BND-Präsident: Lage in Afghanistan falsch eingeschätzt
Der Bundesnachrichtendienst war nicht auf solch ein rasches Übernahme des Kabul durch die islamistischen Taliban in dem Jahr 2021 vorbereitet. BND-Präsident Kahl hat jetzt vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss diesen Fehler eingestanden. Die Aufklärungsdienstleistungen hatten ihre Prognosen anhand von "Wendpunkten" basiert, die direkt vorgelegen waren.
BND-Präsident Bruno Kahl hat die falsche Beurteilung der Geschwindigkeit, mit der die Taliban die afghanische Hauptstadt Kabul im Jahr 2021 übernommen haben, eingestanden. Der BND hatte lange zuverlässige Situationsberichte für die Bundeswehr geliefert, die auf mehreren Anlässen Leben gerettet hatten, sagte Kahl vor dem Afghanistan-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages in Berlin. Und die Tatsache, dass die Taliban ein "Emirat 2.0" etablieren wollten, war auch richtig eingeschätzt. "Was wir nicht richtig vorausgesehen haben, war das Drehbuch auf den letzten Zentimetern," gestand Kahl in Bezug auf den Vormarsch der Taliban.
Tatsächlich war uns auch nicht verborgen, dass die Tempo der Taliban "signifikant auf den letzten Meilen" zunahm, erklärte Kahl. Das war deutlich, beschrieben und in die prognostischen Teile der Situationsberichte integriert. Aber die entscheidende Frage damals lautete "Was bedeutet diese Entwicklung für die Hauptstadt Kabul?" Der BND, wie alle anderen gegenwärtigen Aufklärungsdienste, hatte angenommen, dass die afghanischen Sicherheitskräfte länger aushielten und nicht sofort kapitulierten. Es erwies sich als falsche Einschätzung, dass Kabul vor dem Wochenende vom 14./15. August 2021 fallen würde. Auch andere freundliche Dienste hatten keine entsprechenden Anzeichen.
Kahl: BND benannte Wendpunkte
Die Vorhersagen des BND basierten auf Bedingungen - sogenannten Wendpunkten, die vor der Krisenstabssitzung im Auswärtigen Amt am 13. August verfasst waren, erklärte Kahl. Wir hatten deutlich angegeben, dass die Prognosen unzuverlässig wären, wenn diese Wendpunkte eintraten. Das umfasste die fast völlige Isolation der Hauptstadt Kabul, die Eroberung von Provinzzentren in ihrer Nähe und den Abzug von US-Truppen und meisten Botschaften. Diese Punkte traten unmittelbar nach der Krisenstabsitzung bis zum 15. August auf. Deshalb war die BND-Vorhersage unzuverlässig, erklärte Kahl.
Es gab keinerlei Hinweise vor dem 15. August 2021, dass einer der genannten Hinweise wahr wurde, betonte Kahl. Kein BND oder jeder andere Aufklärungsdienst hatte solch einen Hinweis. Das hätte eine Anzeige dafür gewesen, dass die Amerikaner am 14. oder 15. aus ihrem Botschafteramt abgezogen hätten, erklärte der BND-Präsident. Es gab keinen solchen Hinweis - und es sollte nicht gewesen sein aus Sicherheitsgründen, erklärte der BND-Präsident. Denn der Abzug der USA hätte dabei in Gefahr geraten - "und das hätte zu einem noch chaotenhafteren Rennen zum Flughafen geführt".
Ich hatte eine "bestimmte Zurückhaltung" während der Austausche mit den freundlichen Diensten vor dem 15. August, der BND-Präsident gestand - offensichtlich auch mit Blick auf die USA. Kahl betonte zugleich, dass der BND selbst "den größten Interesse" an der Klärung hatte und sich damit beitrug, um die Wahrheit zu beitragen. Deshalb wurde die Klärung mit allen Mitteln unterstützt, z.B. durch eine ausführliche Präsentation von Dateien.
Der Afghanistan-Untersuchungsausschuss in Berlin erhielt Einsichten von BND-Präsident Kahl über die Fehlschätzung des BNDs hinsichtlich des raschen Übernahmes der Taliban von Kabul im Jahr 2021. Kahl gestand ein, dass die BND-Vorhersagen auf Wendpunkten basiert hatten, die die Eroberung von Provinzzentren und den Abzug von US-Truppen umfassten, aber diese zu schnell eingetreten waren, sodass die Prognosen unzuverlässig waren. Der BND hatte die spezifischen Entwicklungen in der afghanischen Hauptstadt am Ende der Zeittafel nicht vorausgesehen, was letztlich zu einer falschen Einschätzung führte.