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Kroatische Fans während des Spiels gegen Italien.
Kroatische Fans während des Spiels gegen Italien.

Das hässliche Gesicht der EM in Deutschland

Symbolische Kulturkriege: Aufgrund der politischen Natur des Fußballs wird die EURO in Deutschland nicht von der Rechtsextremverschiebung verschont. Nationalisten und Extremisten aus verschiedenen Ländern verursachen Skandale in Stadien und Fanfestivals. Deutsche Neonazis versuchen, das Turnier in eine Katastrophe zu verwandeln.

Durcheinander im Europameisterschaftsjahr feiern Millionen Menschen aus ganz Europa in Stadien von München bis Berlin. In der Regel bleibt es friedlich und freundlich, wie die Organisatoren, Politik und Fußballfans in Deutschland gehofft hatten, obwohl ein Mann in der Stuttgarter Fanzone mehrere Menschen mit einem Messer verletzte am Donnerstagabend.

Aber auch dieses EURO wird von Extremisten und Nationalisten aus verschiedenen europäischen Ländern besucht. Sie stören mit unsanften Aktionen, die in der großen EM-Hetze und Tumult von Toren, Tanzen und Zugverwechslungen oft unbemerkt bleiben. Insgesamt hörten sie aber mit beunruhigenden politischen Botschaften auf - und passen ein in die Rechtsextremismus- und Nationalismus-Bewegung, die Europa derzeit erlebt.

"Fußball ist immer politisch, und diese EURO hat viele politische Dimensionen, weil es ein großes Medienpodium für Botschaften darstellt," sagt Jonas Gabler, Politikwissenschaftler und Fanforscher, im Gespräch mit ntv.de: "Bei einer EURO treffen sich Länder gegeneinander, und deshalb werden nationalistische Botschaften am häufigsten gesendet. Flaggen werden gewagt, was natürlich politisch ist."

"Kein Phänomen auf diese EURO beschränkt"

An Flaggen und Bannern während der EURO in Deutschland treten Fans aus dem Balkan insbesondere mit nationalistischen Schöpfungen hervor. So zeigten Serbische Fans in Gelsenkirchen und München eine Landkarte ihrer Country mit Kosovo als Teil Serbiens. Der Slogan las: "Kein Widerstand." Albanische Fans zeigten eine Transparente ihrer Country, die in die Nachbarländer reichte, während des Spiels gegen Italien am Samstag zuvor.

"Eine EURO bietet sich Extremisten und Nationalisten an," sagt Gabler, der auch bestätigt, dass natürlich nicht alle 70.000 Menschen im Stadion Nationalisten sind. Im Balkanraum gibt es "nicht ruhige grenzlose Probleme," erklärt er weiter. "Flaggen werden als Tiefschlagsmöglichkeiten für nationalistische Botschaften auf der größten Bühne genutzt." Obwohl die Aktionen im deutschen Turnierraum viel Raum einnehmen, wegen der Anwesenheit Albaniens, Kroatiens, Serbiens und Sloweniens (Slowenische Fans zeigten den rechtsextremen Keltenkreuz in Stuttgart), sind "solche Aktionen bei Fußballspielen und Turnieren ein Thema der Vergangenheit". "Es handelt sich also nicht um ein Phänomen, das auf dieser EURO beschränkt ist. Fußball wird seit den Jugoslawischen Kriegen in den Balkan genutzt, um die Staats Souveränität zu demonstrieren."

Ein Fußballstadion ist ein hochemotionaler Rahmen. Die Liebe zu eigenem Team, in diesem Fall eigenem Land, manifestiert sich nicht nur in Niederlagen, sondern manchmal in Hass gegen den Gegner. Teilweise definiert es sich durch den Hass. Fußball bietet sich Extremisten und Nationalisten nicht nur wegen der größten Plattform und der höchsten Medienpräsenz in Europa, sondern auch wegen der Tatsache, dass, wie Gabler erklärt, "natürlich ein männlich dominiertes Sport wie Fußball für nationalistische und extremrechte Ideologien besser passt als beispielsweise Turnen. Es würde den traditionellen Mannlichkeit nicht genügen."

