Haushaltskrise - Showdown-Gefühl: Scholz und die Suche nach dem „Wir gehen“-Moment
Zumindest in diesem Punkt sind sich die Mitglieder der Ampel-Allianz einig: Niemand lässt absichtlich seine Karte einsehen. Worüber die drei Spitzenmanager sprachen, wurde überhaupt nicht bekannt gegeben. Die Luft in Berlin ist erfüllt vom Duft der Bündnisverhandlungen, nur ist es dieses Mal nicht die Frische von Zitrusfrüchten, sondern eine Illusion – willkommen im Ampel-Advent.
Dies ist daher der Ausgangspunkt vor der entscheidenden Runde der Haushaltsverhandlungen. Spätestens morgen soll in der Koalition eine Einigung erzielt werden, damit das Kabinett den Haushaltsentwurf verabschieden kann, sodass er noch in diesem Jahr finalisiert werden kann.
Vorhersage? hart.
SPD-Generalsekretär Kunert will den Sozialstaat nicht aufgeben
Dienstagmorgen im Willy-Brandt-Haus.Sozialdemokratische Partei-Generalsekretär Kevin Kunert lud zu einer Pressekonferenz im Konferenzraum „Kasino“ der Parteizentrale ein. Dabei soll es um den Parteitag am Wochenende und die künftigen Schwerpunkte der Sozialdemokraten gehen. Aber heutzutage dreht sich alles um die Haushaltskrise. Dem Spitzenstrategen der Partei wurde auf unterschiedliche Weise eine Frage gestellt: Wie liefen die Verhandlungen?
„Vor Ihnen sitzt ein Generalsekretär, der sich auf beide Szenarien vorbereiten muss, das gehört zum Job“, sagte Kühnert. Eine Einigung wird voraussichtlich am Freitag auf dem Parteitag in Berlin erzielt. Oder Sie können einfach keine Einigung finden. Kunert sagte, er wisse noch nicht, welches Szenario eintreten werde. Allerdings schloss er sich auch dem Chor seiner Kameraden an, die seit Tagen unermüdlich singen: Der Sozialstaat werde „weder ganz noch teilweise“ aufgegeben. Das ist die Position der Partei. Aber es gibt noch eine Regierung?
Insbesondere das Geld der Bürger steht im Mittelpunkt der Spardebatte. Die EU und die Liberaldemokraten wollen das geplante Wachstum zu Jahresbeginn stoppen. Allerdings bietet dies schon aus rechtlichen Gründen kein großes Einsparpotenzial (Lesen Sie hier mehr dazu). Sicherheitshalber hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, ein Sozialdemokrat, die Debatte beendet – ohne große Unterstützung seitens des Finanzministers.
Öffnet Hubertus Heil eine Hintertür zum Sparen?
Heil sagte aber auch: „Ich stimme auch zu, dass wir darüber diskutieren, wie wir den Sozialstaat zielgerichteter gestalten können.“ Eine Hintertür zum Sparen woanders? möglich.
Nach Angaben der Partei und der Fraktion soll auch 2024 der Ausnahmezustand ausgerufen werden. Generalsekretär Kunert sagte, die Aussetzung der Schuldenbremse sei kein Aberglaube der Sozialdemokratischen Partei. Allerdings mangelte es ihm an „Kreativität“ bei der Finanzierung vieler Ampelprojekte. Mit anderen Worten: Eine Verkürzung der Zeit reicht sicherlich nicht aus.
Viel Druck. Sollte es dem SPD-Parteitag am Wochenende nicht gelingen, sich grundsätzlich zu einigen, könnte Olaf Scholz in Erklärungsnot geraten. Das Unbehagen des Kanzlers und seiner Koalition könnte noch größer werden, wenn sie auch Kürzungen bei den Sozialleistungen in Aussicht stellen. Die Unzufriedenheit der Genossen könnte sich in heiklen Vorschlägen widerspiegeln, die den Parteiführern und dem Premierminister finanzielle Zwänge auferlegen könnten. Scholz wird am Samstag vor den Delegierten sprechen. Ungeachtet dessen hatte er glücklichere Tage vor sich.
Zwei Leitplanken, kein Notfall
Aus Sicht der LDP ist die Situation sehr einfach. Für die Liberalen sind zwei Bedingungen immer nicht verhandelbar. Wie Finanzminister Christian Lindner gerne sagt: Es gibt zwei Leitplanken. Erstens keine Steuererhöhungen. Zweitens, eine Schuldenbremse einführen.
Aus der Anordnung der beiden Leitplanken lässt sich eine gewisse Hierarchie erkennen. Beim Thema Schuldenbremse ist Hartnäckigkeit bei Steuererhöhungen wichtiger als Mut. Aber nur ein sehr, sehr wichtiger Punkt. Laut FDP schadet im Hochsteuerland Deutschland nicht nur jeder, der die Steuern erhebt, der Wirtschaft, sondern bringt auch die Wähler gegen sich auf. Vor allem diejenigen, die sich darauf verlassen, dass die Liberalen ihre Versprechen einhalten.
