Bekannt auf Deutsch als Schuldenbremse, ist es eine Beschränkung der Staatsverschuldung, die in der deutschen Verfassung verankert ist.
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Was ist die deutsche Schuldenbremse: Warum hat Deutschland sie eingeführt?
Gemäß dieser Regelung kann die Bundesregierung jedes Jahr nur eine bestimmte Menge an neuen Schulden aufnehmen.
Diese Grenze beträgt 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – der Menge an Geld, die das Land jährlich in Form von Waren und Dienstleistungen produziert. Obwohl sich das BIP von Jahr zu Jahr ändert, gibt dies der Regierung im Allgemeinen genügend Spielraum, um jährlich etwa 9 Milliarden Euro zu leihen.
Was die Ausgaben auf regionaler Ebene betrifft, d.h. die Ausgaben der Landesregierungen in Deutschland, sind die Regeln noch strenger. Die Länder dürfen kein Geld leihen, um ihre Pläne zu finanzieren, und müssen daher ausgeglichene Haushalte erstellen, in denen die Ausgaben ausschließlich durch Steuereinnahmen und Mittel des Zentralstaats finanziert werden.
Aber warum hat sich Deutschland gerade für so strenge Ausgabenregeln entschieden? Es gibt viele Antworten auf diese Frage.
Bereits 2009 traf die Große Koalition aus Christlich-Demokratischer Union (CDU) und Sozialdemokraten (SPD) unter der Leitung von Angela Merkel die Entscheidung, die Schuldenbremse einzuführen. Zu dieser Zeit kämpfte die Weltwirtschaft mit den Auswirkungen der Finanzkrise 2008 und Deutschland baute ein riesiges Defizit auf.
Die Idee war, die Schulden so schnell wie möglich unter Kontrolle zu bringen und zu verhindern, dass zukünftige Generationen Milliarden von Euro an Schulden zurückzahlen müssen. Gleichzeitig wurde dies in Übereinstimmung mit den Hauptprinzipien des Neoliberalismus durchgeführt: Es wurde ein rationalisierter Staat geschaffen, in dem kein Platz für großzügige Investitionen und hohe Sozialleistungen blieb.
Aufgrund der anhaltenden Folgen der Finanzkrise trat die Schuldenregel erst sieben Jahre nach ihrer Einführung in die Verfassung in Kraft. Das bedeutet, dass seit 2016 die Bundesregierungen an die 0,35-Prozent-Schuldengrenze gebunden sind.
Dennoch gibt es einige Ausnahmen von der Schuldenbremse: In Zeiten außergewöhnlicher Umstände, wie Naturkatastrophen oder Pandemien, darf die Regierung die Schuldenbeschränkung nachrangig behandeln. So geschah es während der Covid-Pandemie in den Jahren 2020–2022, und jetzt wird sie anscheinend zum vierten Mal in Folge verschoben. Mit anderen Worten, sie wurde genau für die Hälfte der Zeit, in der sie gelten sollte, nachrangig behandelt.
Warum steht sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit?
Die Schuldenbremse geriet Anfang November in den Fokus, als das Bundesverfassungsgericht Dutzende Milliarden Euro an gezielten Staatsausgaben als „unverfassungsmäßig“ erklärte.
Es ging um 60 Milliarden Euro an Kreditmitteln, die ursprünglich zur Bekämpfung der Covid-Krise bestimmt waren, dann aber in den Klima- und Transformationsfonds, bekannt als Climate and Transformation Fund, umgeleitet wurden.
Normalerweise wäre die Umschichtung ungenutzter Mittel kein Problem, aber in diesem Fall kamen die besonderen Regeln der Schuldenbremse ins Spiel. Unter Nutzung der Ausnahmen der Schuldenbremse wurden 60 Milliarden Euro zur Stabilisierung der Wirtschaft während der Pandemie aufgenommen und sollten demnach ausschließlich zur Bewältigung dieser Notlage verwendet werden.
Neben diesem Betrag, der bereits einen erheblichen Teil des Staatshaushalts ausmacht, erklärte das Gerichtsurteil auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) für ungültig. Dieser Fonds wurde während der Covid-Krise geschaffen und dann in Olaf Scholz' "Doppelwumme" umgewandelt: 200 Milliarden Euro, die zur Senkung der Energiepreise und anderen Hilfsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine eingesetzt wurden.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) kündigte an, dass die Schuldenbremse um ein weiteres Jahr verschoben wird, um der Regierung zu ermöglichen, ihre finanziellen Verpflichtungen für 2023 zu erfüllen. Doch der Haushalt für das nächste Jahr und wie die erheblichen Finanzierungslücken geschlossen werden sollen, bleiben weiterhin unklar.
