Stuttgarter Landgericht - Trauernde sollen sich nach dem Angriff gerächt haben
Es klingt fast gehetzt. Sie schlugen immer wieder zu, so beschrieben es zumindest die Staatsanwälte. Sie traten auf das bewusstlose Opfer ein und einer von ihnen sprang dem blutenden Mann auf den Kopf, heißt es in der Anzeige. Bis sie von ihren halb gebrochenen Körpern weggezerrt wurden. Es war offensichtlich, dass diese fünf Männer Rache wollten. Denn erst vor wenigen Minuten hieß es, das hilflose Opfer habe als Mitglied einer verfeindeten Gruppe eine Granate auf die verfeindete Trauergruppe geworfen und dabei 15 Menschen verletzt, was nur ein noch größeres blutiges Massaker auslösen könne. Zum Glück wurde es gestoppt.
Der Höhepunkt des Bandenkrieges
Die blutigen Ereignisse am 9. Juni im Neckartal gelten als Höhepunkt des Bandenkrieges und halten die Polizei in ganz Stuttgart seit Monaten in Atem. Die mutmaßlichen Granatwerfer gehörten nach Angaben der Staatsanwaltschaft zu einer Gruppe mit Sitz in den Regionen Stuttgart-Zuffenhausen und Göppingen. Nach Angaben der Ermittler hatten die Trauergemeinde und die fünf derzeit vor Gericht stehenden Männer enge Verbindungen zu einer anderen Gruppe im Raum Esslingen.
Zu Beginn des Prozesses waren die Sicherheitsvorkehrungen streng, am Donnerstag waren Dutzende Polizisten im Einsatz. Fünf Männer im Alter zwischen 19 und 21 Jahren betraten lächelnd den Sitzungssaal des Jugendsaals des Amtsgerichts Stuttgart. Einer von ihnen streckte den Daumen nach oben in Richtung der in einer Besucherreihe sitzenden Verwandten und Freunde. Die Vorwürfe waren schwerwiegend: versuchter Mord, schwere Körperverletzung, unerlaubter Waffenbesitz – und am Ende eines mehrmonatigen Prozesses war eine mehrjährige Haftstrafe keineswegs ausgeschlossen.
Extrem grausam
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft packten und schlugen die Männer den mutmaßlichen Granatenwerfer bei seinem Fluchtversuch und gingen dabei äußerst brutal vor: Sie zerrten den 23-Jährigen, der seit dem Verfahren im vergangenen Jahr wegen versuchten Mordes vor Gericht steht. Am Donnerstag warfen sie den Iraner aus einem fahrenden Taxi zu Boden und traten und schlugen ihn immer wieder, wie die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift anführte. Einer von ihnen sprang mit aller Kraft auf den Kopf des Opfers, und der andere „sprang auf und trat dem Opfer mit seinem beschlagenen Fuß ins Gesicht, wodurch sein Schuh explodierte“, so der Staatsanwalt weiter.
In der Anklageschrift werden die von den Ermittlern gesammelten Informationen nicht erwähnt. Berichten zufolge hielten die Männer kurz an, als sie Sirenen hörten, griffen das Opfer aber angeblich erneut an, als ihnen klar wurde, dass es sich nicht um die erwartete Polizei, sondern um einen herannahenden Krankenwagen handelte. Selbst die Sanitäter konnten zunächst nichts anderes tun, als sich vor der wütenden Menschenmenge zu schützen, und schlossen sich im Krankenwagen ein.
Der schwer verletzte Mann wurde mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma, gebrochenem Kiefer und gebrochenen Rippen ins Krankenhaus eingeliefert. Die Staatsanwaltschaft wirft den fünf jungen Männern – zwei Deutschen, zwei Türken und einem Georgier – vor, bei einem Amoklauf den Tod eines mutmaßlichen Granatenwerfers zugelassen zu haben.
Nächste Woche wird es weitere Verhandlungen geben
Die Gewalt in Altbach bei Esslingen ist nur ein Kapitel in der langen Geschichte blutiger Kämpfe im Großraum Stuttgart. Es wurden mehrfach Menschen erschossen. Vorfälle ereigneten sich in Stuttgart-Zuffenhausen, Asperger im Landkreis Ludwigsburg und Esslingen im Landkreis Göppingen. Am kommenden Donnerstag (21. Dezember) stehen außerdem zwei Männer vor dem Landgericht vor Gericht, die im vergangenen April in Plochingen aus einem fahrenden Auto heraus das Feuer auf eine Shisha-Bar eröffnet haben sollen. Der Barbesitzer in der Nähe des Bahnhofs wurde von Schrotgeschossen getroffen und erlitt leichte Verletzungen. Nach Angaben des Landeskriminalamtes wurden bisher 52 Personen festgenommen.
Wenig Hoffnung auf ein Ende der Gewalt
Stattdessen gab es keine Anzeichen von Frieden zwischen den Banden: Als die fünf Angeklagten einer nach dem anderen in Polizeiautos aus dem Bezirksgericht geführt wurden, applaudierten ihnen etwa zwei Dutzend junge Menschen, die vor dem Gebäude warteten, in dem sie sich befanden von der Polizei streng bewacht werden.
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Quelle: www.stern.de