Im Gegensatz dazu ist die Schuldenbremse ein eher abstraktes Instrument, das schon immer als richtig und wichtig galt, außerhalb der Politik aber vor allem von Finanz-Nerds diskutiert wird. Das Urteil des Verfassungsgerichts hat diese Wahrnehmung verändert. Wer solide Finanzen feiert, sollte das nicht aus den Augen verlieren. Als SPD und Grüne vorschlugen, im Jahr 2024 wegen des Krieges in der Ukraine erneut den Ausnahmezustand auszurufen, reagierte die FDP nun mit entsprechender Härte. Dies wollte sie unbedingt vermeiden, die Lehre aus Karlsruhe konnte nicht darin bestehen.
Liberaldemokratische Partei will Rentenreform
Aber was wollen die Liberaldemokraten? Es ist auch ganz einfach: kürzen, kürzen, kürzen. Die Parteispitze sagte, die Haushaltslücke von 17 Milliarden Euro sei nicht so groß, dass sie nicht durch Sparmaßnahmen geschlossen werden könne. Einige Liberale hoffen, die Krise als Chance zu begreifen und letztendlich das voranzutreiben, was diese Regierung vermeiden möchte: eine umfassende Rentenreform. Reform bedeutet in diesem Fall natürlich auch Kürzungen. Auf die Frage, wo genau er sein Geld sparen wolle, hustete ein führendes Mitglied der Liberaldemokratischen Partei kürzlich ein kaum hörbares Geräusch, so etwas wie „Ruhestand mit 63“. Konkreter geht es nicht.
Auch den Liberalen ist jetzt klar, dass sie irgendwo Versöhnung zeigen müssen. Wo genau? Naja, es ist ein schwieriges Thema, und man merkt einfach: Wo Steuererleichterungen ordnungspolitisch nicht wirklich zu rechtfertigen sind, zeigen einige Liberale inzwischen Flexibilität. Die Behebung eines solchen Problems sei nicht unbedingt eine Steuererhöhung, heißt es.
Die Grünen betreten den Ring
Die Grünen hingegen haben eine große Sorge: Alles, was nach Klimaschutz und Transformation riecht, wird jetzt gestrichen. Viele Grüne beklagen, dass sie die einzigen in der Koalition seien, die für diese Themen zuständig seien. Die Wahrheit ist natürlich, dass im Grunde niemand so interessiert ist wie sie. 14 Milliarden Euro – so groß wird die Finanzierungslücke allein für den Klima- und Transformationsfonds im kommenden Jahr sein. Zum Beispiel eine erste Zahlung an ein privates Heizungssanierungsunternehmen oder ein Förderbescheid an ein deutsches Stahlwerk, das mit staatlicher Förderung den Weg der Dekarbonisierung einschlagen will.
Wirtschaftsminister Robert Habeck warnte vor zwei Wochen auf dem Grünen-Parteitag in Karlsruhe, dass viele Unternehmen nun vor der Wahl „Umbau oder Abriss“ stünden. Der Fokus liegt nun darauf, das deutsche Geschäftsmodell neu zu erfinden. Es tobt ein brutaler Wirtschaftskrieg, der unfassbare Milliarden kostet, doch wir Deutschen haben uns gerade entwaffnet: „Mit der Schuldenbremse haben wir uns freiwillig die Hände auf den Rücken gefesselt“, also werden wir an Boxkämpfen teilnehmen.“
Man kann sich Habecks Stimmung gut vorstellen, als in einer solchen Ampel-Verhandlungsrunde Habecks große Kriegsbilder auf die seiner Meinung nach Seele der kleinlichen Finanzpolitik Lindners trafen. Dennoch waren sich alle Parteien einig, dass Vertrauen bestehe.
Aber, Klein, die Grünen können das auch: Wenn man Berufspolitiker fragt, fallen ihnen sofort alle möglichen Inhalte ein, die sie löschen würden, wenn sie das nur dürften. Immer erwähnt: umweltschädliche Subventionen. Das Umweltbundesamt beziffert ihn regelmäßig auf 60 Milliarden Euro. Passenderweise der gleiche Betrag wie bei KTF. Oder sollte stecken bleiben. Doch selbst die Grünen weisen darauf hin, dass der soziale Wohnungsbau auf der Liste stehe – wegen der Beton- und Flächenversiegelung. Sogar die Grüne Jugend weist darauf hin, dass man wegen der drohenden sozialen Unruhen selbst bei den Pendlerpauschalen nicht alles streichen könne, man wisse also zumindest: Es wird nicht einfach.
Lesen Sie auch:
Quelle: www.stern.de