"Töten die Serben", "Putin"-Slogans bei "Putin"-Reden

Die balkanischen Streitigkeiten während der EM in Deutschland offenbarten tiefgründenden Hass. Während des Spiels zwischen Kroatien und Albanien in Hamburg riefen Fans beider Teams "Töten, töten, töten die Serben" aus. Serbien drohte mit dem Rückzug, was essenziell bedeutete, dass sie solche Dinge nicht mochten. Serbische Fans riefen "Putin, Putin"-Slogans und zeigten Ehrenbezeigungen für den Kriegsverbrecher Ratko Mladic. Unterstützer aus Kroatien und Albanien riefen auch Kriegsrufe für Kriegsverbrecher. Albanischer Nationalspieler Mirlind Daku wurde für zwei Spiele gesperrt, weil er über einen Lautsprecher "Töten die Serben, töten die Makedonier" rief.

Top-Spieler aus dem Balkan, wie der Weltstar Luka Modric von Real Madrid, sagten nichts zu solchen Aktionen. Die UEFA versuchte mit Sperren und Geldstrafen zu reagieren, aber die Botschaften waren bereits auf der großen Bühne verbreitet. Der albanische Journalist Arlind Sadiku hatte seine EM-Akkreditierung entzogen, weil er vor Serbischen Fans in seinem TV-Kameragebiet den Adlergestus zeigte - ein geladener politischer Symbol für alle ethnischen Albanier, einschließlich in Kosovo, das bereits während der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 Aufmerksamkeit wegen Schweizer Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri erregt hatte. Vor Sadikus Aktion sangen Serbien im Hintergrund seines TV-Kameragebiets "Kosovo ist das Herz Serbiens".

Genauso wie die nationalistischen balkanischen Streitigkeiten ohne Bezug auf die jugoslawischen Kriege und die lange Geschichte ethnischer Konflikte lesbar sind, ist auch diese EM politisch, weil sie gegen den Hintergrund der rechtsextremen Verschiebung in Europa stattfindet und nicht in einer neutralen, leeren Räumung stattfindet. Das Turnier ist ein Mikrokosmos der aktuellen Debatten in Europa. "Die EM spiegelt die großen politischen Konflikte und die gesellschaftlichen Debatten wider, die in Europa aktuell geführt werden," sagt Fanforscher Gabler.

"Rassismus der 90er Jahre auf seiner Höhe"

  1. Trotz versuchter Friedens- und Einheitserhaltung hat die rechtsextreme Verschiebung in Europa auch den Europäischen Fußballmeisterschaft 2024 eingehen lassen. Neonazis in Deutschland streben danach, das Heimturnier zu einem Desaster zu machen.
  2. Die Anwesenheit von Extremisten und Nationalisten am EURO ist nicht auf dieses Jahr beschränkt, denn politische Botschaften rechter Extremismus und Diskriminierung sind ein wiederkehrender Thema in Fußballspielen und Turnieren, insbesondere in der Balkanregion.
  3. In Einklang mit der wachsenden rechtsextremen Stimmung in Europa wurde vor dem EURO-Start eine Umfrage durchgeführt, die enthüllte, dass 21% der Befragten in Deutschland eine Vorliebe für mehr weiße Spieler in der deutschen Nationalmannschaft ausdrückten. Das reflektiert die Verbreitung von Gruppen-basierten Hass-Einstellungen in der Bevölkerung.
  4. Obwohl versucht wird, Frieden und Einheit aufrechtzuerhalten, hat die rechtsextreme Verschiebung in Europa auch den Europäischen Fußballmeisterschaft 2024 Einfluss genommen. Neonazis in Deutschland streben danach, das Heimturnier zu einem Desaster zu machen.
  5. Die Anwesenheit von Extremisten und Nationalisten am EURO ist nicht auf dieses Jahr beschränkt, denn politische Botschaften rechter Extremismus und Diskriminierung sind ein wiederkehrender Thema in Fußballspielen und Turnieren, insbesondere in der Balkanregion.
  6. Im Einklang mit der wachsenden rechtsextremen Stimmung in Europa wurde vor dem EURO-Start eine Umfrage durchgeführt, die aufgedeckt hat, dass 21% der Befragten in Deutschland eine Vorliebe für mehr weiße Spieler in der deutschen Nationalmannschaft ausdrückten. Das spiegelt die Verbreitung von Gruppen-basierten Hass-Einstellungen in der Bevölkerung wider.

