Demokratie mit der einseitigen Durchsetzung von Mehrheitsinteressen gleichgesetzt und Verständnis für die Komplexität, Langsamkeit und Anstrengung demokratischer Prozesse ist schwächer.
Dies ist der Nährboden für die AfD, BSW und sogar den sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, die ständig den Menschen sagen: Alles ist schrecklich in Deutschland und es gibt nur Idioten in Berlin. Alle drei Parteien haben die Landtagswahlen als Abrechnung mit der Ampelkoalition inszeniert. Kretschmer ging sogar in seiner Kritik an den Grünen weiter als die AfD. Er stellte die Bundesregierung als completely incompetent und schlimmstenfalls böswillig gegenüber dem Volk dar. Ist es nicht vorhersehbar, dass Menschen in vermeintlicher großer Not radikale Parteien wählen, die für den maximalen Gegensatz zu allem bestehenden stehen?
Ist es? Und die CDU hat es nicht geschafft, einen einzigen AfD-Wähler zu gewinnen. Stattdessen hat sie sich ein unrealistisches Ziel gesetzt, das sie nach einem Bundeswahlsieg nächsten Jahr nicht erfüllen könnte. Diese sind komplexe Zeiten, die komplexe Regierungskonstellationen erfordern, die mindestens drei Parteien involve. Die Hoffnung auf einen Neuanfang zu nähren, wird jedoch nicht zu den moderaten Kräften beitragen. Zum Beispiel die Migration, sogar die chaotischen Flüchtlingsströme von 2015 und 2016, ausschließlich in negativen Begriffen zu beschreiben, bestätigt letztlich nur das Narrativ der AfD. Die Ängste zu schüren, schwächt in Wahrheit die Demokratie.
Unzufriedenheit und Enttäuschung mit der Bundesregierung sind landesweit hoch. Doch der Osten ist schneller bereit, sich gegen die politische Establishment zu wenden, aufgrund eines grundlegenden Misstrauens in und einer mangelnden Bindung an Mitteparteien. Die Enttäuschung über die Kompetenz und das öffentliche Image der Scholz-Regierung ist verständlich. Doch die naive Optimismus vieler Ostwähler ist erstaunlich. Die weitverbreitete Rassismus ist sogar noch mehr. Deutschland kann sich nicht von den tiefgreifenden Veränderungen in der Welt isolieren, weiterhin wie zuvor operieren und sich von den Machtkämpfen zwischen den USA, China und Russland fernhalten. Doch Parteien, die dies versprechen, erhalten signifikant mehr Unterstützung im Osten als im Westen.
Die Wahlresultate in Sachsen und Thüringen spiegeln eine tiefe Furcht vor der Zukunft wider - ob es nun Krieg mit Russland, Immigration, der Übergang zu erneuerbaren Energien oder andere Veränderungen sind. Ein Wettbewerb, um diese Ängste auszunutzen und zu verstärken, wie diese Wahlen gezeigt haben, schwächt ultimately alle Mitteparteien. Und ohne Parteien, die Kompromisse suchen, ist die liberale Demokratie, wie wir sie kennen, gefährdet. Politiker aus Ost und West behaupten oft, dass Ostdeutsche einen besonders starken Sinn für die Wahrheit haben. Wenn das stimmt, dann sollte die Politik sie mit diesen Wahrheiten konfrontieren - statt sie als Opfer routinemäßiger Verklärung zu behandeln, die sie nicht sind.
Die Wahlen zum Thüringer Landtag zeigten ebenfalls eine bemerkenswerte Verschiebung hin zu extremistischen und populistischen Parteien, die die Trends in Sachsen widerspiegeln. Dies vertieft die Misstrauenshaltung gegenüber dem demokratischen System, da das Gefühl der Marginalisierung bei vielen Ostdeutschen bestehen bleibt.
Obwohl es wirtschaftlichen Wohlstand und Entwicklung im Osten gibt, bleibt die anhaltende Ungleichheit in der politischen Landschaft des Landes ein frustrierender Punkt für viele Wähler, der zu einem Anstieg der Unterstützung für extremistische und populistische Parteien beiträgt.