Streit um Fiskalregel - Was genau ist die Schuldenbremse? Warum gibt es sie?
Sozialdemokraten und Grüne wollen es neu gestalten und haben Wirtschaftsexperten und sogar die CDU-Kanzlerin auf ihrer Seite. Die FDP will sie nicht anfassen – CDU-Chef Friedrich Merz weiß das in ihrem Lager: Schuldenbremse.
Seitdem das Bundesverfassungsgericht den Nachtragshaushalt 2021 der Ampel-Union für verfassungswidrig erklärt hat, geraten Fiskalregeln wieder ins Gespräch. Die Debatte dreht sich nun um die Frage, wie die durch den Karlsruher Beschluss entstandene Lücke in den Finanzplänen der Bundesregierung geschlossen werden kann: Schuldenbremse respektieren oder reformieren?
Aber was genau löst solch eine hitzige Debatte aus? Eine Erklärung:
Die deutsche Schuldenbremse zwingt die Wirtschaft des Landes dazu, zu laufen und die Aufnahme neuer Schulden zu vermeiden. Artikel 109 Absatz 3 des Grundgesetzes schreibt vor: „Die Haushalte des Bundes und der Länder müssen insgesamt ausgeglichen sein und dürfen keine Krediteinnahmen aufweisen.“ Der Staat kann nur das Geld ausgeben, das er aufnimmt.
Während die Länder seit 2020 keine neuen Schulden mehr aufnehmen dürfen, gibt das Gesetz dem Bund einen gewissen Spielraum. Artikel 115 gewährt ihm eine strukturelle (also unabhängig von der Wirtschaftslage) jährliche Neuverschuldung von bis zu 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Am Beispiel des Jahres 2022 dürfte der Bund also etwa 13 Milliarden Euro an zusätzlicher Verschuldung aufnehmen, wenn man davon ausgeht, dass das BIP zu diesem Zeitpunkt etwa 3,88 Billionen Euro betrug. Darüber hinaus sind auch wirtschaftlich relevante Abweichungen möglich, die jedoch ausgeglichen werden müssen. Dies bedeutet, dass die zulässige Nettokreditaufnahme in schlechten Zeiten zunimmt und in guten Zeiten um den gleichen Betrag sinkt.
Die Schuldenbremse schafft eine Ausnahme aus der Krise
Die Ausnahmen sollen auch die Handlungsfähigkeit des Bundes in Krisensituationen sicherstellen. Pläne zur Überschreitung der Kreditobergrenze können „im Falle einer Naturkatastrophe oder einer außergewöhnlichen, außerhalb der Kontrolle des Staates liegenden Notlage mit erheblichen Auswirkungen auf die Finanzlage des Staates“ vorgeschlagen werden, sofern der Bundestag mit einfacher Mehrheit beschließt und zurückzahlt das Darlehen.
Im Jahr 2009 führten die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Per Steinbrück (SPD) eine Schuldenbremse ein. Ziel des Gesetzes war die langfristige Stabilisierung der Haushaltslage von Bund und Ländern inmitten der damaligen globalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Darüber hinaus setzt die Große Koalition mit dieser Regelung die im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) verankerten und vor allem von Deutschland initiierten Vorgaben zur Haushaltsdisziplin um. Artikel 104 des EG-Vertrags beginnt mit den Worten: „Die Mitgliedstaaten vermeiden übermäßige öffentliche Defizite.“
Alte Argumente werden wieder ausgegraben
Der Einführung der Schuldenbremse war eine hitzige Debatte vorausgegangen. Die damaligen Oppositionsparteien Grüne und Linkspartei lehnten dies entschieden ab. Sie argumentieren, dass der Staat seine Fähigkeit einschränkt, zu viele Maßnahmen bei den Haushaltsregeln zu ergreifen. Befürworter weisen jedoch darauf hin, dass der Staat mit zunehmender Verschuldung immer mehr Geld für Zinsen ausgeben müsse. Dies führt zu größeren Einschränkungen und Belastungen für zukünftige Generationen.
Mittlerweile ist die Debatte erneut entbrannt. Befürworter einer Gesetzesreform argumentieren, dass durch die Schuldenobergrenze lebenswichtige Investitionen in Infrastruktur und Zukunftstechnologien gefährdet seien. Sie betrachtet Dinge wie heruntergekommene Schulen oder Brücken und die sich verschärfende Klimakrise als Belastungen, die der nächsten Generation überlassen werden. Befürworter der Schuldenbremse hingegen warnen vor Überschuldung und befürworten Ausgabenkürzungen, um Haushaltslücken zu schließen.
Eine Reform der Schuldenbremse ist kurzfristig ohnehin unwahrscheinlich, da das Grundgesetz überarbeitet werden müsste. Dafür wäre aber eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat erforderlich, die es derzeit nicht gibt.
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Quelle: www.stern.de