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Der Tennis-Gottes-Shaker wird "brutal überwältigt"

Der Tennis-Gottes-Shaker wird "brutal überwältigt"

Das nächste große deutsche Sportkarriereende naht - zumindest auf internationaler Ebene: Timo Boll tritt im Alter von 43 Jahren zurück. Er zeigt noch immer Momente seiner alten Form im Olympischen Mannschaftswettbewerb, aber die Spitze ist nicht mehr erreichbar.

Timo Boll und Thomas Gottschalk haben etwas gemeinsam. Sie halten sich nicht an geplante Zeitpläne. Einmal wurde der ZDF-Einwurf bei "Wetten, dass...?" legendär, als es hieß, dass der Showmaster wieder etwas länger braucht. Gottschalk plauderte wie ein Weltmeister und überzog ständig. Die folgenden Shows wurden um mehrere Minuten verschoben. Boll kann darüber nur müde lachen. Er hat um Jahre, um über ein Jahrzehnt überzogen! Nun haben beide aufgehört, und der Tischtennis-Star hat seinen Platz im Pantheon deutscher Sportgötter gefunden, neben Dirk Nowitzki, Boris Becker, Michael Schumacher und anderen.

Ursprünglich wollte der Tischtennis-Ikone spät am Dienstagabend nach seinem letzten internationalen Spiel bekanntgeben, dass er bis Ende 2020 weiterspielen und dann eine Lehre beginnen wollte. Er hatte diesen Plan längst aufgegeben. Boll ist nun 43 (!) Jahre alt und immer noch ein großer Spieler am Tisch, aber nicht mehr der Riese, der er Jahre lang war und der ihn zu einer großen Bedrohung für das chinesische Tischtennis-Imperium machte. Er führte die Weltrangliste mehrere Male an, wurde aber nie Weltmeister oder Olympiasieger. Er hat zwei Bronzemedaillen und acht Europameisterschafts-Goldmedaillen in seiner Karriere, was ihn zum Rekordchampion bei den kontinentalen Meisterschaften macht.

Er ist auch bei den Olympischen Spielen hoch dekoriert, nicht individuell, sondern mit der Mannschaft. Er gewann zwei Silbermedaillen (2008 und 2021) und zwei Bronzemedaillen (2012 und 2016). Und er hätte gerne eine letzte Medaille zu dieser Liste hinzufügen wollen. Aber dieser Traum von einem perfekten Ende platzte gegen die bärenstarken Schweden um Kristian Karlsson, den individuellen Silbermedaillengewinner Truls Moregardh und Anton Kallberg, der Boll im entscheidenden Match mit 3:1 besiegte. "Es gibt Gründe, warum ich nach den Olympischen Spielen gesagt habe, dass es vorbei ist. Es wird immer schwerer für mich, auf diesem hohen Niveau zu spielen. Heute habe ich es nicht ganz geschafft", sagte er bei ARD.

China trainierte einst Boll-Klone

In vielen Momenten kann der 43-Jährige noch mit den absoluten Besten der Welt mithalten. Aber die Peitsche knallt weniger oft, der Vorhand schießt nicht mehr heraus. Die Konstanz ist dahin. Das war auch am Dienstagabend der Fall. Nach dem er die ersten beiden Sätze knapp verlor, kämpfte er beeindruckend gegen die Niederlage an. Er holte das "Odenwald-Schwein" (dieser Spitzname wurde ihm von seinem Freund Dirk Nowitzki gegeben) ein letztes Mal heraus. Boll spielte aggressiv, mutig, gewann lange Ballwechsel durch seine eigene Stärke und nicht durch die Fehler seines Gegners. Ein 0:3-Sieg hätte der Karriere des Legenden unwürdig gewesen. Er hat diesen Sport wie wenige andere geprägt. Er hat die chinesische Dynastie so sehr durcheinander gebracht, dass sie Klone des Deutschen trainierten, die das kaum lesbare und immer sehr variable Spiel des "Eindringlings" imitieren sollten. Kaum zu glauben: Sogar im Reich der Mitte hatte Boll viele Fans, genoss großen Respekt. Bei seinem letzten Auftritt dort dieses Jahr jubelten ihm über 10.000 Fans zu.

Und er war ein Vorbild für viele Spieler. Zum Beispiel für Felix Lebrun, den 17-jährigen französischen Wunderkind, der die Sommerspiele mit seiner Schlagkraft aufgemischt hat und geboren wurde, um das chinesische Imperium herauszufordern, vielleicht sogar die Tischtennis-Hierarchie umzudrehen. In seiner Heimat brach ein gigantischer Hype aus, vergleichbar mit dem um den Fußballstar Kylian Mbappé.

