Forschung - Der Rekordwert der Abwasserüberwachung – was zeigen die Erkenntnisse über COVID-19?
Kurz vor Weihnachten gab es an jeder Ecke Husten und Schnupfen. Die Wartezimmer vieler Arztpraxen sind voller Menschen. Laut einem aktuellen Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) leiden derzeit 7,9 Millionen Menschen in Deutschland an einer Atemwegsinfektion. Doch wie viele Menschen sind mit dem Coronavirus infiziert?
Während der Pandemie wurden Menschen zu Hause, in der Arztpraxis oder in einem Testzentrum fleißig getestet, um herauszufinden, ob Halsschmerzen, Schnupfen und Fieber durch eine Erkältung verursacht werden oder ob sie mit dem Coronavirus infiziert sind. Ein positiver Schnelltest muss noch durch einen PCR-Test bestätigt werden, wobei die Hausarztpraxis den Fall melden muss. Das RKI hat eine gute Vorstellung von der Zahl der Coronavirus-Infektionen.
Das Corona-Pandemie-Radar zeigt, dass die Sieben-Tage-Inzidenzrate der gemeldeten Fälle derzeit bei 38 liegt (Stand: 15.12.2023). Zur Erinnerung: Die Sieben-Tage-Inzidenz gibt Aufschluss darüber, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit Covid-19 infiziert haben. Auf dem Höhepunkt der Omicron-Welle im Frühjahr 2022 lag die Sieben-Tage-Inzidenzrate bei knapp 2.000 Fällen. Den Rohdaten zufolge ist in Deutschland derzeit fast niemand mit Covid-19 infiziert. Aber so einfach liegen die Dinge nicht.
Corona-Tests werden nicht mehr flächendeckend durchgeführt
Heute ist alles anders. Wir können freiwillig Corona-Tests zu Hause durchführen. Systemische Tests werden in Krankenhäusern nur bei symptomatischen Patienten durchgeführt. Das bedeutet also: Die 7-Tage-Inzidenzraten im Jahr 2022 und heute sind nicht vergleichbar. Um Covid-19-Infektionen besser beurteilen zu können, setzt das RKI nun zusätzliche Methoden ein. Einerseits nutzt das RKI Informationen von Influenza-Netzwerkteilnehmern zur Beurteilung der Coronavirus-Situation. Die geschätzte siebentägige Coronavirus-Fallrate beträgt laut aktuellen Wochenberichten 2.500 pro 100.000 Einwohner. Das RKI hat bei der Schätzung auch Ergebnisse der SentiSurv-Studie der Universitätsmedizin Mainz herangezogen. Zu diesem Zweck testet sich wöchentlich eine repräsentative Stichprobe von 10.000 Erwachsenen aus dem Land Rheinland-Pfalz. Die Sieben-Tage-Inzidenzrate bei SentiSurv in Rheinland-Pfalz erreichte in der Woche bis zum 13. Dezember 3.896 Fälle.
Zum anderen die Messung der Viruslast im Abwasser. Die Viruslast in einem Liter Wasser, die durchschnittlich fast eine Million Kopien des Gens beträgt, hat ihren höchsten Stand seit Beginn der Messungen im Juni 2022 erreicht. Die neuesten Daten des COVID-19-Pandemieradars laufen bis zum 29. November (Stand: 12. Dezember 2023). Die Abwasserüberwachung ist ein wichtiges Mittel zur Erkennung von COVID-19-Trends. Denn: Wie oben erwähnt, können sich Wissenschaftler nicht mehr auf Sieben-Tage-Inzidenzraten verlassen, wie sie es bei der Testpflicht konnten. Daten zur Abwasserüberwachung zeigen, dass die Viruslast im Abwasser seit Ende Juni 2023 weiter zugenommen hat. Es ist also ein Trend erkennbar.
Abwasserüberwachung: Der Trend ist klar
Doch woher kommen die Daten zur Abwasserüberwachung? Das RKI erhält derzeit Daten von 82 Kläranlagen in Deutschland. Dies sind jedoch keine repräsentativen Entscheidungen. Wenn eine Person mit Sars-CoV-2 infiziert ist, scheidet sie den Erreger über Stuhl, Urin oder Speichel aus. Durch die Entnahme von Proben aus Kläranlagenabwässern können Wissenschaftler abschätzen, wie hoch die Viruslast pro Liter Wasser ist. Dazu müssen Proben in einem Labor vorbereitet werden und ein PCR-Test zum Nachweis des Coronavirus eingesetzt werden. Die Überwachung des Wassers auf Coronaviren ist eine ergänzende Maßnahme, um die Corona-Situation besser einschätzen zu können. Das Abwassermonitoring liefert Informationen zur Viruslast und Infektionsdynamik.
Es lässt sich jedoch nicht genau bestimmen, wie viele Menschen sich mit Covid-19 infiziert haben. Infizierte Menschen scheiden manchmal mehr Viren und manchmal weniger Viren aus, je nachdem, welche Variante sie haben oder wie lange sie infiziert sind. Es ist auch nicht möglich, die Schwere der Infektion oder die Belastung des Gesundheitssystems zu bestimmen. Das bedeutet: Die Daten des Abwassermonitorings sind nur ergänzend. Neben Sars-CoV-2 könnten künftig auch andere Krankheiten durch diese Art der Überwachung besser überwacht werden.
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Quelle: www.stern.de