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Schweiz lehnt den Einsatz von Todeskapseln ab

Erdölung in 'Sarco'

Das Kapsel heißt Sarco, eine Abkürzung für Sarcophagus.
Das Kapsel heißt Sarco, eine Abkürzung für Sarcophagus.

Schweiz lehnt den Einsatz von Todeskapseln ab

Für über eine Dekade entwickelte ein australischer Aktivist den Sarco-Todeskapsel. Darin sollen Menschen angeblich mit Stickstoff ihr Leben beenden können. In der Schweiz fordert seine Organisation seit Wochen ihre unmittelbare Anwendung.

In der Schweiz könnte erstmals dieses Jahr eine neue transportable Suizidkapsel verwendet werden. Das melden die schweizerischen Medien, zitierend die Organisation "The Last Resort" (Letzte Hilfe), die sich für Euthanasie einsetzt. Die Gruppe gab in Zurich Mitte der Woche bekannt, dass es in der Schweiz keinerlei rechtliche Hürden für den Einsatz des Sarco-Geräts von dem australischen Euthanasie-Aktivisten und Arzt Philip Nitschke gibt. In der Schweiz ist Euthanasie rechtlich zulässig, wenn die Person selbst das Vorgehen ausführt.

Nitschke präsentierte erstmals 2019 die Sarco-Kapsel. Das Gerät selbst wird mit einem 3D-Drucker hergestellt. "Die Kapsel ist auf ein Gerät montiert, das sie mit Stickstoff überschwemmt", erklärte Nitschke in einem Interview mit Swiss-Info damals. Er wurde dafür kritisiert, Suizid als romantisiert darzustellen, weil das Gerät weltweit transportierbar und "in einer idyllischen Naturumgebung oder auf den Grundstücken einer Euthanasieorganisation" verwendet werden kann.

Das Funktionsprinzip der Sarco-Kapsel besteht darin, sie mit Stickstoff zu füllen. Laut der Firma sinkt der Sauerstoffgehalt innerhalb der Sarco-Kapsel von 21% auf 0,05% innerhalb von weniger als 30 Sekunden. Der Mensch darin stirbt an Hypoxie, also einer niedrigen Sauerstoffkonzentration im Körpergewebe. Nach nur zwei Atemzügen wird man bewusstlos aufgrund von Verwirrung oder Euphorie, und der Tod soll innerhalb von fünf Minuten eintraten. Das Sarco-Gerät überwacht den Sauerstoffgehalt in der Kapsel, den Herzenschlag und die Blutsauregehaltssättigung. "Wir werden relativ schnell erkennen, wenn die Person gestorben ist", sagte Nitschke. Der Todesprozess wird aufgezeichnet und den Gerichtsmediziner übergeben.

Umstrittenes Verfahren

Dieselbe Methode wurde erstmals dieses Jahr in den USA angewandt, um eine Todesstrafe auszuführen, und löste internationale Kritik aus. Kenneth Smith, der wegen Mordes verurteilt wurde, starb 29 Minuten nach Beginn der Hinrichtung. Die Vereinten Nationen und die UN-Menschenrechtskommission verurteilten diese Methode als besonders "grausam", verglichen sie mit der Folter.

Bei der Pressekonferenz protestierte Florian Willett, der Mitpräsident von "The Last Resort", gegen die Vergleiche der Todesprozesse. Bezugnehmend auf den Kampf um das Leben von Smith, sagte er: "Habt ihr je eine friedliche Hinrichtung in den USA beobachtet?" In Hinrichtungen werden Personen getötet, die widerstandslos sind. Das kann nicht verglichen werden. Nitschke, der ebenfalls anwesend war, ist überzeugt, dass es in der Suizidkapsel kein solches langwieriges Sterben geben wird. "Wenn du in der Suizidkapsel sterben willst, funktioniert es 'perfekt'", sagte er.

Der Entwickler legte großen Wert auf die Kontrolle des Sterbenden selbst. Vor dem Einsatz der Sarco-Kapsel müssen Menschen eine psychiatrische Untersuchung durchlaufen, um ihre kognitive Fähigkeit zu bestätigen. Laut Angaben muss der Mensch in der Kapsel automatisierte Fragen beantworten, um seine Identität, seine Lage und sein Verständnis des Drückens der Taste zu bestätigen, die den Prozess initiiert. Das Gerät kann durch Druck auf eine Taste, Gesten oder Spracherkennung aktiviert werden. Für Menschen, die wegen schwerer Krankheiten oder Mobilitätsbeschränkungen keine sprachliche Kommunikation mehr aufbringen können, können die Verfahren durch Augenbewegungen aktiviert werden.