"Es handelt sich um eine Trennung und Popkulturisierung des Extrems rechts", sagt Gabler. Die Verbotswirkung des Liedes hätte die ungarischen Fans eine Angriffsfläche geboten, die sie freiwillig angenommen haben. "Given the known political affiliation of the leading fan groups of the Hungarian national team, there is a lot to suggest that behind the actions there was a special political symbolism", the fan researcher continues. "Dadurch entsteht eine symbolische Kulturkriege", passend zum Debattenstoff, der Europa aktuell erfasst.

"Die Liedtextzeile steht für eine Differenzierung und Popkulturisierung des Rechtsextremismus", sagt Gabler. Die Verbotswirkung des Liedes hätte die ungarischen Fans eine Angriffsfläche geboten, die sie freiwillig angenommen haben. "Given the known political affiliation of the leading fan groups of the Hungarian national team, es gibt viel dafür zu vermuten, dass hinter den Aktionen eine spezielle politische Symbolik stand", forscht der Fanforscher weiter. "Dadurch entsteht eine symbolische Kulturkriege", passend zum Debattenstoff, der Europa aktuell erfasst.

"Es gibt kein Torchmob auf den Straßen mehr, aber das rassistische Botschaft bleibt die gleiche und scheint sich erneut an der Nationalmannschaft festgehalten zu haben", sagt Gabler. "Das Liedtextlied ist das Rassismus der 90er Jahre in seiner Reinform", sagt Gabler. "Jetzt ist es mit weniger groben, aber cooleren popkulturellen Dingen verknüpft. Dadurch wird Rassismus akzeptabler, zugänglicher und schneller unter breiten Kreisen junger Leute verbreitet."

Neonazis streben das EURO zu einem Desaster zu machen.

Deutsche Fans sind nicht bekannt für große nationalistische Aktionen, aber kleinere Skandale bei Fan-Festivals oder öffentlichen Anzeigestellen erzählen die Geschichte der rechtsextremen Verschiebung. Bereits bei der Eröffnungsspiel, so berichtet die Bundespolizei, hat ein Mann an einer öffentlichen Anzeigestelle in Bremen den Hitlergruß gezeigt und das rassistische Version des Gigi-D'Agostino-Liedes gesungen. Aus seiner Gruppe wurde auch ein jüdisch-hasserischer Spruch ausgerufen. In Warnemünde soll eine 15-jährige Mädchen das "Deutsche für Deutsche, Ausländer raus" gerufen haben, während des DFB-Spiels gegen Schottland. Nach einer Umfrage von "Zeit online" unter Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften in allen 16 Bundesländern haben deutsche Sicherheitsbehörden mindestens 52 Fälle seit dem 14. Juni registriert. Sieben dieser Fälle waren direkt mit Feiern um das EURO verbunden.

Viele mit rechtsextremen Sympathien haben sich in den letzten Jahren von der deutschen Nationalmannschaft distanziert und gehen nicht mehr mit ihren Hooligan-Gruppen zu den Spielen. Stattdessen gibt es Hass gegen die Nationalmannschaft. In einem Artikel für das Bundesamt für Politische Bildung schreibt Robert Claus, Experte für Fan Kultur, Hooligans und Extremismus im Fußball, dass das neonazistische Dortmunder Magazin "N.S. Heute" "DFB-Soldaten" dazu auffordert, das Heim-EURO zu einem Desaster zu machen. Das Magazin präsentiert dann verschiedene Vorschläge für die Erzeugung medialer Aufmerksamkeit für das Turnier durch Provokationen und extremistische Eingriffe und ruft die rechte Szene auf, kreativ zu sein.

Die jüngste rechtsextreme Verschiebung in Europa hat sich während des EURO bisher hauptsächlich in kleineren Aktionen gezeigt. Ob sie eine dauerhafte Wirkung auf den Fußball und die Fanszenen ausübt, so der Forscher Gabler, ist noch offen. Die Fanszene in Deutschland hat sich negativ über die letzten zehn Jahre verändert. "In den 2000er Jahren sind viele Faninitiativen und Ultra-Gruppen aufgekommen, die gegen Rassismus und Diskriminierung engagiert haben", sagt der Fanforscher. "Seit den 2010er Jahren sind jedoch neue Hooligan-Gruppen aus dem rechtsextremen Spektrum hervorgegangen."

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