Bundestag: Muss Berlin noch einmal wählen?
Stephan Bröchler war für die Bundestagswahl 2021 noch nicht als Berliner Landeswahlleiter tätig. Wie viele andere in der Hauptstadt stand er Schlange, um abzustimmen. Vor dem Bundesverfassungsgericht verwies er auf „gravierende organisatorische Mängel“ als Grund dafür, dass derzeit über Neuwahlen nachgedacht werde. Deutschlands oberstes Gericht wird voraussichtlich am Dienstag in Karlsruhe entscheiden. Grund war eine Wahlprüfungsbeschwerde der Bundestagsfraktion Allianz.
Was ist das Problem?
Am 26. September 2021, zeitgleich mit dem Berlin-Marathon und mitten in der Corona-Pandemie, bildeten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen. Es gibt zu wenige Wahllokale. Einige Stimmzettel wurden abgegeben, nachdem die Wahl praktisch um 18 Uhr endete. Stimmzettel sind falsch oder fehlen ganz. Wahlen wurden teilweise für mehr als 100 Minuten unterbrochen. Letztlich wählten Minderjährige und Personen, die sonst nicht wahlberechtigt waren, den Bundestag.
Welche Überlegungen werden hinsichtlich des Umfangs einer doppelten Stimmabgabe angestellt?
Grundlage der Wahlprüfungsbeschwerde ist ein Bundestagsbeschluss vom 10. November 2022. Der Bundestag hat beschlossen, dass in 327 der 2.256 Wahlkreise der Hauptstadt und in 104 der 1.507 Briefwahlbezirke Wiederholungswahlen stattfinden sollen, wie aus einem Votum der seit der Wahl regierenden Parteien Sozialdemokraten, Grüne und FDP hervorgeht. Die Behauptung der Bundesfraktion stützt sich unter anderem darauf, dass Bundeswahlleiter in sechs Wahlkreisen an Wahlen teilgenommen hätten. Allerdings hat der Bundestag die Wahlen in diesen Wahlkreisen nicht insgesamt für ungültig erklärt. CDU und CSU fordern daher eine Wiederholung in größerem Umfang als im Beschluss vorgesehen.
Muss das Gericht seine Entscheidung darauf stützen?
NEIN. Die Richter des Zweiten Senats in Karlsruhe prüfen alle Unterlagen selbstständig auf Wahlfehler und können frei entscheiden. Landeswahlleiter Brockler bereitet sich auf Szenarien vor, die von keinen Wiederholungswahlen bis hin zu vollständigen Wiederholungswahlen reichen. Außerdem stellt sich die Frage, ob eine Zweitstimme, also die Stimmabgabe für eine Partei oder Gruppierung, ausreicht.
Welche Aspekte müssen berücksichtigt werden?
Im Juli-Prozess ging es unter anderem darum, ob Menschen betroffen wären, wenn sie nach 18 Uhr wählen würden und bereits vorläufige Prognosen über den Ausgang kannten. Es gab Diskussionen darüber, ob das lange Warten selbst ein Wahlfehler war. Beispielsweise können Fotos und Videos von Warteschlangen in sozialen Netzwerken andere von der Stimmabgabe abhalten. Es ist jedoch unklar, wie viele Nichtwähler aufgrund der Verwirrung nicht gewählt haben. Der Senat muss außerdem das Interesse an einer Korrektur des Wahlergebnisses und die Frage, ob das gewählte Parlament Schutz genießt, abwägen.
Wann finden Neuwahlen statt?
Nach der Urteilsverkündung gibt es eine Frist von 60 Tagen. Als möglichen Termin nannte Wahlleiter Bröchler bereits vor einiger Zeit den 11. Februar 2024. Dies ist der letzte Sonntag vor Schulbeginn in Berlin nach der Winterpause. Der Termin steht jedoch noch nicht fest. Der Wahltermin muss im Amtsblatt bekannt gegeben werden.
Welche Stimmrechte gelten also?
Es ist genau die gleiche Situation wie beim ersten Lauf 2021. Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich entschieden, dass grundlegende Elemente der Wahlrechtsreform 2020 verfassungsgemäß sind. Seitdem wurde das Wahlrecht erneut reformiert. Dies gilt jedoch nicht für Wiederholungswahlen.
Welche Konsequenzen wird eine weitere Wahl haben?
Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Kräfteverhältnisse im Bundestag völlig ändern werden. Doch eine weitere Wahl könnte erhebliche Folgen für die Linke haben. Die Zustimmung der Partei fiel 2021 unter 5 % und durfte nur aufgrund einer Ausnahme in den Bundestag einziehen: Weil drei ihrer Kandidaten Direktmandate errangen. Die Wahlkreise von Gregor Gysis und Gesine Lötzsch liegen in Berlin. Sollten sie wiederholt werden und einer von ihnen sein Mandat verlieren, werden alle Mandate der Linken ungültig. Die Tatsache, dass sich die Fraktion kürzlich aufgelöst hatte, spielte keine Rolle. Dritter in der Gruppe wurde Søren Perlmann aus Leipzig.
Haben die Wahlen nicht schon vor langer Zeit wieder stattgefunden?
NEIN.Infolge dieses Unfalls kam es lediglich zu einer Wiederholung der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus. Das Verfassungsgericht erklärte die Wahl wegen „schwerwiegender Systemmängel“ und zahlreicher Wahlfehler für ungültig. Am Ende löste das Schwarz-Rote Bündnis die Dreierkoalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Linken ab.
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Quelle: www.ntv.de