Auf der Website der Firma "Exit International" von Nitschke, die die Suizidkapseln verkauft und mit der schweizerischen Euthanasieorganisation Exit nichts zu tun hat, heißt es, dass die dritte Version des Sarco in der Schweiz verwendet werden wird. Sie wurde in den Niederlanden getestet, aber nicht an Menschen oder Tieren getestet. Die Testdetails wurden nicht offengelegt. In den vergangenen zwölf Jahren wurden über 650.000 Euro in die Forschung und Entwicklung der Kapsel investiert. Die aktuelle Sarco kann einen Person mit einer maximalen Größe von 1,73 Metern aufnehmen. In Zukunft gibt es auch Doppelkapseln, die Paare zusammen sterben lassen.

Die Herstellung der Kapsel wird auf etwa 15.000 Euro geschätzt, die Nutzung nur auf 18 Schweizer Franken, etwa 18,60 Euro. Mitgliedschaft in "The Last Resort" ist nicht Pflicht. Laut Willett ist das Interesse an der Suizidkapsel hoch, es seien bereits individuelle Anfragen eingegangen.

Reguläre Reaktionen

In Europa ist aktive Euthanasie oder Hilfestellung zum Selbstmord nur in wenigen Ländern legal, darunter der Schweiz. In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht in einer wegweisenden Entscheidung im Jahr 2020 das Recht auf selbstbestimmten Tod anerkannt. Die Hilfestellung zum Selbstmord ist damit legal, aber ein Gesetz mit bindenden Vorschriften für den Schutz der Sterbenden und der Helfer ist noch nicht verabschiedet. Zwei Gesetzentwürfe zu diesem Thema erhielten im Juli 2023 nicht die erforderliche Mehrheit.

Ob die Sarco-Kapsel schnell in Verbreitung kommt, ist noch ganz unklar. Es gibt noch ungeklärte Einwände, die nicht beantwortet wurden. Nitschke musste einräumen, dass der Knopf gedrückt wird, kehrt nicht zurück. "Wenn du den Knopf gedrückt hast, kannst du nicht mehr zurück", sagte Nitschke.

Kritiker bezweifeln, dass es medizinische Aufsicht gibt. "Wir wollen die Euthanasie entmedizinisieren, denn mit einem Sarco benötigt der Arzt in der Nähe nicht dabei zu sein," sagte Fiona Stewart bei der Pressekonferenz. Der Anwalt ist Partner von Nitschke und Mitglied des Beirats von "The Last Resort". Nitschke selbst verlor seine medizinische Lizenz in Australien aufgrund seiner Befürwortung der Euthanasie. Auch die Tatsache, dass die Sterbenden in der Kapsel keinen körperlichen Kontakt zu ihren Angehörigen in ihren letzten Momenten haben, wird kritisiert. Es gibt auch Bedenken, dass das Gerät Menschen dazu drängen könnte, Selbstmord zu begehen, die sonst daran nicht gedacht hätten.

Die funktionell fehlerfreie Arbeit des Gerätes wird auch in Frage gestellt. Eine Prüfung der MIT kam zu dem Schluss, dass im Fall eines Gerätedefekts nicht möglich wäre, den Benutzer betäuben zu können. Das könnte potenziell zu einem schmerzhaften Tod führen.

Weiterhin ist die rechtliche Situation, dass der Todeskapsel in der Schweiz legal verwendet werden kann, nicht mehr eindeutig. Das Gesundheitsamt des Kantons Schaffhausen drohtte mit "schweren rechtlichen Folgen", wenn die Todeskapsel dort verwendet wird. Das Gesundheitsamt des Kantons Valais hat mit sofortiger Wirkung die Nutzung verboten. Der stellvertretende Kantonarzt Cédric Dessimoz begründete dies in der Zeitung "20 Minuten" mit einer Verletzung des Arzneimittelgesetzes. "Da das in der Sarco verwendete Gas als besonderes Arzneimittel angesehen wird, sollte es von Swissmedic oder der kantonalen Behörde genehmigt worden sein."

Weiterhin sind andere Sterbehilfeorganisationen in der Schweiz auch vehement gegen den Todeskapsel. Patienten werden dort mit dem Medikament Natrium-Pentobarbital euthanisiert, das von einem Arzt verschrieben und in Wasser aufgelöst oder intravenös verabreicht wird.

In Reaktion auf das Verbot des Gesundheitsamtes Valais ist die Organisation Nitschkes in Australien daran interessiert, gegen den Kanton Valais rechtlich vor Gericht zu gehen. Internationale Unterstützung für den Sarco-Kapsel wächst, es gibt Interesse an der Förderung ihrer Nutzung in Australien. Trotz der rechtlichen Herausforderungen bleibt Nitschke optimistisch über die Zukunft von Sterbehilfe-Geräten, indem er "die Wende geht hin zu größerer Akzeptanz von Euthanasie und Hilfe zum Selbstmord als legitime End-of-Life-Optionen" ausgesagt hat.

Die Anmeldungsseite und der Freigabe-Sch Altfang f fur Stickstoff.

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