Namibia ist in einem bemerkenswerten Sinne Deutschland ähnlich.
Fast wie in Deutschland: Pfälzische Gebäude reihen sich an hölzerne Häuser - und das in Namibia. Die Straßennamen sind vertraut: Lüderitzstraße ist Heimat des Woermannhauses, das 1894 für einen deutschen Schifffahrtsmagnaten erbaut wurde. Nur einen kurzen Spaziergang entfernt steht das Alte Amtsgericht, das ehemalige Reichsbezirksgericht, an der Ecke Garrison- und Bahnstraße. Das Wahrzeichen von Swakopmund, das Hohenzollernhaus, war einst die prunkvolle Residenz eines deutschen Kolonialherrschers. Durch die namibische Küstenstadt zu schlendern, ist wie eine Zeitreise. Touristen können zwischen dem klassischen Hotel Hansa, dem Hotel Eberwein mit kolonialem Charme, der Pension Deutsches Haus oder dem Hotel Zum Kaiser wählen. Abends fließen deutsche Biere am Hahn im Brauhaus, begleitet von einem Teller Schweinshaxe, Schweinehaxen und Knödeln. Die "Tagesschau" im Fernsehen gibt es im Am Zoll Wohnheim.
Die Adler Apotheke befindet sich in der Nähe des deutschen Buchladens, der evangelischen Kirche, der deutschen Kindertagesstätte, der Goldschmiede Engelhard und der Hofmeyer-Schule. Der Deutsche Kulturrat, der in der ehemaligen deutschen Kolonie Namibia ansässig ist, unterstützt rund 25 deutsche Vereine, darunter deutsche Männerchöre und Karnevalsvereine in Swakopmund. Es gibt wahrscheinlich keine andere Stadt mit einer stärkeren Präsenz deutscher Kolonialgeschichte.
Diese Atlantikküste-Stadt ist bekannt für ihre dramatische Seepromenade und ihre deutschen Verbindungen. Außenstehende machen oft Witze darüber, dass es der "südlichste Nordseebadort" sei. Doch nur etwa ein Prozent der 2,6 Millionen Einwohner Namibias haben deutsche Vorfahren. Die Bevölkerung der Stadt - etwa 67.000 Menschen - umfasst rund 1.200 Menschen mit deutscher Abstammung. Swakopmund ist ein beliebter Zwischenstopp für Safari-Touristen. Die noch sichtbare kulturelle Dominanz der ehemaligen deutschen Imperialisten ist für die schwarze Mehrheit, die den von ihnen vor 120 Jahren verübten Völkermord erlebt hat, verstörend. Im Keller des Hotel Schweizerhaus befindet sich das Café Anton, in dem der Enkel deutscher Einwanderer aus Namibia, Raimar von Hase, Dialoge zwischen Weißen und Schwarzen Namibiern diskutiert.
Deutsche Einwanderer treffen sich seit vier Jahren mit Vertretern schwarzer Ethnien - hauptsächlich Herero und Nama. Diese Treffen richten sich an die Nachkommen der Völkermordopfer, die brutale Unterdrückung erlitten haben. Die deutschen und namibischen Regierungen verhandeln seit langem über eine angekündigte Versöhnungsvereinbarung, die eine deutsche Finanzhilfe von 1,1 Milliarden Euro für Entwicklungsprojekte in Namibia vorsieht. Die Annahme der Erklärung steht jedoch noch aus.
Proteste gegen das Marinedenkmal
Die Vergangenheit der Familie von Hase ist mit der Kolonialzeit verflochten. Er erzählt die Geschichte seiner Familie; sein Großvater aus Ostwestfalen zog 1910 nach Namibia, kaufte Farmland und begann mit der Tierhaltung. Von Hase übernahm die Farm und hielt Tausende Schafe, Rinder und Ziegen. Er empfindet keine Reue und sagt: "Das ist alles viel zu lange her."
Gegenüber dem Café Anton steht das Marinedenkmal, direkt vor dem Stadtmuseum und dem Leuchtturm. Es erinnert an das deutsche Marineexpeditionskorps, das an der Unterdrückung des Nama- und Herero-Aufstands von 1904 beteiligt war. Ein deutscher Soldat steht auf einem massiven Felsen, das Gewehr auf das Stadtzentrum von Swakopmund und auf das Massengrab von Herero und Nama auf der Stadtausfahrt gerichtet. Für die Nachkommen der Nama und Herero ist dies eine Beleidigung, sagt der Aktivist Laidlaw Peringanda, der die Schaffung von Völkermordgedenkstätten in Swakopmund fordert. Mehrere Proteste der Nama und Herero gegen das Denkmal wurden von den Behörden unterdrückt, und das Denkmal wurde mit roter Farbe beschmiert.
Peringanda, 49, lebt in einem kleinen Backsteinhaus am Stadtrand von Swakopmund. Hier unterhält er ein Völkermordmuseum, das erste des Landes. Doch mit seinen sechs Quadratmetern fühlt sich der Begriff "Museum" mehr wie ein Traum an. In seinem kleinen Raum zeigt er eine Ausstellung von historischen Fotos und ein paar Geschichtsbücher. "Ich möchte den Besuchern zeigen, was damals passiert ist, damit wir aus der Vergangenheit lernen können", sagt Peringanda. Er möchte auch interkulturelle Austausche fördern. Die Vorfahren von Peringanda stammten aus den Herero- und Nama-Stämmen, die den deutschen Truppen während des Völkermords gegenüberstanden. Sein Urgroßvater und Familienmitglieder wurden im Swakopmund-Konzentrationslager interniert.
Da er vermutet, dass ihre Überreste in den unbestatteten Massengräbern auf dem Stadtrand von Swakopmund begraben sein könnten, bemerkt Peringanda, dass das Gewehr des deutschen Marine
Viermal im Jahr arbeitet er gemeinsam mit seinem Team aus Volunteers daran, die Sandhügel zu restaurieren, ein Projekt, das sie auf eigene Initiative gestartet haben. Doch es ist ein vergebliches Unterfangen. Swakopmund ist immer windig, und die unerbittliche Küstenbrise sorgt dafür, dass die Gräber flach bleiben. Peringanda seufzt, als er auf die Hundeabdrücke im Sand zeigt, "Sie graben nach Knochen." Alles, wonach er sich sehnt, ist mehr Respekt, Würde und harmonischer Frieden zwischen den Weißen und Schwarzen von Swakopmund. Die tief verwurzelte Angst vor Veränderungen bei den deutschen Namibiern hält viele zurück, erklärt er. "Stattdessen sollten wir uns vereinen und nach einer friedlichen Lösung suchen." Diese Haltung spiegelt die Philosophie von Raimar von Hase wider - Kommunikation ist der Schlüssel zur Versöhnung.
Das historische Hohenzollernhaus, ein Symbol der deutschen Kolonialherrschaft, steht noch immer als Swakopmund-Landmarke. Besucher können auch die reiche Geschichte der deutschen Vereine erkunden, die vom Deutschen Kulturrat in Swakopmund unterstützt werden, einem Gebiet mit starker Präsenz deutscher kolonialer Geschichte.