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Rechte Schläger können uns nicht zum Schweigen bringen

Drohungen gegen Prinz Singh

"Alle müssen etwas tun", schreiben Springfeld und Krumbiegel..aussiedlerbote.de
"Alle müssen etwas tun", schreiben Springfeld und Krumbiegel..aussiedlerbote.de

Rechte Schläger können uns nicht zum Schweigen bringen

Kürzlich erhielt der Leipziger Sebastian Krumbiegel vor einer Veranstaltung Drohungen von rechts. Im März tummelten sich Neonazis bei einer Lesung des Aktivisten Jacob Springfield in Zwickau. Hier berichten sie, wie sie sich fühlen – und warum sie sich weiterhin gegen die Rechten stellen.

Letzten Freitag habe ich, Sebastian, mein Buch im „Boddenhus“ in Greifswald gelesen. Vor ein paar Tagen erhielt ich eine Drohung von rechts. Es gab auch Gerüchte über rechte Demonstrationen vor dem Veranstaltungsort. Ähnliches kenne ich aus der Vergangenheit. Doch nun besteht die Idee darin, die Veranstaltung abzusagen. Das ist für mich eine neue Dimension.

Im März las ich, Jacob, mein Buch in Bautzen. Kurz vor Spielbeginn standen etwa ein Dutzend teils maskierte Neonazis vor dem Jugendzentrum. Lesungen können nur unter Polizeischutz durchgeführt werden. Schließlich wurde ich vom Sicherheitsdienst zum Bahnhof begleitet, damit ich sicher nach Hause kommen konnte.

Springfeld und Krumbiegel engagieren sich gegen rechte Gewalt.

Wie fühlt es sich an? Im Jahr 2023 geht es nach Deutschland. Das ist eine Bedrohung. Wir sind nur deshalb gefährdet, weil wir uns dafür einsetzen, den Aufstieg rechtsextremer Parteien in diesem Land zu verhindern. Unser Ziel ist es zu zeigen, dass es im Osten nicht nur Neonazis gibt, sondern dass es eine Zivilgesellschaft gibt, die sich ihnen widersetzt.

Unbehagliches Gefühl

Unsere Lebenserfahrungen liegen Jahrzehnte auseinander. Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass unsere Erfahrungen auffallend ähnlich sind: Der Ältere von uns (57 Jahre alt) hat die Baseballschläger-Jahre in Leipzig Anfang der 1990er Jahre erlebt, der Jüngere (21 Jahre) hat in Zwei Cowboys Gewalt erlebt Neonazis als rechtsextreme NSU-Mörderbande tauchten zum letzten Mal vor ihrer Enttarnung unter.

Wir kennen das beunruhigende Gefühl, vor rechten Schlägern davonzulaufen, die Angst in den Knochen, wenn einem der Kopf hämmert: Was wäre, wenn...? Aber wir alle wissen, wie es sich anfühlt, ein paar Stunden später oder am nächsten Tag zu sagen: Nein, wir lassen uns nicht unterkriegen.

Wir kämpfen – jeder auf seine Weise – seit langem gegen die extreme Rechte, für Demokratie und Menschenrechte und für eine pluralistische Gesellschaft in Sachsen und anderswo. Das werden wir auch weiterhin tun. Auch wenn es öfter weh tut und, sagen wir mal, gefährlicher wird. Ja, es ist überhaupt nicht angenehm, unter solch ständiger Bedrohung zu arbeiten – sei es in Form von Musik, Lektüre oder politischer Arbeit.

Hass ist keine Meinung

Aber wenn wir... rechte Schläger diktieren lassen, was wir Demokraten tun oder nicht tun, wie wir wissen, wird das der Anfang sein Ende für unser Land. Der Schlüssel liegt hier im immensen Wert der künstlerischen Freiheit und der Meinungsfreiheit. Es geht darum, wohin sich unsere Demokratie wendet und ob sie im kommenden Jahr in allen Teilen des Landes überleben kann. Betrachtet man die Umfragewerte der AfD und anderer rechtsextremer Parteien bei den Wahlen in den drei östlichen Bundesländern, ergibt sich ein völlig anderes Bild.

Einige unserer Interpretationen der Bedrohungslage davor und währenddessen sind nur die Spitze des Eisbergs. Wir danken der Öffentlichkeit, dass sie uns beschützt, insbesondere durch die Medien. Andere haben in dieser hasserfüllten Zeit nicht so viel Glück und verlieren sich in der Menge. Die Angriffe auf Flüchtlinge nehmen zu. Laut Polizeistatistiken sind es in diesem Jahr deutlich mehr als im Jahr 2022. Gleichzeitig erleben wir Angriffe auf Synagogen und grassierenden Antisemitismus. Hass gegen jüdische Gläubige breitet sich aus.

Jetzt müssen wir durchhalten und immer wieder deutlich machen: Hass ist keine Meinung. Hass ist und kann zu schwerwiegenderen Straftaten führen. Wer Intoleranz toleriert und mit Demokraten gleichsetzt, versteht entweder die Geschichte nicht oder erkennt die Zeichen der Zeit nicht. Oder schlimmstenfalls selbst ein Feind unserer liberalen, demokratischen Grundordnung.

Ostdeutschland als Land der Demokratie

Viele Leser werden jetzt denken: Auch Politiker der Alternative für Deutschland stehen unter Beschuss. Aber wir, die Leute, die diesen Artikel geschrieben haben, bekommen Hass von rechts. wieder und wieder. Wir kennen das blutige Erbe rechter Gewalt von der Wiedervereinigung bis heute. Es zeigt ein Kontinuum, das sich zunehmend entmutigend und frustrierend anfühlt: vor allem für diejenigen, die in ländlichen Gebieten aktiv sind, und insbesondere in Sachsen, wo eine Stimme für die Grünen abgegeben wurde. Dutzende Wähler stimmten für rechtsextreme Parteien. Aber aufgeben ist unmöglich. Nicht einmal in Sachsen.

Wir verteidigen Ostdeutschland als Demokratie. Auch wenn die AfD mehr als 30 % Zustimmung erreicht, ist nicht alles rechts. In Zwickau, Leipzig, Magdeburg, Schwerin, Prenzlau, Greifswald, Erfurt – überall im Osten gab es viele Menschen mit dem rechten Herzen. Jemand, dessen Arbeit im öffentlichen Diskurs oft übersehen wird. Bedauerlicherweise.

Damit alle, auch wir beide, dabei bleiben und wir in den kommenden Jahren nicht weiterhin „blaue Wunder“ erleben, müssen wir uns lautstark dafür einsetzen, diese Bedrohung als „ und letztendlich auf demokratischere Weise Akzente auf Marktplätzen, Kulturzentren und Städten setzen. Wir rufen alle dazu auf, sich und unsere Demokratie zu schützen. Es reicht nicht zu denken: Die AfD ist scheiße. Jeder muss etwas tun.

Egal was passiert, wir werden uns nicht entstellen lassen und weiterhin Bücher lesen, Musik machen und Proteste organisieren. Ob in Greifswald oder Bautzen: Wir werden nicht weglaufen. Wir bleiben dort. Bei Bedarf kommen wir wieder.

Quelle: www.ntv.de

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