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Das neue Staatsbürgerschaftsrecht gilt ab heute

Doppelter Reisepass, mehr Anträge

Joe Chialo, Berlins Senator für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt, spricht bei einer...
Joe Chialo, Berlins Senator für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt, spricht bei einer Feierstunde im Abgeordnetenhaus von Berlin für bereits eingebürgerte Berlinerinnen und Berliner. Künftig werden die Einbürgerungsurkunden in einer öffentlichen Feierstunde überreicht.

Das neue Staatsbürgerschaftsrecht gilt ab heute

Heute, Donnerstag, tritt dieses zentrale Reformprojekt der aktuellen bundesdeutschen Regierung in Kraft: das neue Staatsburgerrecht (Bürgerrechtsgesetz). Das Projekt war in den letzten zwei Wochen hoch umstritten und das wird wahrscheinlich weiterhin der Fall sein.

Zwei Wochen ago, der Fraktionsvorsitzende der Union, Friedrich Merz, rief in der Bundestag die Verkehrslichtkoalition auf, mindestens den Inkrafttreten des neuen Staatsburgerrechts zu verschieben. "Dann könnten wir erneut mit Ihnen diskutieren, wie wir ein vernünftiges Bürgerrecht schaffen, das die Tür weiter für Menschen öffnet, die wirklich in unserem Land gehören nicht," meinte Merz.

Für die Union ist das Gesetz eine große Fehlentscheidung. "Dadurch wird die Mehrfachbürgerschaft die Norm, das allgemeine Doppelpass," kritisierte Merz zusätzlich. Weiterhin "gibt es Naturalisierung auch mit Sozialhilfeleistungen."

Aus der Sicht der Verkehrslichtkoalition hat die Reform genau das Gegenteil der Wirkung. "Bisher konnten Menschen deutsche Staatsbürger werden, die nicht auf eigene Arbeit leben," meinte der Fraktionsvorsitzende der FDP, Christian Dürr, in einer Interview-Ausgabe von ntv.de einige Zeit her. "Das macht viele Leute verrückt, und ich kann das verstehen. Wir verknüpfen das Bürgerrechtsgesetz zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes direkt mit der Frage der Existenzsicherung. Das ist zentral für mich."

"Man kann Deutscher werden, wenn man die Sprache lernt, integriert und eine Arbeit hat," sagte Dürr. "Genau das, was wir von Einwanderern wollen." Zusätzlich "werden Menschen, die antisemitische Tendenzen zeigen, keine Chance mehr, deutsche Staatsbürger zu werden."

Bis jetzt war eine Erklärung der Verpflichtung zum freiheitlichen demokratischen Grundordnung für die Naturalisierung erforderlich. In Reaktion auf antisemitische Proteste in Deutschland nach dem Hamas-Anschlag auf Israel fordert man nun eine Erklärung "von Deutschlands besonderer historischer Verantwortung für die Nationalsozialistische Unrechtssituation und ihre Folgen, insbesondere für die Schutz der jüdischen Lebensbedingungen." Die Naturalisationsfragebogen wurden entsprechend erweitert.

Falsche Erklärungen können zur Widerrufung der Naturalisierung führen. Das war schon möglich: Gemäß Paragraph 35 des Staatsangehörigkeitsgesetzes kann die Naturalisierung innerhalb von zehn Jahren wegen betrügerischer Täuschung rückgängig gemacht werden. Das neue Gesetz erwähnt ausdrücklich, dass eine falsche Erklärung der Verpflichtung zum freiheitlichen demokratischen Grundordnung ebenfalls zur Widerrufung der Naturalisierung führen kann.

Die von der Union abgelehnte Vereinfachung der Naturalisierung wird von der Verkehrslichtkoalition ausdrücklich gewünscht. In der EU-Vergleichung gab es bisher in Deutschland verhältnismäßig wenige Naturalisierungen - mit Ausnahme der 1990er-Jahre, in denen die Zahl über 300.000 anstieg, wegen der Naturalisierung von Spätrepatriierten.

Zur Vergleichszweck: In dem EU-Jahr 2022, dem jüngsten verfügbaren Jahr, gab es insgesamt 989.000 Neueingewöhnungen. Die meisten Neueingewöhnungen wurden von Italien (213.700) und Spanien (181.800) verliehen, obwohl beide Länder deutlich weniger Einwohner haben als Deutschland. Die Bundesrepublik liegt auf dem dritten Platz in dieser Statistik innerhalb der EU.

Im letzten Jahr, 2021, wurden in Deutschland 200.100 Menschen naturalisiert, die meisten von ihnen lebten in den Metropolen. Bemerkenswert ist, dass ländliche Regionen in Bezug auf die Potenzialquote für naturalisierte Bürger, also den Quotenverhältnis zwischen den Menschen, die tatsächlich naturalisiert wurden und denen, die es hätten können, an der Spitze standen. Zum Beispiel erreichten Rendsburg-Eckernförde in Schleswig-Holstein und das thüringische Eichsfeld Quoten von mehr als 15 Prozent. Großstädte wie Köln, München und Berlin lagen unter drei Prozent.

Die Naturalisationsbehörden erwarten, dass nach der Verabschiedung des Gesetzes deutlich mehr Menschen dazu neigen werden, deutsche Staatsbürger zu werden. Ein Grund dafür ist die verkürzten Wartezeiten. Menschen, die bereits rechtmäßig in Deutschland leben, können in Zukunft einen deutschen Pass beantragen. Bisher war dies nach acht Jahren erforderlich. Heiratete Paare deutscher Staatsbürger hingegen konnten bereits nach drei Jahren Aufenthaltsdauer und zwei Jahren Ehe in Deutschland naturalisiert werden.