Die Krise hat eine ernsthafte Diskussion unter Politikern darüber ausgelöst, wie geeignet die Schuldenbremse noch ist.
Was ist die deutsche Schuldenbremse: Was sagen die Kritiker?
Wie zu erwarten, ist die strenge Ausgabenkontrolle nicht bei allen beliebt, besonders bei denen, die sich auf der linken Seite des politischen Spektrums befinden.
Befürworter der Schuldenbremse sprechen von der Notwendigkeit, das Defizit zu senken, um zukünftige Generationen nicht mit unkontrollierbaren Schulden zu belasten, doch die Kritiker dieses Mechanismus bringen gegenteilige Argumente vor. Ihrer Meinung nach wird die Ausgabenbegrenzung dazu führen, dass zukünftige Generationen in einer misslichen Lage sind, da die Regierung nicht in moderne Infrastruktur investieren und somit das Wirtschaftswachstum behindern kann.
Wenn die Kreditaufnahme stark reduziert und die Steuereinnahmen nicht erhöht werden, werden solche Projekte wie die "grüne" Transformation, die Modernisierung des öffentlichen Verkehrs und die Digitalisierung unweigerlich in den Hintergrund gerückt. Die Regierung wird gezwungen sein, aktuellen alltäglichen Ausgaben Priorität einzuräumen, statt in die Zukunft zu investieren, was zu einer Reduzierung lebenswichtiger staatlicher Dienstleistungen führen kann.
Andere Kritiker behaupten, dass die Schuldenbremse zu dem Zeitpunkt, als sie eingeführt wurde, angemessen war, aber die Zeiten haben sich geändert und Regierungen benötigen mehr Flexibilität.
Anfang bis Mitte der 2000er Jahre befand sich Deutschland dank eines sich rasant entwickelnden Produktions- und Exportsektors, angetrieben durch billiges russisches Gas, im Aufschwung und unternahm kaum Anstrengungen, in erneuerbare Energiequellen zu investieren. Jetzt jedoch, da Deutschland sich von billigem russischem Gas abwendet und versucht, die CO2-Emissionen in die Atmosphäre zu reduzieren, sieht es sich mit zahlreichen kostspieligen Problemen konfrontiert, während die Wirtschaft des Landes besonders schwach ist, was unweigerlich zu einer Erhöhung der Schuldenaufnahme oder Steuererhöhungen führt.
Kann die Schuldenbremse in Zukunft reformiert werden?
Eine solche Idee wird in verschiedenen Lagern geäußert – nicht zuletzt vom Wirtschaftsminister Robert Habeck von der Grünen Partei. Bei einer kürzlichen Konferenz der Grünen kritisierte Habeck die bestehenden Kreditregeln und sagte: „Mit der Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form haben wir uns freiwillig die Hände hinter dem Rücken gefesselt und treten in einen Boxkampf an“.
Habeck meint, dass die Schuldenbremse gemäß der "grünen goldenen Regel" reformiert werden sollte, die es erlaubt, Kredite für Investitionen und nicht für laufende Ausgaben aufzunehmen. Diese Idee wurde auch von Ökonomen vorgebracht.
Saskia Esken, eine der SPD-Führungspersonen, sprach sich ebenfalls für eine Reform der Schuldenbremse aus, um zukünftiges Wachstum nicht zu behindern.
Derzeit ist die Wahrscheinlichkeit dafür allerdings gering, selbst wenn die Grünen, die SPD und einige Mitglieder der CDU dafür eintreten würden.
Dies liegt daran, dass für jede Änderung des Grundgesetzes, oder der Verfassung, eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag erforderlich ist, was weit über die einfache Mehrheit hinausgeht, die für eine Gesetzesänderung notwendig ist.
Die FDP, die zusammen mit den Grünen und der SPD in der Koalition ist, ist auch entschieden gegen eine Reform der Schuldenbremse und möchte stattdessen die Staatsausgaben begrenzen.
Unbeliebt könnte auch eine Änderung dieser fiskalischen Regel sein: Laut einer kürzlichen Umfrage sind 61% der Deutschen gegen jegliche Reform der Schuldenbremse, 35% dafür und 4% wissen es nicht.
Das bedeutet, dass die Regierung zumindest mittelfristig möglicherweise zum Skalpell greifen muss, um ihre früheren Ausgabenpläne zu kürzen, was zu Einsparungen bei Investitionsprojekten, öffentlichen Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung und Transport sowie Sozialleistungen wie Kinder- und Arbeitslosengeld führen könnte. Oder die Regierung könnte einen Weg finden, einige Steuern zu erhöhen, ohne die FDP zu verärgern.