Die Zeit des deutschen Giganten geht zu Ende. Und das passierte auf grandiose Art und Weise in der Sud 4 Arena, die zu einem brodelnden Hotspot der Atmosphäre in Paris geworden war. Natürlich ausverkauft. König Carl Gustaf von Schweden war anwesend, der in diesen Tagen sportliche Triumphe feiern konnte. Zunächst bewunderte er den Weltrekord des Stabhochspringers Armand Duplantis und umarmte ihn, dann erlebte er die Auferstehung der schwedischen Tischtennisnation, die einst große Helden wie Jan-Ove Waldner, Jörgen Persson und Mikael Appelgren hatte. Ob die aktuelle Generation in ihre Fußstapfen treten kann, bleibt abzuwarten. Aber die Jungs haben auf jeden Fall das Talent dafür.

Und ein weiterer Riese war gekommen, um Boll zu sehen: Dirk Nowitzki, ein guter Freund seit Jahren und Karriereberater seit ebenso langer Zeit. "Er hat schon seit Jahren gesagt, 'Endlich, lass uns etwas zusammen machen.' Ich habe immer widerstanden, aber jetzt ist es Zeit", sagte Boll, zumindest auf internationaler Ebene. Er hatte bereits im Mai bekanntgegeben, dass er noch ein weiteres Jahr für seinen Heimatverein Borussia Düsseldorf spielen wollte. "Ein Großer geht. Ich bin froh, dass es geklappt hat, dass ich hier sein konnte", sagte der ehemalige NBA-Champion Nowitzki. "Ich habe Timo bei den Olympischen Spielen 2008 in Beijing kennengelernt. Wir sind seitdem sehr gute Freunde. Wir sehen uns oft. Er ist ein wirklich netter Kerl."

Was für emotionale Szenen, als Boll seine letzte Vorhand spielte! Zunächst lächelte der 43-Jährige kurz, dann überwältigten ihn die Emotionen. Die Halle stand auf und rief seinen Namen. Nicht nur die deutschen Fans, sondern alle. Sogar die Schweden, die respektvoll aufgereiht standen und applaudierten. Boll grüßte das Publikum mit seinen Händen und verbarg sein Gesicht im Handtuch. Er wischte sich die Tränen weg. "Als die Rufe mit meinem Namen kamen, hat es mich schwer getroffen."

"I bin mit dem Verlauf der letzten 25 Jahre eigentlich zufrieden", sagte Boll. "Und es wird mir wirklich fehlen. Aber bis jetzt hat sich alles richtig angefühlt." Natürlich war auch die unvermeidliche Abschiedswehmut vorhanden. "Ich kenn die Jungs schon so lange, ich spiel seit 18 Jahren mit Dima, es ist wirklich wie eine kleine Familie", sagte Boll. "Ich bin schon sehr emotional. Ich weiß nicht genau, was als Nächstes auf mich zukommt." Vor dem Tischtennis-Legende hatten bereits mehrere deutsche Sportgrößen ihren Rücktritt bekannt gegeben: Tennis-Ikone Angelique Kerber, Beach-Legende Laura Ludwig und 3x3-Olympiasiegerin Svenja Brunckhorst. Für den Turn-Weltmeister Lukas Dauser waren das die letzten Spiele, und er könnte ebenfalls completely aufhören. Das könnte auch auf "Hammer-Schorsch", den Volleyball-Ikone Georg Grozer, zutreffen.

Nowitzki nimmt ihm zumindest die Angst vor der Leere: "Es warten viele schöne Zeiten auf ihn", sagte der Basketball-Legende der Deutschen Presse-Agentur. "Wir Athleten haben immer ein bisschen Angst vor dem Aufhören. Wenn man etwas 20, 25, 30 Jahre gemacht hat, gibt es anfangs inevitably eine bestimmte Leere. Aber das Leben danach ist nicht so schlimm, wie es klingt." Und die ursprünglich geplante, vermutlich weniger aufregende Banklehre, die wird es nicht geben. Das ist klar.

Timo Boll, genau wie Thomas Gottschalk, ist bekannt dafür, nicht an geplante Zeitpläne zu halten. Sein angekündigter Rücktrittsplan, bis 2020 zu spielen und dann eine Lehre zu machen, wurde schließlich verworfen.

Der deutsche Tischtennis-Star Timo Boll hat eine illustre Karriere hingelegt, ähnlich wie andere deutsche Sportgötter wie Dirk Nowitzki, Boris Becker und Michael Schumacher.

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