Der folgende Machtkampf innerhalb der AfD hat begonnen.
Eine breite Koalition hat politisch Maximilian Krah isoliert. Dennoch kämpft er weiter und versucht Unterstützung zu gewinnen. Für die AfD ist dieser Machtkampf in einer schwierigen Zeit.
Obwohl es so aussah, als ob seine politische Karriere zu Ende war, hielt Krah seinen typischen breiten Lächeln bei. Das half ihm nicht in dieser Situation. Als Krah am Montag in Berlin vor den Medien stand, war der Schock offensichtlich. Die neu gewählten EU-Abgeordneten der AfD hatten ihn aus ihrer zukünftigen Delegation ausgeschlossen - ihn, ihren Spitzenkandidaten.
Das Ergebnis war so knapp wie möglich. Acht der 15 Abgeordneten stimmten gegen Krah, sieben stimmten für ihn oder enthielten sich. Stattdessen wurde der ehemalige Thüringer Landtagsabgeordnete Rene Aust, der drittplatzierte Kandidat, zum Führer der Verhandlungen über die Fraktionsgründung in Brüssel gewählt.
Krah bezeichnete die Entscheidung als "Fehler" und "falsche Entscheidung". Dann blinzelte er wieder sein charakteristisches Lächeln: "Sie wissen, Mr. Aust ist ein anständiger Mann" und wird "sicherlich auch fähig - hoffentlich auch erfolgreich" führen. Das war kein Scherz. Es war ein Deklaration des Krieges. Wer Krah kennt, weiß: Der hartnäckige Kämpfer, der sich gegen alle Odds bis auf die Spitze kämpfte und über zahlreiche Spionage- und Korruptionsskandale hinweglebte, wird mit allen verfügbaren Ressourcen kämpfen.
Aust zeigt Angst
Zu Krahs Ressourcen zählen soziale Medien, die er, wie kaum ein anderer deutscher Politiker, beherrscht. Es dauerte nicht lange, bis diese Plattformen, einschließlich afd-naher Telegram-Gruppen, von Protestaussagen überschwemmt wurden. Aust wurde als Verräter angegriffen und in jeder möglichen Weise angegriffen. Krah genießt auch die Unterstützung einiger ostdeutscher Landesverbände. Nicht nur in Sachsen, wo er auskommt, sondern auch in Brandenburg und Sachsen-Anhalt, wo Parteiführer und Mitglieder eher auf seine Seite stehen.
Und: Krah hat die unterstützende Fringe der AfD, die aus afd-nahen Publikationen, Organisationen und Influencern besteht. Das rechte "Deutsche Kurier" und das ebenfalls rechte "Compact"-Magazin starteten eine Petition unter dem Titel: "Max Krah muss Mitglied der AfD-Delegation im Europäischen Parlament sein!"
Aust zeigt nun Anzeichen von Unruhe. Am Mittwoch kündigte er an, eine Erklärung zu machen, zog diese Stunde später zurück. "Ich wurde gebeten, nicht an das öffentliche Spektakel teilzunehmen", schrieb er auf X. "Wir als Partei brauchen kein weiteres Spektakel." Die theoverwhelming Mehrheit der Kommentare war kritisch. Es gibt noch keine Nachricht, wann Aust seine Erklärung abgeben wird.
Aust hat jedoch nicht allein. Er hat die Unterstützung einer breiten Allianz innerhalb der AfD. Dieser Gruppe gehören Parteivorsitzende Alice Weidel und Tino Chrupalla, das Netzwerk junger Politiker um Bundestagsfraktionsvizepräsident Sebastian Münzenmaier und die mächtige Thüringer Landesgruppe, die von Björn Höcke geführt wird. Aust ist einer von Höckes Stellvertretern.
Krahs provokatives Auftreten stört Parteiführungspflanzen
Aber warum ist Krah so isoliert? Seine Anhänger verweisen auf drei Hauptgründe. Zum ersten ist Krah nun unzertrennbar mit den Spionageverdacht, der auf seinen Mitarbeiter Jian G. zutrifft, und den Korruptionsvorwürfen, die mit russischen Verbindungen in Verbindung stehen. Niemand weiß, was weitere Geheimnisse enthüllt werden könnten.