Naturalisierung ist nun allgemein nach drei Jahren möglich für "spezielle Integrationsbemühungen". Solche speziellen Integrationsbemühungen könnten gute Deutschkenntnisse, ehrenamtliche Tätigkeit oder hervorragende Leistungen an Schulen oder im Beruf umfassen. Kürzere Wartezeiten gelten auch für Kinder: Alle Kinder, die in Deutschland geboren sind, sollen in Zukunft deutsche Staatsbürger werden, wenn mindestens ein Elternteil mehr als fünf Jahre rechtmäßig in Deutschland gelebt hat. Bisher war die Forderung acht Jahre.

Eine Sonderregelung für Sprachkenntnisse gilt für die ehemaligen Gastarbeitergeneration. Diese Menschen, die bereits Jahrzehnte in Deutschland gelebt haben, werden nicht mehr einem schriftlichen Deutschsprachtest unterzogen müssen, um naturalisiert zu werden. Diese Anerkennung ist als Würdigung der Beiträge dieser älteren Generation gedacht, die sich wesentlich an der Entwicklung der Bundesrepublik beteiligt haben.

Doppelpass umstritten

Das Thema der Doppelbürgerschaft ist besonders umstritten zwischen der Opposition und der Verkehrslichtkoalition. Zuvor war Doppelbürgerschaft möglich, aber nur als Ausnahme. Dennoch gibt es 2,9 Millionen Doppelbürger in Deutschland, die überwiegend deutscher-polnischer, deutscher-türkischer und deutscher-russischer Herkunft sind.

  • Friedrich Merz, Führer der Union-Fraktion, kritisiert weiter die neue Staatsburgerrecht (Bürgerrechtsgesetz), da es die Mehrstaatsbürgerschaft und allgemeine Doppelpassierschaft in der Politik normalisieren werde.
  • Auf der anderen Seite sieht die rot-grüne Koalition die Reform als essenziell für die Integration an. FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Dürr betont, dass der Gesetzentwurf das Bürgerrechtgesetz in der deutschen Geschichte erstmals direkt mit dem Fragebogen des Lebensverhältnisses verknüpft.
  • Das Thema der Doppelpässe, das bisher eine Ausnahme war, ist erwartet, allgemein zulässig zu sein in Zukunft. Dies ist ein umstrittenes Thema zwischen der Opposition und der rot-grünen Koalition, wobei einige, wie der Rechtswissenschaftler Matthias Friehe, Sicherheitspolitik-Bedenken ausdrücken.

Millionenstarke "Ausnahme" erwartet man in Zukunft allgemein zulassen. Ob das Verständnis oder nicht ist, ein politisches Debatte-Thema. Integrationsministerin Reem Alabali-Radovan der SPD, beispielsweise, sagte, dass zwei Passporte "das normalste Ding der Welt" sein werde, bis 2024. Andererseits äußerte der Goettingen Rechtsanwalt Ferdinand Weber im Ausschuss des Innenministeriums Verständnis für die Tatsache, dass mehrfache Staatsbürgerschaften vorläufig akzeptiert werden. Er kritisierte jedoch, dass mehrfache Staatsbürgerschaften geerbt werden können, auch wenn ein Mensch klar in Deutschland lebt.

Rechtswissenschaftler Matthias Friehe verwies auf Sicherheitspolitik-Aspekte: Deutsche Bürger, die in Zukunft eine russische Passports annehmen werden, werden ihre deutsche Staatsbürgerschaft nicht mehr verlieren, "was dem Puttin-Regime beispielsweise ermöglichen würde, ehemalige Russen wiederzuerwerben." Sollte die Bundesregierung ihre eigenen nationalen Sicherheitsstrategie ernst nehmen, die Deutschland in systematischer Konkurrenz mit autoritär regierten Regimen sieht, so bedeutet das: Mehrfache Staatsbürgerschaften mit autoritär regierten Regimen sind, wie das Bundesverfassungsgericht einmal formuliert hat, ein Übel. Der Gesetzgeber sollte dies nicht weiter fördern, sondern stattdessen suchen, bestehende Mehrstaatsbürgerschaften zu reduzieren.

Behörden bereiten sich auf viele Anträge vor

Die Doppelstaatsbürgerschaft ist der Grund, weshalb der Vorsitzende der Türkischen Gemeinschaft in Deutschland, Gökay Sofuoglu, auf Anfragen der RND-Zeitungen von einer starken Zunahme von Naturalisationsanträgen hofft. "Leute haben jetzt erkannt, dass es eine Doppelstaatsbürgerschaft geben wird," erzählte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Er rechnet mit 50.000 Anträgen pro Jahr. Aber die Bearbeitung dauert Zeit. In vielen Städten ist es schon schwer, eine Termin bei den Ausländerbehörden zu bekommen.

Der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Filiz Polat, sieht das Gesetz als wichtiges Signal für Menschen mit einer Migrationshintergrund, "dass wir sie wahrnehmen, sie anerkennen und sie demokratisch beteiligen lassen." FDP-Bundestagsabgeordnete Ann-Veruschka Jurisch betonte, dass die Vorgaben verkürzt, aber nicht die Anforderungen gesenkt würden. Da die Anforderungen für die Naturalisation bereits hoch sind nach drei Jahren, schätzt sie, dass mehr als 90 Prozent der Menschen erst nach mindestens fünf Jahren naturalisiert werden werden.

Die Union bleibt unbeeindruckt von diesen Argumenten und sieht die Reform als falsch an. CDU-Vorsitzender Merz äußerte sich im Bundestag am Donnerstag: "Das geplante neue Bürgerrechtsgesetz sollte wie geplant in Kraft treten, ist 'plaines Ignoranz' und 'eine Ablehnung der Realität,' wie man es in Deutschland selten gesehen hat."

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