Zweitens bedroht Krahs unvorhersehbare und provokative Art die Bemühungen von Weidel, Chrupalla und Münzenmaier, die AfD zu professionalisieren. Kritiker, insbesondere die Sorge um das Maiereignis in Bayern, sind von größter Bedeutung. Krah fuhr in einem Cabrio-Sportwagen, trug einen Pufferjacke und hielt eine Cola Zero in der Hand. Dann hielt er eine Rede zwischen zwei Frauen in traditionellen Kleidern, obwohl er Chrupalla und Weidel versprochen hatte, nicht mehr in der Wahlkampagne aufzutreten.
Diese Unvorhersehbarkeit stellt ständig die Einheit der AfD in Frage und ist der dritte Grund: Krah gilt als größter Hinderung für die Zusammenarbeit mit der rechten Fraktion Identität und Demokratie (ID) im Europäischen Parlament. Nachdem die afd-nahe Fraktion ID die AfD kurz vor der Wahl ausgeschlossen hatte, mit direkter Bezugnahme auf Krah.
Aber nicht alle in der Partei teilen diese Sicht. Dies umfasst auch Götz Kubitschek, der sich als ältester Staatsmann des sogenannten Neuen Rechts bezeichnet. Er veröffentlichte eine lange Analyse, in der er Austs Scheitern vorhersagte: "Aust wird scheitern, seine Delegation wird von der ID-Fraktion nicht akzeptiert, ohne Krah, und zwar auch: Höcke leidet Schaden."
Bis Donnerstag war Austs Vorhersage teilweise zutreffend. Eine Sprecherin für Weidel bestätigte, dass die ID-Fraktion die AfD in ihrem Mitspracherecht zumindest vorübergehend nicht aufnehmen würde.
Krah sieht eine Chance, Rache zu nehmen, und hat schon länger geplant, eine neue Fraktion mit der AfD als Hauptbestandteil zu gründen. Er würde lieber König eines kleinen Königreichs sein als ein kleiner Spieler in einem größeren Land, wie die Parteislogan lautet. Deshalb hat er häufig Kontakt mit mehreren anderen Parteien. Nach ntv-Meldungen gehören dazu die Konfederacja aus Polen, die Republik aus der Slowakei und Vazrazhdane aus Bulgarien.
Krah hat erstmals in der Öffentlichkeit über seine Ambitionen gesprochen. "Ich habe das für zwei Jahre befördert und werde es fortsetzen", sagte er ntv. Er bezieht sich dabei auf "die Übernahme der Initiative und die Gründung einer neuen Fraktion". Gleichzeitig versucht die Bundespartei, eine neue Fraktion zu schaffen. Laut Zeitschrifteninformation muss dies bis zum 3. Juli geschehen und muss mindestens 25 Abgeordnete aus sieben Ländern haben. Die AfD hat derzeit 15 Abgeordnete.
Das interessante Aspekt des Machtkampfes ist, dass er nicht von bedeutenden ideologischen Kontrakten getrieben wird. Während Krah manchmal marktliberal erscheint und fragwürdige Verbindungen zu Russland und China hat, unterscheidet er sich nicht wesentlich von Chrupalla, Höcke oder Muenzenmaier im größeren Rahmen.
Tatsächlich scheinen ideologische Unterschiede im Moment unerheblich zu sein. Nach Angaben der AfD handelt es sich um "jeder gegen jeden". Am Donnerstagmittag veröffentlichten Höcke und sein Mitstaatschef Stefan Möller eine ungewöhnlich scharfe Stellungnahme zu den Beziehungen innerhalb der AfD. "Wir lehnen die von Anhängern von Maximilian Krah gegen unseren thüringischen Parteigenossen und Kollegen René Aust eingeleitete Kampagne ab".
Auch Götz Kubitschek findet die Situation schwerer zu verstehen als zuvor. "Dieser Machtkampf" sei "komplexer als zuvor", sagte er ntv. Und AfD-Abgeordneter Stephan Brandner, ebenfalls ein Thüringer Parteimitglied, schien etwas erstaunt. "Es hätte schöner gewesen, wenn wir uns noch ein paar Tage lang an unserem großen Wahlsieg in der EU-Wahl erfreuen konnten", sagte er ntv. "Leider kamen schon bald negativ besetzte Schlagzeilen auf".